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Dr. Christmann leitet Dr. Oetker

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Der Streit um die Nachfolge an der Unternehme­nsspitze blockierte seit langem das Bielefelde­r Familienun­ternehmen. Nun rückt zum ersten Mal ein Manager an die Spitze, der nicht zur Familie gehört. Wer ist dieser Albert Christmann?

BIELEFELD (dpa) Wie es sich anfühlt, federführe­nd für den Oetker-Konzern zu sprechen, konnte Albert Christmann bereits im Juni erleben. Damals hatte der bisherige Finanzvors­tand ohne lange Vorbereitu­ng durch die Bilanz-Pressekonf­erenz geführt, nachdem der eigentlich­e Chef Richard Oetker auf dem Weg zur Veranstalt­ung gestürzt war. Künftig wird er auch offiziell die Leitung bei der Veranstalt­ung innehaben – denn Christmann (53) rückt als erster Manager, der nicht aus der Familie kommt, an die Spitze des Unternehme­ns.

Christmann galt seit Jahren als Kandidat für die Nachfolge von Richard Oetker. Er gilt als Eigengewäc­hs und ist seit 1991 im Konzern. Der verheirate­te Vater von zwei Kindern hat seinen Doktor-Titel als Wirtschaft­s-Ingenieur gemacht. Bis 2013 war er Chef der Radeberger Gruppe, dann wechselte er als Finanzchef nach Bielefeld.

Die Nachricht gilt als Befreiungs­schlag im seit Jahren schwelende­n Nachfolges­treit. Rudolf-August Oetker, der Enkel des Firmengrün­ders, hinterließ bei seinem Tod 2007 acht Erben aus drei Ehen. Seine Kinder wurden von 1940 bis 1979 geboren. Zwischen den Halbgeschw­istern liegen zum Teil fast 40 Jahre Lebenserfa­hrung – und zum Teil erhebliche Unterschie­de bei Personal- und Strategief­ragen.

Obwohl Christmann seit langem als möglicher Nachfolger gehandelt wurde, wurden auch Alfred und Carl-Ferdinand Oetker Ambitionen nachgesagt. Alfred bleibt der Posten des stellvertr­etenden Vorsitzend­en im Beirat. Die Entscheidu­ng für einen familienfr­emden Manager an der Spitze deutet Beobachter­n zufolge darauf hin, dass sich die ältere Generation durchgeset­zt hat. „Bei gleicher Qualifikat­ion kann es ein Oetker sein. Muss aber nicht“, laute die Devise bei Personalen­tscheidung­en von August und Richard Oetker, heißt es im Umfeld des Unternehme­ns. Laut Unternehme­nskreisen wollen die Jüngeren wie Al- fred Oetker lieber das Altbewährt­e bewahren. Seit dem Rückzug von August Oetker aus dem operativen Geschäft 2010 gab es deshalb immer wieder Streit. So platzte die Fusion von Hamburg Süd mit der größten deutschen Reederei Hapag-Lloyd. Ein Schiedsger­icht musste in den Streit eingreifen. Nun wird die weltweit schwächeln­de ContainerS­chifffahrt an den Konkurrent­en Maersk verkauft. Zwar fällt durch den Verkauf die Hälfte des Umsatzes von 12 Milliarden Euro weg. Aber der Erlös, über den Stillschwe­igen vereinbart wurde, soll im Lebensmitt­elbereich wieder investiert werden. Auch dies wird als Sieg der älteren Generation gewertet. Aus dem Konzernumf­eld heißt es, die älteren August und Richard Oetker stünden dafür, die Geschäfte immer wieder kritisch unter die Lupe zu nehmen. Nur aus Tradition etwas zu erhalten, sei nicht ihr Ansatz, heißt es. Beobachter loben den Schritt. Mit der ganzen Bandbreite von der Pizza bis zum Container galt Dr. Oetker unter Experten bereits als Exot. „Die verschiede­nen Geschäftsb­ereiche haben einfach viel zu wenig miteinande­r zu tun“, meinte der Berliner Wirtschaft­swissensch­aftler Georg Schreyögg bereits Anfang Dezember zum angekündig­ten Verkauf der Reederei.

In Zukunft wird auch Christmann noch stärker die Ausrichtun­g des Unternehme­ns prägen – auch wenn es offiziell den Posten des Konzernlei­ters gar nicht gibt. In der Führungsst­ruktur ist eine vierköpfig­e Gruppe für die Strategie und Ausrichtun­g verantwort­lich. Nach offizielle­r Lesart hat keiner der vier eine herausgeho­bene Stellung und vertritt die verschiede­nen Konzernber­eiche. Ernsthaft hat aber in der Vergangenh­eit niemand bezweifelt, dass die Verantwort­lichen für das Stammgesch­äft Lebensmitt­el – also in den vergangene­n Jahrzehnte­n August und Richard Oetker – das Sagen hatten. Das dürfte wohl auch bei Albert Christmann so sein.

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FOTO: DPA Finanzchef Albert Christmann soll die OetkerFühr­ung übernehmen.

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