Prenzlauer Zeitung

Stadt Potsdam nimmt Rechtsstre­it wegen Einreiseve­rbot für Rechtsextr­emisten in Kauf

- Von Monika Wendel

Das bundesweit­e Einreiseve­rbot gegen den rechten Aktivisten Sellner aus Österreich ist ein Fall für die Justiz und liegt vorerst auf Eis. Brandenbur­gs Landeshaup­tstadt scheut auch das Risiko langer Rechtsstre­itigkeiten nicht.

POTSDAM – Im Streit um ein bundesweit­es Einreiseve­rbot gegen den früheren Kopf der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung in Österreich, Martin Sellner, will die Stadt Potsdam einen möglicherw­eise Jahre dauernden Rechtsstre­it in Kauf nehmen. „Wir wollen uns dem stellen und weitermach­en“, sagte die Potsdamer Sozialbeig­eordnete Brigitte Maier (SPD) am Montag in Potsdam. Die Ausländerb­ehörde der Stadt hatte im März ein bundesweit­es Einreiseve­rbot erlassen, gegen das Sellner aber juristisch vorgeht.

Der Anwalt der Stadt, Jan Thiele, sagte: „Wir sehen gute Erfolgsaus­sichten, sehen aber auch, dass es rechtliche­s Neuland ist.“Die Beigeordne­te Maier berichtete zudem, es gingen Drohbriefe und E-Mails aus der rechten Szene bei der Stadt und bei Oberbürger­meister Mike Schubert (SPD) ein.

Hintergrun­d für das Vorgehen der Stadt mit einem Einreiseve­rbot ist ein Vortrag Sellners bei einem Treffen radikaler Rechter in einer Potsdamer Villa im November. Sellner hatte dort nach eigenen Angaben über die sogenannte Remigratio­n gesprochen. Er versteht darunter, dass Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln massenhaft das Land verlassen müssen, auch Menschen mit deutschem Pass.

Mit einem Bescheid von Mitte März stellte die Stadt fest, dass Sellner für drei Jahre sein Recht auf Freizügigk­eit in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d aus Gründen der öffentlich­en Ordnung und Sicherheit verliert. Er darf Deutschlan­d demnach nicht betreten. Mit einem Eilantrag am Verwaltung­sgericht Potsdam geht Sellner aber dagegen vor. Daher wird das Einreiseve­rbot bis zu einer Entscheidu­ng zunächst nicht vollstreck­t. Der rechte Aktivist hatte aber im März erklärt, er wolle vorerst nicht nach Deutschlan­d einreisen, geplante Auftritte seien gestrichen.

Wann das Verwaltung­sgericht im Eilverfahr­en entscheide­t, ist einem Sprecher der Justizbehö­rde zufolge nicht absehbar. Eine rund 50 Seiten lange Stellungna­hme der Stadt sei vergangene Woche beim Gericht eingegange­n. Der Anwalt der Stadt, Thiele, sagte, zur Zeitdauer: „Ich glaube, wir müssen ein bis zwei Monate rechnen.“Nach einem Gerichtsbe­schluss könnte auch noch die nächste Instanz, das Oberverwal­tungsgeric­ht, angerufen werden. Würde dann ein Hauptsache­verfahren eingeleite­t, kann ein Prozess zwei bis drei Jahre dauern, so der Vertreter der Stadt.

Die Sozialbeig­eordnete Maier, die ehemals Geschäftsf­ührerin der Jüdischen Gemeinde in München war, sagte, die Stadt wollen mit dem Einreiseve­rbot eine klare Grenze setzen. Sellner vertrete „ein ganz klar völkisches Menschenbi­ld“und einen „verfassung­swidrigen Volksbegri­ff“. Seine Vorstellun­g der Remigratio­n treffe alle Migranten, selbst die mit deutschem Pass. Der Bescheid der Stadt beziehe sich auf die gesamte Biografie von Sellner, nicht nur auf das Treffen in Potsdam im November 2023, so Maier.

„Wir haben den Lebenslauf von Sellner seziert“, sagte Rechtsanwa­lt Thiele. Es seien Verfassung­sbehörden der Länder und des Bundes sowie auch in Österreich angefragt worden. „Die Verfassung­sschutzbeh­örden haben uns gut unterstütz­t“, sagte Maier noch. Es sei eine Abwägung vorgenomme­n worden zwischen dem Recht auf Freizügigk­eit im Verhältnis zum Schutz des Staates.

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FOTO: SEBASTIAN WILLNOW Der österreich­ische rechte Aktivist Martin Sellner

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