Prenzlauer Zeitung

Studie: Vertrauen in etablierte Parteien schwindet in der Mitte

- Von Anne-Béatrice Clasmann

Die deutsche Mittelschi­cht ist anfälliger geworden für Populismus, zeigt eine Studie der Bertelsman­n Stiftung. Gründe seien ausufernde Bürokratie und Innovation­sstau.

BERLIN – In der gesellscha­ftlichen Mitte ist das Vertrauen in die etablierte­n Parteien zuletzt deutlich gesunken. Das liegt laut einer Untersuchu­ng der Bertelsman­n Stiftung vor allem daran, dass die Menschen mit mittleren Einkommen zwar einerseits einen großen Veränderun­gsdruck spüren, anderersei­ts aber nicht den Eindruck haben, dass die Ampel-Koalition

dafür die Weichen richtig stellt.

Weder SPD, Grünen und FDP noch CDU und CSU gelinge es derzeit, „in der Mitte den Eindruck von Empathie, Problemlös­ungsfähigk­eit und Zugewandth­eit

zu hinterlass­en, um ihre Wählerscha­ft gegen populistis­che Verführung und Mobilisier­ung zu immunisier­en“, heißt es in der aktuellen Untersuchu­ng. Die Analyse stützt sich auf vier repräsenta­tive Befragunge­n zwischen 2021 und Ende 2024.

Bei einer Online-Befragung im Januar dieses Jahres hatten 56 Prozent der deutschen Bevölkerun­g, die Meinungsfo­rscher der gesellscha­ftlichen Mitte zuordnen, erklärt, sie schauten eher optimistis­ch in die Zukunft. Zum Vergleich: Im Mai 2022 hatten noch 66 Prozent der Befragten Optimismus geäußert. Das gilt laut Untersuchu­ng, obwohl die aktuelle Lebenszufr­iedenheit in der Mitte weiterhin recht hoch ist.

Dabei fühlen sich die von den Forschern als „nostalgisc­h-bürgerlich­e Mitte“beschriebe­nen Menschen durch permanente Veränderun­gsappelle bedrängt.

September Februar Sie versuchten, vertraute Regeln zu verteidige­n gegen „wahrgenomm­ene Zumutungen des ökologisch­en Zeitgeists“. Doch auch die veränderun­gsbereite „adaptiv-pragmatisc­he“Mitte sei unzufriede­n, weil ihr „der Innovation­sstau, die hängende Digitalisi­erung, die ausufernde Bürokratie“und der Fachkräfte­mangel zu schaffen machten. Beide Milieus eine die Suche nach Harmonie, Planbarkei­t und Wohlstands­sicherheit sowie die Wahrnehmun­g, die eigenen Sorgen würden nicht gesehen.

Mehr Schulden aufzunehme­n, fände eine Mehrheit der Menschen mit mittleren Einkommen in Ordnung, allerdings nur unter der Voraussetz­ung,

dass dieses Geld für zukunftswe­isende Investitio­nen, wie Schulen, den öffentlich­en Nahverkehr oder besseren Klimaschut­z verwendet würde. Ein generelles Votum für eine Lockerung der Schuldenbr­emse ist das nicht. Den Angaben zufolge stimmten 73 Prozent der Befragten der Aussage zu, es sei besser, sich heute Geld zu leihen, um der jungen Generation nicht kaputte Schulen, kaputte Straßen und eine kaputte Umwelt zu hinterlass­en. Lediglich 27 Prozent der Teilnehmer der Befragung im vergangene­n Februar hätten sich hinter die Aussage gestellt, den Kindern möglichst geringe Staatsschu­lden zu hinterlass­en, sei wichtiger.

 ?? FOTO: JENS KALAENE ?? 73 Prozent der Befragten sind dafür Schulden aufzunehme­n, um derjungen Generation weniger Baustellen zu hinterlass­en.
FOTO: JENS KALAENE 73 Prozent der Befragten sind dafür Schulden aufzunehme­n, um derjungen Generation weniger Baustellen zu hinterlass­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany