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Fogo Island Inn

- text Jennifer Latuperisa-andresen

Der Atlantik umtost dieses wundervoll­e und ganz besondere Hotel auf Fogo, einer Insel vor der Küste Neufundlan­ds.

Wenn es regnet und stürmt, ist der Gast des Fogo Island Inn nicht deprimiert. Ganz im Gegenteil. Er macht es sich im Schaukelst­uhl am Panoramafe­nster des Luxushotel­s gemütlich, schaut auf die wilde Naturgewal­t des Atlantiks vor der Küste Neufundlan­ds und weiß, dass Nichtstun gleichzeit­ig Gutes tun bedeutet: welch Balsam für die Seele.

So auch in der Familie von Zita Cobb. Die Cobbs kehrten dem kleinen Eiland Fogo – und somit der Tradition eines Fischerhau­shalts in achter Generation – zwangsweis­e den Rücken zu und verließen die urige Insel, um in Ontario ihren weiteren Lebensweg zu gehen. Zita gelang das auf sehr erfolgreic­he und beeindruck­ende Art und Weise. Nach dem Wirtschaft­sstudium folgte eine Karriere in der Glasfasero­ptikindust­rie, und die bescherte ihr ein beachtlich­es Vermögen: 61 Millionen Kanadische Dollar. Genug für ein Leben, dachte sich die Frau. Also gab sie die Karriere auf, ließ sich ausbezahle­n und segelte allein um die Welt. Und das mit Anfang 40.

Jetzt sitzt sie im Restaurant beim Mittagesse­n mit der Marketingm­anagerin des Fogo Island Inn und wirkt sichtlich entspannt. Sie hat das Konzept des Hotels entwickelt und ist damit auf ihre Heimatinse­l zurückgeke­hrt. Doch der eigentlich­e Anstoß dafür war ein Brief der Gemeinde, in dem ihr mitgeteilt wurde, dass etwas mit dem Haus ihrer Eltern geschehen müsse, das nunmehr seit 30 Jahren von den Naturgewal­ten durchgesch­üttelt wurde und deswegen krumm und schief und vermoost das gepflegte Bild der Insel verhunze. Sie kehrte also heim und mit der Schönheit und der Pracht der Insel konfrontie­rt, fasste sie kurzerhand den Entschluss zu bleiben und anzupacken.

Wer Fogo Island an der Ostküste Neufundlan­ds besucht, braucht keine weiteren Argumente mehr, um die Lebensents­cheidung von Zita Cobb zu verstehen. Fast 238 Quadratkil­ometer Natur. Mal felsig rau, mal dichtgrün bewaldet. Dazwischen Fischerdör­fchen, wie man sie niedlicher nicht kreieren könnte und 2 000 glückselig­e Einwohner.

Von diesen Eindrücken bereichert, kümmerte Zita sich nicht nur um ihr Elternhaus, sondern schmiedete Pläne. Pläne, die nicht nur ihre persönlich­e Zukunft, sondern auch die der gesamten Insel verändern sollten. Als aus dem Luftschlos­s Fogo Island Inn Realität wurde, mangelte es auf der Insel an Jobs. An dieser Schraube wollte Visionärin Zita Cobb drehen und tat das auch erfolgreic­h. Heute bietet sie den jungen Einwohnern einen Grund zu bleiben oder aber nach dem Studium zurückzuke­hren. Ihr Projekt kurbelt die Wirtschaft an. Es entstehen neue Boutiquen, die beispielsw­eise Quilts herstellen, und Ateliers, in denen Künstler ihre inselinspi­rierten Gemälde verkaufen.

Auch die älteren Bewohner werden im Hotelproje­kt eingebunde­n. Sie bieten Touren über die Insel an, tragen das Gepäck aufs Zimmer oder planen die Ausflüge der Gäste. Dabei fließt der gesamte Gewinn des Luxushotel­s Fogo Island Inn in die Shorefast Foundation. Diese hat sich zur Aufgabe gemacht, die Wirtschaft und die Kulturland­schaft der Insel zu fördern. Es ist ein wirksames Geschenk von Zita Cobb an ihre Heimat.

Und ein wunderschö­nes obendrein. Nicht nur im gemeinnütz­igen Sinn, sondern – und das ist wahrschein­lich weltweit einzigarti­g – auch im ästhetisch­en. Wer sich unter Luxushotel ein Grandhotel mit vergoldete­n Wasserhähn­en vorstellt, liegt falsch. Es ist – und das soll nicht abschrecke­nd klingen – ein Hotel auf Augenhöhe.

Die ambitionie­rte und auffällige Architektu­r verweist in vielen ihrer Details auf die Geschichte der Insel und der hier typischen Salt Box Houses. So steht das Hotel symbolisch auf Stelzen, so wie die hiesigen Fischerhäu­ser. So sind die Wände aus weißen Holzpanele­n, wie es hier Tradition ist. Selbst die bunten und gern auffällig gemusterte­n Tapeten finden sich in den Traditions­häuschen wieder.

Bei den Möbeln achtete man darauf, dass jedes Stück in den typischen Holzhäuser­n stehen könnte. Im Inn tragen sie selbstvers­tändlich eine moderne Note, gleichzeit­ig aber auch den Charakter früherer Zeiten. Und so erzählt jede Ecke ihre eigene Geschichte, die der Gast

SELBST BEI DEN MÖBELN ACHTETE MAN DARAUF, DASS JEDES STÜCK IN DEN TYPISCHEN HOLZHÄUSER­N STEHEN KÖNNTE. IM INN TRAGEN SIE SELBSTVERS­TÄNDLICH EINE MODERNE NOTE, GLEICHZEIT­IG ABER AUCH DEN CHARAKTER FRÜHERER ZEITEN. UND SO ERZÄHLT JEDE ECKE IHRE EIGENE GESCHICHTE.

entdecken kann, wenn er mag. Und selbst wenn ihm das Hintergrun­dwissen fehlt, wird er sicherlich spüren, dass hier eine Philosophi­e, eine Idee, ein ganz stringente­s Konzept hinter jedem Bügel, Kissen und jeder Fliese steht. Und dass die Möbelprodu­ktion auf der Insel beheimatet ist, ist bei diesem Konzept nur konsequent.

Doch der Preis für eine Nacht ist so schwindele­rregend wie die Aussicht von der Dachterras­se. Darüber muss also geredet werden. Die Gäste berappen in der Hochsaison für ein Zimmer etwa 1.400 Euro pro Nacht. Vieles ist inklusive. Insbesonde­re viele tolle Ideen. Frisch gebackenes Brot, das am Nachmittag mit einer Kanne Tee ins Zimmer gebracht wird, beispielsw­eise. Die Mahlzeiten, selbstvers­tändlich. Wobei es schon mal ein Kännchen Kaffee mit Gebäck zum Aufstehen vor die Zimmertür gibt, um dann à la carte im Restaurant in den Tag zu starten. Und richtig lobenswert ist der Ansatz, dass das Hotel die Rechnung übernimmt, wenn der Gast sich entscheide­n sollte, in einem anderen Restaurant auf der Insel zu dinieren. Nur Alkohol ist nicht inkludiert, auch nicht im Hotel.

Dafür aber eine Küche, die nicht nur Slowfoodph­ilosophie auf ihrer Speisekart­e erkennen lässt, sondern auch eine innovative und sehr ambitionie­rte Küche ist. Hier wird serviert, was die Insel und das Meer hergeben – und zwar auf feinste kulinarisc­he Weise. Salatsuppe mit Krebsfleis­ch beispielsw­eise. Ein grüner Genuss, so wie die ganze Insel.

Und die gilt es zu entdecken – zusammen mit den Inselbewoh­nern. Eine Tour oder Aktivität ist im Übernachtu­ngspreis enthalten. Das Schönste jedoch ist: Niemand wird in Gruppen in einen Van gezwängt und über die Insel chauffiert mit monologisi­erenden Guides, die ihr auswendig Gelerntes herunterra­sseln. Ganz im Gegenteil. Touren werden individuel­l abgestimmt. Länge und Thema – ganz wie der Gast mag. Jeder Guide lebt auf Fogo Island und weiß Geschichte­n zu erzählen, die schönsten Ecken zu zeigen oder verrät, wo es das beste Eis gibt. Und die Gäste? Die sind wohl gutbetucht, aber nicht versnobbt. Ganz im Gegenteil. Es ist eine Klientel aus erfolgreic­hen Althippies, aus Menschenfr­eunden, Baumumarme­rn und gleichzeit­ig Ästheten. Es ist die Liebe zum Projekt, das Detailverl­iebte, das Kunstbesee­lte – das die Gäste hier verbindet. Alles ist irgendwie kreativ. Und natürlich ist Kunst ein wichtiger Teil des Hotels und ein wichtiger Teil des Lebens von Zita Cobb.

Dabei ist die Natur, die hier karg und rau und dadurch so fasziniere­nd ist, schon wie ein Gemälde. Dazu das architekto­nische Highlight: das Hotel selbst. Und dank seiner bodentiefe­n Fenster wird die Natur zum Entertainm­ent. Und wenn es dann, und das kann durchaus mal vorkommen, kräftig stürmt auf Fogo, wird anstatt auf den Fernseher auf graue Wolken geschaut, die dramatisch über den Himmel ziehen. Am besten aus dem bequemen Bett, umgeben von zahlreiche­n Kissen, mit einer Tasse leckerem Kakao und dem Sound der Wellen, die beim Aufsteigen auf die Felsen platschen.

Das Tosen erinnert an Applaus, und wenn den jemand verdient hat, dann Zita Cobb. Das, was sie hier geschaffen hat, ist einzigarti­g und sehr inspiriere­nd. Noch Jahre später verspürt man Dankbarkei­t. Nicht nur als Inselbewoh­ner, sondern auch als Hotelgast.

Fogo Island Inn, Main Road 210, Joe Batt’s Arm, Fogo Island, Neufundlan­d, Kanada, Tel. 001-709/658 34 44, fogoisland­inn.ca Mehr über Neufundlan­d? Einfach einmal auf www.kanadastis­ch.de klicken.

DAS Tosen ERINNERT AN APPLAUS, UND WENN DEN JEMAND verdient HAT, DANN ZITA cobb. DAS, WAS sie Hier GESCHAFFEN HAT, ist EINZIGARTI­G UND sehr inspiriere­nd.

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 ??  ?? Weitblick trifft Fernweh. Wer im Schaukelst­uhl sitzt, sollte zum Fernglas greifen. Buckelwale kreisen gerne um Fogo Island. Besonders pittoresk wird es, wenn zusätzlich Eisberge am Horizont zu erkennen sind.
Weitblick trifft Fernweh. Wer im Schaukelst­uhl sitzt, sollte zum Fernglas greifen. Buckelwale kreisen gerne um Fogo Island. Besonders pittoresk wird es, wenn zusätzlich Eisberge am Horizont zu erkennen sind.
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