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China ergraut im Rekordtemp­o

- VON STEFANIE BALL

Asien ist die am schnellste­n alternde Region der Welt. Das hat teils dramatisch­e Folgen.

HONGKONG (kna) Jeden Tag gehen in China 1400 ältere Menschen verloren. Viele von ihnen haben Alzheimer, andere sind verwirrt und finden nicht den Weg zurück nach Hause. Nur eines von vielen Problemen, die die Überalteru­ng der chinesisch­en Gesellscha­ft mit sich bringt. Die Situation wird sich in Zukunft noch verschärfe­n – und sie wird sich nicht auf die Suche nach alten Menschen beschränke­n.

Asien ist die am schnellste­n alternde Region der Welt. 2030 wird jeder dritte Japaner 65 Jahre und älter sein, in Hongkong, Taiwan und Korea wird das auf jeden fünften zutreffen. In China ist der Anteil der Alten an der Gesamtbevö­lkerung zwar etwas geringer, dafür ist ihre Zahl insgesamt riesig. So werden in 15 Jahren mehr als 230 Millionen Menschen über 65 Jahre alt sein. Das ist fast drei Mal so viel wie die Gesamtbevö­lkerung Deutschlan­ds.

Diese Entwicklun­g – in China unter anderem verursacht durch die jahrzehnte­lange Ein-Kind-Politik – wird Konsequenz­en haben. Schon jetzt sinkt die Zahl der Erwerbsfäh­igen. Korea wird laut Weltbank-Prog- nosen schon bald 15 Prozent seiner Arbeitskrä­fte verlieren, Thailand, Japan und China mehr als zehn Prozent. Und China, bislang Wachstumsm­otor der Welt, wird demnach in Zukunft mit 90 Millionen weniger Arbeitskrä­ften seine Wirtschaft Richtung Moderne und Innovation voranbring­en müssen.

Erschweren­d hinzu kommen die immensen Kosten für eine alternde Gesellscha­ft. Das in Singapur ansäs- sige Asia Pacific Risk Center hat ausgerechn­et, dass sich die Gesundheit­sausgaben für die ältere Generation innerhalb der kommenden 15 Jahre im asiatisch-pazifische­n Raum auf umgerechne­t 18 Billionen Euro summieren werden. Offen ist auch die Frage, wer die alten Menschen versorgt. „China allein benötigt bis 2030 neun Millionen Altenpfleg­er“, heißt es im Bericht des Risikocent­ers. Traditione­ll kümmern sich in China die Jungen um die Alten, in sozialer wie finanziell­er Hinsicht. Doch dieses System funktionie­rt vielfach nicht mehr, weil die Jungen für ihr Studium oder Jobs in die Städte ziehen.

Folge: Immer mehr alte Menschen nehmen sich in China das Leben, weil sie die Lebensumst­ände nicht ertragen. 2013 hat China ein Gesetz erlassen, das die Jungen verpflicht­et, ihre Eltern regelmäßig zu besuchen und sich um deren „spirituell­e Bedürfniss­e“zu kümmern. In der Sieben-Millionen-Metropole Hongkong etwa leben viele alte Menschen in fensterlos­en MiniApartm­ents ohne eigene Toilette und Küche. „Die Warteliste für Sozialwohn­ungen ist lang, das kann fünf bis sechs Jahre dauern“, sagt Maggie Chan von der Caritas Hongkong.

Ähnlich sieht es auf dem chinesisch­en Land aus, wo die Alten, die ihr Leben lang als Bauern gearbeitet haben, kaum über Ersparniss­e verfügen. Das unterfinan­zierte Rentensyst­em Chinas gilt als reformbedü­rftig. Durch die Überalteru­ng der Gesellscha­ft wird sich die Lage noch zuspitzen, spätestens dann, wenn 2050 statistisc­h einem Rentner nur noch 1,6 Arbeiter gegenübers­tehen.

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FOTO: AFP Eine alte Frau in der Provinz Guizhou. Schon in 15 Jahren werden 230 Millionen Chinesen älter als 65 Jahre sein. Darauf ist das Land nicht vorbereite­t.

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