Fogo Island Inn
Der Atlantik umtost dieses wundervolle und ganz besondere Hotel auf Fogo, einer Insel vor der Küste Neufundlands.
Wenn es regnet und stürmt, ist der Gast des Fogo Island Inn nicht deprimiert. Ganz im Gegenteil. Er macht es sich im Schaukelstuhl am Panoramafenster des Luxushotels gemütlich, schaut auf die wilde Naturgewalt des Atlantiks vor der Küste Neufundlands und weiß, dass Nichtstun gleichzeitig Gutes tun bedeutet: welch Balsam für die Seele.
So auch in der Familie von Zita Cobb. Die Cobbs kehrten dem kleinen Eiland Fogo – und somit der Tradition eines Fischerhaushalts in achter Generation – zwangsweise den Rücken zu und verließen die urige Insel, um in Ontario ihren weiteren Lebensweg zu gehen. Zita gelang das auf sehr erfolgreiche und beeindruckende Art und Weise. Nach dem Wirtschaftsstudium folgte eine Karriere in der Glasfaseroptikindustrie, und die bescherte ihr ein beachtliches Vermögen: 61 Millionen Kanadische Dollar. Genug für ein Leben, dachte sich die Frau. Also gab sie die Karriere auf, ließ sich ausbezahlen und segelte allein um die Welt. Und das mit Anfang 40.
Jetzt sitzt sie im Restaurant beim Mittagessen mit der Marketingmanagerin des Fogo Island Inn und wirkt sichtlich entspannt. Sie hat das Konzept des Hotels entwickelt und ist damit auf ihre Heimatinsel zurückgekehrt. Doch der eigentliche Anstoß dafür war ein Brief der Gemeinde, in dem ihr mitgeteilt wurde, dass etwas mit dem Haus ihrer Eltern geschehen müsse, das nunmehr seit 30 Jahren von den Naturgewalten durchgeschüttelt wurde und deswegen krumm und schief und vermoost das gepflegte Bild der Insel verhunze. Sie kehrte also heim und mit der Schönheit und der Pracht der Insel konfrontiert, fasste sie kurzerhand den Entschluss zu bleiben und anzupacken.
Wer Fogo Island an der Ostküste Neufundlands besucht, braucht keine weiteren Argumente mehr, um die Lebensentscheidung von Zita Cobb zu verstehen. Fast 238 Quadratkilometer Natur. Mal felsig rau, mal dichtgrün bewaldet. Dazwischen Fischerdörfchen, wie man sie niedlicher nicht kreieren könnte und 2 000 glückselige Einwohner.
Von diesen Eindrücken bereichert, kümmerte Zita sich nicht nur um ihr Elternhaus, sondern schmiedete Pläne. Pläne, die nicht nur ihre persönliche Zukunft, sondern auch die der gesamten Insel verändern sollten. Als aus dem Luftschloss Fogo Island Inn Realität wurde, mangelte es auf der Insel an Jobs. An dieser Schraube wollte Visionärin Zita Cobb drehen und tat das auch erfolgreich. Heute bietet sie den jungen Einwohnern einen Grund zu bleiben oder aber nach dem Studium zurückzukehren. Ihr Projekt kurbelt die Wirtschaft an. Es entstehen neue Boutiquen, die beispielsweise Quilts herstellen, und Ateliers, in denen Künstler ihre inselinspirierten Gemälde verkaufen.
Auch die älteren Bewohner werden im Hotelprojekt eingebunden. Sie bieten Touren über die Insel an, tragen das Gepäck aufs Zimmer oder planen die Ausflüge der Gäste. Dabei fließt der gesamte Gewinn des Luxushotels Fogo Island Inn in die Shorefast Foundation. Diese hat sich zur Aufgabe gemacht, die Wirtschaft und die Kulturlandschaft der Insel zu fördern. Es ist ein wirksames Geschenk von Zita Cobb an ihre Heimat.
Und ein wunderschönes obendrein. Nicht nur im gemeinnützigen Sinn, sondern – und das ist wahrscheinlich weltweit einzigartig – auch im ästhetischen. Wer sich unter Luxushotel ein Grandhotel mit vergoldeten Wasserhähnen vorstellt, liegt falsch. Es ist – und das soll nicht abschreckend klingen – ein Hotel auf Augenhöhe.
Die ambitionierte und auffällige Architektur verweist in vielen ihrer Details auf die Geschichte der Insel und der hier typischen Salt Box Houses. So steht das Hotel symbolisch auf Stelzen, so wie die hiesigen Fischerhäuser. So sind die Wände aus weißen Holzpanelen, wie es hier Tradition ist. Selbst die bunten und gern auffällig gemusterten Tapeten finden sich in den Traditionshäuschen wieder.
Bei den Möbeln achtete man darauf, dass jedes Stück in den typischen Holzhäusern stehen könnte. Im Inn tragen sie selbstverständlich eine moderne Note, gleichzeitig aber auch den Charakter früherer Zeiten. Und so erzählt jede Ecke ihre eigene Geschichte, die der Gast
SELBST BEI DEN MÖBELN ACHTETE MAN DARAUF, DASS JEDES STÜCK IN DEN TYPISCHEN HOLZHÄUSERN STEHEN KÖNNTE. IM INN TRAGEN SIE SELBSTVERSTÄNDLICH EINE MODERNE NOTE, GLEICHZEITIG ABER AUCH DEN CHARAKTER FRÜHERER ZEITEN. UND SO ERZÄHLT JEDE ECKE IHRE EIGENE GESCHICHTE.
entdecken kann, wenn er mag. Und selbst wenn ihm das Hintergrundwissen fehlt, wird er sicherlich spüren, dass hier eine Philosophie, eine Idee, ein ganz stringentes Konzept hinter jedem Bügel, Kissen und jeder Fliese steht. Und dass die Möbelproduktion auf der Insel beheimatet ist, ist bei diesem Konzept nur konsequent.
Doch der Preis für eine Nacht ist so schwindelerregend wie die Aussicht von der Dachterrasse. Darüber muss also geredet werden. Die Gäste berappen in der Hochsaison für ein Zimmer etwa 1.400 Euro pro Nacht. Vieles ist inklusive. Insbesondere viele tolle Ideen. Frisch gebackenes Brot, das am Nachmittag mit einer Kanne Tee ins Zimmer gebracht wird, beispielsweise. Die Mahlzeiten, selbstverständlich. Wobei es schon mal ein Kännchen Kaffee mit Gebäck zum Aufstehen vor die Zimmertür gibt, um dann à la carte im Restaurant in den Tag zu starten. Und richtig lobenswert ist der Ansatz, dass das Hotel die Rechnung übernimmt, wenn der Gast sich entscheiden sollte, in einem anderen Restaurant auf der Insel zu dinieren. Nur Alkohol ist nicht inkludiert, auch nicht im Hotel.
Dafür aber eine Küche, die nicht nur Slowfoodphilosophie auf ihrer Speisekarte erkennen lässt, sondern auch eine innovative und sehr ambitionierte Küche ist. Hier wird serviert, was die Insel und das Meer hergeben – und zwar auf feinste kulinarische Weise. Salatsuppe mit Krebsfleisch beispielsweise. Ein grüner Genuss, so wie die ganze Insel.
Und die gilt es zu entdecken – zusammen mit den Inselbewohnern. Eine Tour oder Aktivität ist im Übernachtungspreis enthalten. Das Schönste jedoch ist: Niemand wird in Gruppen in einen Van gezwängt und über die Insel chauffiert mit monologisierenden Guides, die ihr auswendig Gelerntes herunterrasseln. Ganz im Gegenteil. Touren werden individuell abgestimmt. Länge und Thema – ganz wie der Gast mag. Jeder Guide lebt auf Fogo Island und weiß Geschichten zu erzählen, die schönsten Ecken zu zeigen oder verrät, wo es das beste Eis gibt. Und die Gäste? Die sind wohl gutbetucht, aber nicht versnobbt. Ganz im Gegenteil. Es ist eine Klientel aus erfolgreichen Althippies, aus Menschenfreunden, Baumumarmern und gleichzeitig Ästheten. Es ist die Liebe zum Projekt, das Detailverliebte, das Kunstbeseelte – das die Gäste hier verbindet. Alles ist irgendwie kreativ. Und natürlich ist Kunst ein wichtiger Teil des Hotels und ein wichtiger Teil des Lebens von Zita Cobb.
Dabei ist die Natur, die hier karg und rau und dadurch so faszinierend ist, schon wie ein Gemälde. Dazu das architektonische Highlight: das Hotel selbst. Und dank seiner bodentiefen Fenster wird die Natur zum Entertainment. Und wenn es dann, und das kann durchaus mal vorkommen, kräftig stürmt auf Fogo, wird anstatt auf den Fernseher auf graue Wolken geschaut, die dramatisch über den Himmel ziehen. Am besten aus dem bequemen Bett, umgeben von zahlreichen Kissen, mit einer Tasse leckerem Kakao und dem Sound der Wellen, die beim Aufsteigen auf die Felsen platschen.
Das Tosen erinnert an Applaus, und wenn den jemand verdient hat, dann Zita Cobb. Das, was sie hier geschaffen hat, ist einzigartig und sehr inspirierend. Noch Jahre später verspürt man Dankbarkeit. Nicht nur als Inselbewohner, sondern auch als Hotelgast.
Fogo Island Inn, Main Road 210, Joe Batt’s Arm, Fogo Island, Neufundland, Kanada, Tel. 001-709/658 34 44, fogoislandinn.ca Mehr über Neufundland? Einfach einmal auf www.kanadastisch.de klicken.
DAS Tosen ERINNERT AN APPLAUS, UND WENN DEN JEMAND verdient HAT, DANN ZITA cobb. DAS, WAS sie Hier GESCHAFFEN HAT, ist EINZIGARTIG UND sehr inspirierend.