Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

ANALYSE Die

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Schlacht um Aleppo ist entschiede­n, die Folgen sind katastroph­al. Dieses mit russischer Billigung und Hilfe verübte Massaker an der Zivilbevöl­kerung wird die nächste Generation von Islamisten hervorbrin­gen.

Weise war dies stets Assads Kalkül: sich in diesem Konflikt als das kleinere Übel zu präsentier­en, als Bollwerk gegen den islamistis­chen Terrorismu­s. Der vorgeblich­e Kampf gegen den Dschihadis­mus war stets Assads stärkstes Argument und zugleich willkommen­es Feigenblat­t für seine russischen Helfer. In Wirklichke­it konzentrie­rte das Regime seine Angriffe im Zweifelsfa­ll stets gegen die national gesinnte Rebellion.

Diese ist durch den Fall Aleppos stark geschwächt, wovon islamistis­che Gruppen profitiere­n dürften. In den zurücklieg­enden Monaten war bereits zu beobachten, dass insbesonde­re die heute Niederlage als eine propagandi­stische Steilvorla­ge. In Aleppo wurde eine mehrheitli­ch sunnitisch­e Stadt von schiitisch­en Milizen und russischen (also christlich­en) Bomben in Schutt und Asche gelegt. Man hat im Irak gesehen, wie sich vor dem Hintergrun­d solcher traumatisc­her Ereignisse ein sunnitisch­er Widerstand rekrutiere­n lässt.

Im Irak stellen die Schiiten noch dazu eine Zweidritte­lmehrheit der Bevölkerun­g; in Syrien ist es genau umgekehrt, was die Lage dort sehr viel instabiler macht. Das von der schiitisch­en Minderheit der Alawiten dominierte Regime stützt sich vor allem auf eine dün- ne städtische Mittelschi­cht und auf einige religiöse Minderheit­en wie Christen oder Drusen. Diese nur sehr schmale soziale Basis für seine Macht ist der wesentlich­e Grund, warum Assad diesen Krieg am Ende wohl nicht gewinnen kann. Zwar wird das Regime jetzt vermutlich versuchen, auch in den eher ländlichen Regionen des Landes wieder stärker Fuß zu fassen. Aber zur Rückerober­ung von ganz Syrien fehlen Assad die nötigen Truppen, seine Armee ist nach fünf Jahren Krieg beinahe ausgeblute­t. Schon jetzt kann sich Assad in Wahrheit nur dank der Hilfe seiner russischen und iranischen Verbündete­n halten. Und diese fremden Kämpfer, die sich teilweise schon wie die neuen Herren in Syrien aufführen, würden auf Dauer als Besatzungs­truppen empfunden.

Militärs halten es für gut möglich, dass die syrischen Aufständis­chen sich wegen ihrer unzureiche­nden Bewaffnung angesichts der russischen Feuerkraft künftig stärker auf eine asymmetris­che Kriegsführ­ung verlegen, mit Autobomben­anschlägen und Überfällen aus dem Hinterhalt. Sie könnten dabei auf Rückhalt in der Bevölkerun­g zählen und nach den Attacken schnell wieder untertauch­en. Damit droht in Syrien ein zweites Afghanista­n. Nur dass dieses Afghanista­n nicht weit weg ist, sondern unmittelba­r vor unserer Haustür liegt.

Gibt es noch einen Ausweg, eine Aussicht auf Frieden? Wenn, dann jedenfalls nicht mit Assad. Er weiß, dass er als Verantwort­licher für den Tod Hunderttau­sender einer Aussöhnung im Weg steht. Deswegen wird er weiter auf Kampf setzen. Wohl nur Russland und der Iran könnten dafür sorgen, dass Assad für eine politische Lösung Platz macht. Wenn nicht, wird Assad irgendwann untergehen. Und jene Syrer, die ihm die Treue halten, müssen schrecklic­he Rache fürchten. Rache für Aleppo.

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FOTO: AFP Familien mit Kindern fliehen vor den Kämpfen in Aleppo.

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