NUR FLIEGEN IST SCHÖNER
Wer oft fliegt, muss geduldig sein. Denn das Warten gehört zum Fliegen wie das Kissen in ein Bett. Die Gründe für Verspätungen sind vielfältiger Natur. Mich wundert es schon nicht mehr, wenn es Treppen nicht pünktlich zur Außenposition schaffen oder Busse sich minutenlang nicht blicken lassen. Aber was ich richtig verwunderlich finde, ist der verschwundene Passagier, der sein Gepäck zwar im Flieger hat, aber nicht mehr aufzufinden ist. Die Konsequenz daraus ist nämlich, dass sein Gepäck aus dem Bauch des Flugzeugs entfernt werden muss. Eine ärgerliche, zeitraubende Maßnahme.
Also, wo ist der Passagier, der zwar eingecheckt hat, aber sich dem Boarding verweigert?
Der häufigste Grund, okay, ist mir auch schon einmal fast passiert: Zeit vergessen. Der ausgiebige Bummel durch den Dutyfree-bereich ist wohl ein häufiges Problem für Russen und Inder.
Zu tief ins Bierglas geschaut. Auch das ist ein häufiger Grund, um den Flug »verfliegen« zu lassen. Das passiert statistisch gesehen gerne den philippinischen Seeleuten, die vom Frachtschiff gleich in den Airport-pub verschwinden.
Briten scheinen häufig die Zeitverschiebung von einer Stunde zu vergessen, und Asiaten verlieren das Geld, das sie sich mühsam beim Tax Refund wiedergeholt haben, indem sie den Flieger in die Heimat verpassen.
Nun rede ich aber von Flügen, die ab Köln-bonn an einem Freitagabend innerdeutsch abheben. Und wer den Flughafen kennt, der weiß: Es gibt keinen Pub zum Versacken, der Duty-free-bereich ist sehr überschaubar – und selbst wenn man es als Passagier bis zum Ausrufen ausreizen würde, wären es nur ein paar Schritte zum Gate. Verlaufen ist auch unmöglich, und bei der Security ist um diese Uhrzeit tote Hose.
Wo also ist der Passagier, der uns so warten lässt? Dessen Koffer jetzt mühsam gesucht und wieder ausgeladen werden muss? Krank geworden in einem versteckten Flughafen-eckchen? Am wahrscheinlichsten. Dringender Anruf von daheim, aber Koffer vergessen? Eingeschlafen? Vielleicht.
Wie dem auch sei, ein verschwundener Passagier gibt immer Rätsel auf, regt die Fantasie an, und wäre ich eine Krimiautorin, würde ich es vielleicht als Romanvorlage nutzen. Stattdessen sitze ich in Reihe 15 auf meinem Fensterplatz und starre in die Dunkelheit. Landen möchte ich in Hamburg. Da gibt es ein Nachtflugverbot. Ich hoffe, der Koffer wird bald gefunden, sonst bleiben wir wohl alle hier. Das kann der verschwundene Passagier nicht gewollt haben, oder vielleicht doch?