VERDECKLEIN, ÖFFNE DICH!
Staubiger Fahrtwind, weite Geröllfelder und ein Allradantrieb: Im O road-cabrio lassen sich auch die entlegenen Schönheiten Kretas entdecken. Jenseits befestigter Wege konkurriert man mit Wanderern und Mountainbikern. Und kommt ins Grübeln, das Verkehrsmittel zu wechseln: Wenn nicht alles so schön einfach wäre.
Wie kleine Würfel sind die Villen des Daios Cove Luxury Resort in den Hang gebaut und gewähren jedem Gast den Blick auf die einsame Bucht, die tagsüber verlockend türkis leuchtet. Der Anblick des Resorts vermittelt schon etwas Kulissenhaftes, denn die typisch griechischen Dörfer der Inseln sehen natürlich nicht annähernd so puristisch modern aus. Doch die Gäste lieben das Behütete, das mit solchen Anlagen einhergeht. Und glücklicherweise macht das Resort auch Charakteren wie mir ein Angebot, das über Spaß-treatments und kulinarische Hochgenüssen hinausgeht.
Wer also ausbrechen möchte aus dem umsorgten Paradies, der bucht »Land Rover Experience Greece«. Ausschlafen, Fehlanzeige, denn bereits um 9 Uhr am nächsten Morgen erwartet uns Marcus Maegle, unser Instruktor. In drei Tagen wollen wir gemeinsam den Osten von Griechenlands größter Insel im Allrad-cabrio erkunden. Auch eintägige Trips können Kurzentschlossene vor Ort für 159 Euro buchen, doch wir haben uns für das volle Programm entschieden. Marcus steht über eine Karte Kretas gebeugt und hat seine Spiegelsonnenbrille auf die ebenso blanke Glatze geschoben. Während der Berg- und Küstenpassagen gehe es, verspricht er, »einige Kilometer« auch offroad.
Jedes Mal nehmen maximal drei Range Rover Evoque Cabrio teil sowie das Führungsfahrzeug, in dem Marcus das Walkie-talkie in die Hand nimmt, nachdem sich der Tross in Bewegung gesetzt hat. »So, dann verlassen wir jetzt mal die Hauptstraße«, lässt er die Funkgeräte in den anderen Wagen knacken. Die Allradler biegen ab, schlängeln sich vorbei an blühendem Oleander und an Steinhäusern mit kleinen Fenstern, dann raus aus dem Dorf. Ein paar Hundert Höhenmeter später schieben sie sich schließlich über eine schmale Schotterpiste an einem Abgrund entlang.
Der Vorderwagen unseres Evoque scheint in einer Kurve über der Felskante zu schweben, doch er hat Bodenhaftung, zum Glück! Die Schultern sind jetzt trotzdem verspannt. Wir umfahren ein ums andere Mal größere Gesteinsbrocken oder warten, bis umhergeisternde Ziegen den Weg räumen, während störrische Äste am Lack kratzen, dass es einem die Zehennägel aufstellt. In einem Blütenmeer machen wir eine Pause. Bienenkästen stehen in einer geschwungenen Senke. Als alle Motoren aus sind, hören wir, wie das bergige Kreta klingt. Vogelgezwitscher und Insektengesumme erfüllen die Frühjahrsluft. Durchatmen.
Bei der anschließenden Bergabfahrt über den Schotterpfad hilft der Kriechmodus, der ein geringes Tempo hält, indem er einzelne Räder abbremst. »Im Prinzip kannst du ganz ohne Fußpedale fahren«, knistert Marcus. Hilfreich sei der Bergabfahrassistent vor allem, weil Offroad-anfänger die Strecke oft nicht richtig lesen würden. Plattfüße oder Blechbeulen sind dann die weniger schlimmen Folgen, die auf der folgenden Passage runter zur Südostküste kaum drohen: Wir rollen wieder auf einer befestigten Straße, die sich vor uns wie ein ausgelegter Gartenschlauch durch die graugrüne Einöde aus mit Fels und Buschwerk besprenkelten Hügelrücken runter zum Meer schlängelt.
Der Evoque ist zwar kein Meister der Spitzkehrenfahrt, aber so etwas wie eine Straßenlage zu spüren, ist nach der Schaukelfahrt über Stock und Stein zur Abwechslung angenehm. Auf Normal Null angekommen, sehen wir uns der Schönheit des Xerakambos-strands ausgesetzt, einer sandigen Bucht im Südosten, über die sich vereinzelt krumme Nadelbaumzwerge beugen und spärlich Schatten spenden. Jederzeit bei solcher Gelegenheit könnten die Teilnehmer in die Fluten springen, sagt Marcus. Da ist sie, die Chance, endlich den ganzen Staub abzuwaschen, der bei geöffnetem Verdeck bis in die Gehörgänge segelt. Doch offenbar wirkt der Ruf der guten kretischen Küche gerade stärker.
Lecker schmecken mit Reis gefüllte Weinblätter, Schafskäse und Hummus im Strandlokal von Nikos Platanakis im Örtchen Kato Zakros. In der Nähe wurden Reste eines jahrtausendalten Minoer-palastes ausgegraben. Und man könnte durch die Schlucht der Toten wandern, die am Dorfausgang endet und in der das geheimnisvolle archaische
ALS ALLE MOTOREN AUS SIND, HÖREN WIR, WIE DAS BERGIGE KRETA KLINGT. VOGELGEZWITSCHER UND INSEKTENGESUMME ERFÜLLEN DIE FRÜHJAHRSLUFT. DURCHATMEN.
kretische Volk in Höhlen einst seine Toten begrub. Mit dem Auto darf man sie zum Glück nicht befahren und könnte dies wohl auch mit dem besten Geländewagen nicht. Als wir die Motoren wieder starten, zieht nett grüßend eine Gruppe Wanderer vorbei.
Die Experience-tour auf Kreta ist eine Erfahrung wert, doch Regionen, wo man tagelang auf Hilfe warten müsste, gibt es auf einer vergleichsweise dicht bevölkerten Insel nicht. Sie ist nicht das volle Programm für hartgesottene Offroad-freaks, auch wenn der Name nach Geländeabenteuer klingt. Auf der Insel gibt es keine Flüsse oder gar Schlammfelder zu durchqueren. Dafür sind die Wegepunkte auch Kretas Hotspots, die man auch mit einem normalen Auto gut erreichen kann.
Auf der Liste der dreitägigen Veranstaltung steht etwa die bekannte Lasithi-hochebene. Als Eingangstor gilt das Dorf Kritsa. Alte Männer auf Holzstühlen am Straßenrand, die wir im Schatten einer Hauswand oder eines Baums entdecken, blicken dem Tross der badenwanneartigen Autos mit einer Mischung aus Verwunderung und Gelassenheit nach. Das Plateau auf gut 800 Metern Höhe ist im Frühjahr ein Blütenmeer. Touristen kommen auch, weil in der Diktäischen Grotte von Psychro kein Geringerer als Zeus geboren sein soll. Schon die Landschaft aber hat etwas wahrhaft Göttliches. Die Hänge sind abermals übersät mit Geröllbrocken. Es wachsen knochige Bäume, und man sieht noch Schnee an den Hängen der umliegenden Bergriesen. Ein paar Mountainbiker fahren des Weges, und für einen Moment erwägen wir, das Verkehrsmittel zu wechseln. Mit dem Cabrio über Kreta zu cruisen, hat manchmal etwa Hedonistisches: Wo Mountainbiker oder Wanderer sich Höhen und die immer wieder herrlichen Aussichten auf das Meer erarbeiten müssen, rollen wir im Frischluftauto spielend heran.
Die Tagesetappen liegen mal bei 80, mal bei 180 Kilometern, doch über die Dauer sagt das nichts aus. Mal geht es nur im Schneckentempo voran, mal zerzaust einem bei Tempo 120 der Wind die Haare, wenn auf einer Hauptstraße Kilometer geschrubbt werden, um den nächsten schönen Umweg durchs Unwirtliche zu nehmen – wie auch am letzten Tag, der noch einmal die volle Schönheit der Insel bringt.
»SCHON DIE LANDSCHAFT HAT ETWAS WAHRHAFT GÖTTLICHES.«
Am Fuß des 1.231 Meter hohen Berges Kofinas im Asterousia-gebirgszug machen wir unterhalb des letzten Felsmassivs Halt. Greifvögel segeln ihre Formationen, es ist mit 21 Grad knapp zehn Grad frischer als auf Meeresniveau. Auch im weiter unten gelegenen Bergdorf Kapetaniana, einer Ansammlung traditioneller Steinhäuser, wo heute noch 80 Menschen leben, ist die Aussicht aufs Meer noch brillant. Kapetaniana ist autofrei. Mit unseren skurrilen Cabrios haben wir hier keine Einfahrt, sie müssen auf einem Parkplatz am Ortsrand warten, als wir im Café einen Snack zu uns nehmen und auf das Meer da unten blicken.
Abends reihen sich die Evoques wieder in Reih und Glied vorm »Daios Cove« ein. Der Privatpool, wie er zu jeder der zweistöckigen Villas gehört, wartet. Endlich kommt der ganze Staub runter. Noch besser lassen sich die Autofahrer-schultern mit einer ausgiebigeren Schwimmeinheit in der Bucht lockern. Später taucht Marcus mit einem »Sorry« zu spät beim Dinner auf der Freiluftterrasse auf. Sein Arbeitstag war noch nicht zu Ende. Er musste die Experience-vehikel tanken und durch die Waschstraße fahren. Denn gleich morgen schon geht der Guide mit einer neuen Offroad-truppe auf Tour, während ich zum Faulenzerteil des Urlaubs übergehe und nun die Schönheit des Nichtstuns teste. Wo könnte das besser gehen als hier?
INFO
Daios Cove Luxury Resort & Villas. Vathi, Agios Nikolaos
721 00, Griechenland, www.daioscovecrete.com
Ein Deluxe-zimmer kostet für zwei Personen mit Frühbucherrabatt ab rund € 270, regulär ab € 360. Wer einen eigenen
Pool möchte, muss € 350 (€ 470) einplanen. Enthalten ist jeweils Halbpension, Kinder bis zwölf Jahre bekommen den Aufenthalt gratis. Ein geführter Tagestrip im Range Rover Evoque Cabrio kann für € 159 vor Ort spontan gebucht werden. Die Saison beginnt im April.
Den reisen EXCLUSIV-GUIDE finden
Sie unter www.reisenexclusiv.com/ guide-kreta