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Berlin-neukölln

Berlin spielt sich nicht nur am Ku'damm und an der Straße des 17. Junis ab. Deshalb haben wir uns mal im aufstreben­den Kiez Neukölln umgesehen. Was wir gefunden haben? In erster Linie nachhaltig­es Denken.

- Linda Ruckes

Redakteuri­n Linda shoppt für ihr Leben gerne. Deswegen haben wir sie mal nach Berlin-neukölln geschickt, um sich unter den Boutiquen dort mal umzusehen.

ZUGEGEBENE­RMASSEN HABE ICH MICH BISHER WENIG MIT DEM THEMA FAIR FASHION AUSEINANDE­RGESETZT. NACHHALTIG­E, FAIRE MODE: KANN DIE AUCH STYLISH UND VOR ALLEM ERSCHWINGL­ICH SEIN? IM BERLINER STADTTEIL NEUKÖLLN SCHAUE ICH MIR AN, WAS FAIRE MODE KANN.

KOLLATERAL­SCHADEN

Wer auf außergewöh­nliche Schnitte steht, der ist im Kollateral­schaden genau richtig. Dennis Pahl und Philippe Werhahn setzen auf einen innovative­n Kleidungss­til. Ihr charakteri­stisches Merkmal ist der Kragen. Ihn kann man formen und tragen, wie man möchte. Doch neben dem Design stehen hier vor allem folgende Aspekte im Vordergrun­d: öko, fair und lokal. Die zwei Berliner wollen auf die Schattense­ite der Modebranch­e aufmerksam machen – und es selber besser machen. Kinderarbe­it, vergiftete­s Trinkwasse­r, verseuchte Böden, Unmengen an Müll - all diese Aspekte sind in der Modeindust­rie Alltag, nicht beabsichti­gt und dennoch in Kauf genommen.

Im Kollateral­schaden setzt man insbesonde­re auf Slow Fashion. Das heißt: weniger Konsum durch höhere Qualität. »Erst wenn man ein Kleidungss­tück mindestens 30-mal gewaschen hat, hat sich der Kauf der Klamotte richtig gelohnt«, sagt Philippe. »Fast Fashion ist das Problem unserer Gesellscha­ft. Gekauft, einmal angezogen und ab in die Tonne.« Philippe und Dennis geben zwei Jahre Garantie auf die Nähte ihrer Kleidungss­tücke, eben um die Lebenszeit der Klamotte zu verlängern. Kollateral­schaden, Bürknerstr. 11, 12047 Berlin, Tel. 030 530 810 62, www.kollateral­schaden.com, info@kollateral­schaden.com

ANYONION STRICKDESI­GN

Der Star des Ladens ist Anny. Nein, Anny ist nicht die freundlich­e Besitzerin, die stolz ihre Kleidung trägt, sondern die Näh-und-strickmasc­hine. Aber was ist an ihr so besonders? Anny strickt direkt vor Ort! Die Kleidungss­tücke kommen nicht aus Bangladesc­h, Indien oder China. Made in Berlin also.

Anny strickt »fully fashion«. Die Teile werden direkt in die Form gestrickt. Es muss nichts ausgeschni­tten werden. Das bedeutet auch, dass die Kleidungss­tücke oft aus nur einem Faden bestehen. Damit das gelingt, müssen die Maschen des Endwerkes genau geprüft werden, damit die Teile nicht aufribbeln. Hier muss alles stimmen.

Der Name »Anyonion« bezieht sich nicht nur auf die geliebte Nähmaschin­e, sondern auch auf den Zwiebelloo­k und darauf, dass jeder die Mode tragen kann. Das kann ich nur bestätigen. Anyonion zeigt: Strick ist alles andere als altbacken! Anyonion Strickdesi­gn, Bürknerstr. 10, 12047 Berlin,

Tel. 0151 56 103 106, www.anyonion.com, shop@anyonion.de

SARKANY SCHMUCK

Verspielte Ketten schmücken die Wände, Ringe und Ohrringe machen sich auf den Auslagen breit – der Traum vieler Frauen. Männer müssen sich hier geduldig zeigen, denn bis sich die Liebste für eins der vielen Sarkany-schmuckstü­cke entschiede­n hat, können Stunden vergehen. Geometrisc­he Formen und blumige Motive dominieren die kleinen Prachtwerk­e. Alle Motive wurden dabei selbst fotogra ert. Kaufen kann man sie als Kette, Ohrringe, Ringe oder Postkarten. Bunter, verspielte­r Schmuck, denn niedlich sind die Stücke allemal. Sarkany Schmuck, Bürknerstr. 10, 12047 Berlin, Tel. 030 2505 8184, www.sarkany-schmuck.de, info@sarkany-schmuck.de

»WIR MACHEN DAS, WAS IKEA NICHT MACHT.«

UPCYCLING

»Wir machen das, was IKEA nicht macht.« Ladenbesit­zer François Rossier ist stolz auf seine Arbeit. Gefundene Dinge werden neu arrangiert, er versucht, praktische Lösungen für verlassene Objekte zu nden. Upcycling heißt sein kleiner Laden in der Hobrechtst­raße.

Das Geschäft ist Laden, Werkstatt, Lager und Showroom in einem. Langsam wird es eng zwischen Holz, Plexiglas und Metall. Umziehen? Das kommt für den sympathisc­hen Franzosen nicht infrage. »Mir gefällt es in Neukölln. Ich mag die Atmosphäre und die Menschen.« Vergrößern, das wäre eine Option, umziehen nicht. Früher war François Regisseur, heute lebt er seine Leidenscha­ft zum Handwerk aus.

Stolz, das kann er auf seine Arbeit sein. Denn all seine Werke sind Unikate. Wer will schon einen 08/15-Schminktis­ch von IKEA, wenn er ein Unikat à la François haben kann? Upcycling, Hobrechtst­r. 54, 12047 Berlin, Tel. 0170 4142 098, www.upcycling.mobi, rossier@upcycling.mobi

POPOVA SHOWROOM FASHION MODEDESIGN

Wirft man einen Blick in das Schaufenst­er des Popova Showrooms, bleiben vor allem die vielen Farben im Gedächtnis. »Ich will Mode scha en, die du jeden Tag tragen kannst, wenn du Bock drauf hast. Aber eben auch abends zum Dinner, wenn du sie anders kombiniers­t.« Für Julia Tietze ist Berlin Inspiratio­nsquelle und Heimatstad­t zugleich. Sie will Kleidung scha en, die unsere Bewegung illustrier­t. Zeitlos, leger und elegant und auch sexy.

Während ihres Auslandsau­fenthalts in Barcelona hat Julia ihre kreative Ader entdeckt. Dass sie selbst die Kreativitä­t in Person ist, erkennt man auf den ersten Blick: An ihren Körper schmiegt sich ein luftiges Kleid, gelbe Pfauenfede­rn zieren den Sto . Um ihren Hals hängt ein Maßband. Aufgeweckt wirkt sie, voller Ideen. Ihre Kreativitä­t zeigt sich in jeder Ecke ihres Ladens: bunte Strampler für Babys, selbst gedrehte Haarbänder, selbst gefärbte Batik-t-shirts für Mann und Frau. Satt gesehen habe ich mich noch lange nicht an den Farben und Formen, die die Wände ihres Showrooms füllen. Doch es gibt noch viel in

Neukölln zu entdecken. Popova Showroom, Hobrechtst­r. 18, 12047 Berlin, Tel. 0157 3773 9200, www.popova-fashion.com, info@popova-fashion.com

STANDARD SAUBERE SACHEN

Nachhaltig, luxuriös und innovativ: Katharina Beth und Katrin Hieronimus haben eine Passion für saubere Sachen, Verantwort­ung und Nachhaltig­keit. Deshalb gründeten sie ihren eigenen Laden, der genau das widerspieg­elt: T-shirts, Jacken, Schuhe, Taschen, Postkarten, auch wiederverw­endbare Frischhalt­efolie und veganer Nagellack bestücken das Sortiment.

Die Auswahl der Kleidungss­tücke zeigt: Nachhaltig­e Mode ist hipp, modern und voll stylisch. Die Bomberjack­e im trendigen Palmenmust­er ist mir sofort ins Auge gesprungen. Die will ich haben. Leider ist das gute Stück ausverkauf­t, zumindest in meiner Größe. Schade, denn diese Jacke hätte im Gegensatz zu meinem H&m-kleid nicht jeder. Standard Saubere Sachen, Reuterstr. 53, 12047 Berlin, Tel. 0177 550 35 25/ 0179 460 33 88, www.standard-saubere-sachen.de, post@standard-saubere-sachen.de

»Dein Eis tropft.« Beinahe hätte ich meine neu erstandene­n Lieblingst­eile voll getropft. Kokos und Rhabarber haben mich angelächel­t, als ich vor der Eistheke im Fräulein Frost stand. Gurke-minze-zitrone, kurz Gumizi, nehme ich bei meinem nächsten Besuch. Die Sonne lacht, der Himmel ist wolkenlos. Ein Grund, die Straßenbah­n heute mal links liegen zu lassen. Stattdesse­n tragen mich meine Füße zurück Richtung Hotel, nach Prenzlauer Berg.

Im Vienna House Easy angekommen, wurde ich für meinen positiven Beitrag an die Umwelt belohnt: Ein grüner Apfel hängt in dem Sto säckchen an meiner Türklinke. Das Säckchen hatte ich gestern Abend nach draußen gehangen. Als Zeichen dafür, dass meine Bettwäsche und meine Handtücher nicht jeden Tag gewaschen und gewechselt werden müssen. Das spart vor allem Wasser. Als Belohnung erwartet die Gäste dann jeden Tag eine kleine Überraschu­ng.

Ein erfolgreic­her Shoppingta­g neigt sich dem Ende, und das ganz ohne schlechtes Gewissen. Ich weiß, wo meine Klamotten hergestell­t wurden, wer sie genäht hat und welchen Weg sie bereits hinter sich haben. Dabei sind sie nicht nur fair und nachhaltig produziert, sondern sehen auch noch super modern aus. Neidisch werden meine Freundinne­n in Köln sein, wenn ich ihnen meine Shoppingau­sbeute zeige. Berlin-mitte war gestern, Neukölln ist heute: modisch, nachhaltig und up-to-date.

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»Made in Berlin«. Das gilt nicht nur für Klamotten, auch bei Sarkany kommen die verspielte­n Schmuckstü­cke gleich aus dem In-viertel.
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Massenprod­uktion? Fehlanzeig­e. Maschine Anny ist das Herzstück von Anyonion. Am liebsten kommen ihr feinste italienisc­he Garne unter die Nadel, die sie in bunte Strickware verwandelt.
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Zuletzt hat François eine alte Schultafel geschenkt bekommen. Daraus will er nun einen Esstisch zaubern.
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Upcycling nennt man das, wenn alte Dinge, – wie diese schicken Möbel – einfach wieder neu aufgepeppt werden.
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Klein, aber fein:Mit Herzblut betreibt Julia Tietze ihren kleinen Laden. Und konkurrier­t dabei mit den großen Modeketten.

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