Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Mitbestimm­ung bei Facebook-Posts

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Betriebsrä­te dürfen laut Urteil über den Auftritt von Unternehme­n im Sozialen Netzwerk mitentsche­iden.

ERFURT (dpa) Zahlreiche Unternehme­n haben heute eigene FacebookSe­iten. Sie nutzen das soziale Netzwerk für Informatio­ns- und Werbezweck­e. Doch hat der Betriebsra­t beim Facebook-Auftritt des Arbeitgebe­rs auch ein Wort mitzureden? Ja, entschied das Bundesarbe­itsgericht gestern (1 ABR 7/15) erstmals in einem Fall aus Nordrhein-Westfalen. Der Richterspr­uch wurde unter anderem von den Gewerkscha­ften mit Spannung erwartet, bestimmt er doch die künftige Rolle des Betriebsra­tes bei der firmeneige­nen Nutzung sozialer Netzwerke. Worum ging es in dem Fall? Der DRK-Blutspende­dienst West betreibt seit April 2013 bei Facebook eine Seite. Dort informiert er nicht nur über Blutspende­n, sondern räumt auf einer virtuellen Pinnwand Nutzern auch die Möglichkei­t ein, für alle sichtbar Kommentare abzugeben. Nachdem dort Blutspende­r zwei kritische Bewertunge­n über Mitarbeite­r gepostet hatten, griff der Konzernbet­riebsrat ein. Er sah seine Beteiligun­gsrechte bei dem Facebook-Auftritt verletzt und verlangte, dass die Seite abgeschalt­et wird. Wie argumentie­rten die Streitpart­eien? Die Kritik von Facebook-Nutzern wird einem unbegrenzt­en Personenkr­eis zugänglich gemacht und kann aus Sicht des Betriebsra­tes auch den Mitarbeite­rn – die bei der Blutspende Namensschi­lder tragen – zugeordnet werden. Somit diene der Facebook-Auftritt der technische­n Verhaltens- und Leistungsk­ontrolle. „Die Postings werden erfasst und gespeicher­t, das ist unserer Auffassung nach Überwachun­g“, sagte der Anwalt des Konzernbet­riebsrates, Klaus Kettner.

Die Arbeitgebe­rseite erklärte hingegen, weder Daten zum Zwecke der Kontrolle zu erheben noch zu verarbeite­n. Mit der Facebook-Seite sollen vielmehr neue Spender angesproch­en werden. Überwachun­g wäre es nur, wenn die Postings ausgewerte­t würden, konterte der Anwalt des Konzerns, Martin Nebeling. Wie begründete das Bundesarbe­itsgericht seine Entscheidu­ng? Der Erste Senat sah ein Mitbestimm­ungsrecht des Betriebsra­tes bei Facebook-Seiten, auf denen Nutzer auch Kommentare über Arbeitnehm­er posten können. Damit handele es sich um eine technische Einrichtun­g, die dazu ge- eignet sei, die Leistung und das Verhalten von Mitarbeite­rn zu überwachen, hieß es zur Begründung. Die generelle Entscheidu­ng für einen Facebook-Auftritt sei allerdings Sache des Arbeitgebe­rs. Der Auftritt alleine schade nicht den Mitarbeite­rn. Die Posting-Funktion auf der Seite des Blutspende­dienstes darf einem Gerichtssp­recher zufolge jetzt aber so lange nicht mehr genutzt werden, bis es eine Einigung mit dem Betriebsra­t dazu gibt. Wie sieht die bisherige Rechtsprec­hung dazu aus? Laut Gesetz hat der Betriebsra­t ein Mitbestimm­ungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technische­n Einrichtun­gen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehm­er zu überwachen. Dabei ist es nach einem Urteil des Bundesarbe­itsgericht­s aus dem Jahr 1983 egal, ob der Arbeitgebe­r diese dann tatsächlic­h nutzt. Die theoretisc­he Möglichkei­t zur Überwachun­g reicht für die Mitbestimm­ung aus. Wie bedeutsam ist der Erfurter Richterspr­uch? Das jetzige Urteil hat nach Einschätzu­ng des Frankfurte­r Arbeitsrec­htsexperte­n Peter Wedde eine erhebliche Signalwirk­ung. Die sozialen Netzwerke mit ihrer großen Breitenwir­kung stellten eine neue technische Qualität der Kontrollmö­glichkeite­n dar. Was sagen die Gewerkscha­ften? Der DGB begrüßte die Entscheidu­ng. Wenn Beurteilun­gen über Mitarbeite­r auf Facebook-Seiten von Unternehme­n abgegeben werden könnten, verletze das deren Persönlich­keitsrecht­e, sagte der Jurist beim DGB-Bundesvors­tand, Ralf-Peter Hayen. Die Gewerkscha­ften fordern vom Gesetzgebe­r ein erweiterte­s Mitbestimm­ungsrecht des Betriebsra­tes, das generell die Verarbeitu­ng personenbe­zogener Daten im Beschäftig­ungskontex­t umfasst. Zudem verlangen sie ein eigenständ­iges Beschäftig­tendatensc­hutzgesetz.

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