Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Bundespräsidentenwahl lässt Grüne verzweifeln
Koalitionskandidat Steinmeier und Linken-Mann Butterwegge stellten sich in der Grünen-Fraktion vor. Begeisterung löste keiner aus.
BERLIN Die 63 Abgeordneten der Grünen-Fraktion mussten sich gestern Morgen nach dem Terminkalender eines Einzelnen richten. Christoph Butterwegge konnte seinen Besuch partout zu keinem anderen Zeitpunkt einrichten als um 8.30 Uhr in der Früh. Der Kölner Politikwissenschaftler will im Februar als Kandidat der Linkspartei Bundespräsident werden. Und da ist es demokratischer Brauch, sich den anderen Fraktionen vorzustellen.
Doch für den Armutsforscher war das alles andere als ein Heimspiel. Wie schon in der Vergangenheit prangerte er in seinem Vortrag vor allem die Agenda-Politik der rotgrünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) an. Diese Koalition habe damals den Sozialstaat demontiert, sagte Butterwegge und blieb auch auf Nachfrage bei dieser Position. Da half es kaum, dass er sich dem Vernehmen nach in der Außenpolitik gemäßigter gab: Israels Existenzrecht erkannte er an, fand entgegen manch linker Position kritische Töne zu Russlands Präsident Wladimir Putin.
Viele Grünen-Abgeordnete ließ er aber verzweifelt zurück. Sie hatten gehofft, mit Butterwegge eine wählbare Alternative zum Kandidaten der großen Koalition, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), zu bekommen. Jetzt spielen einige mit dem Gedanken, sich zu enthalten. Doch Enthaltungen in der Bundesversammlung sind in Zeiten aufstrebender Rechtspopulisten kein gutes Signal, ist man bei den Grünen überzeugt. Und so darf Steinmeier bei der Präsidentenwahl im Februar auf viele grüne Stimmen hoffen.
Und Steinmeier trug gestern mit seinem knapp eineinhalbstündigen Besuch am frühen Abend dann auch dazu bei, mehr Grüne hinter sich zu versammeln. Er berichtete vor allem über außenpolitische Themen, erntete für seine Arbeit Lob. Manchem Abgeordneten war das etwas zu freundlich. Nur zu einem Drittel ging es dem Vernehmen nach um seine innenpolitischen Schwerpunkte. So versicherte Steinmeier den Abgeordneten der Öko-Partei, auch für ökologische Modernisierung einzustehen. „Nach einem Meinungsbild kann ich sagen, dass sich viele Mitglieder der Bundestagsfraktion in der Entscheidung zwischen Herrn Butterwegge und Herrn Steinmeier sehr eindeutig für Steinmeier ausgesprochen haben und auch in der Bundesversammlung aussprechen werden“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt nach der abendlichen Sitzung.
Dabei ist Steinmeier auf die Stimmen der Grünen gar nicht angewiesen. Die große Koalition, die sich für ihn aussprach, hat in der Bundesversammlung eine Mehrheit.
Als einer der Architekten der Agenda-Politik ist Steinmeier so etwas wie ein Gegenentwurf zu Butterwegge – und genau deshalb wollten die Linken den Wissenschaftler als Kandidaten gewinnen. Ob sie Butterwegge aber auch für das Präsidialamt nominiert hätten, wenn sie eine reelle Chance sähen, die Wahl mit ihrem Kandidaten zu gewinnen, ist indes fraglich. Mitglied der Linken ist Butterwegge nicht. Bis 2005 war er SPD-Mitglied.