Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Starke Wirtschaft braucht tolerante Bürger
Derzeit blüht das Wirtschaftsleben am Rhein. Damit das so bleibt, sind die Unternehmen auf die Akzeptanz der Gesellschaft angewiesen, insbesondere wenn es um Industrieprojekte geht. Hier sehen Experten Nachholbedarf.
Die Düsseldorfer Wirtschaft startet optimistisch ins neue Jahr. Die Stimmung sei trotz der unsicheren politischen Gesamtlage gut, stellt Michael Grütering, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerschaft Düsseldorf und Umgebung fest. Die aktuelle Konjunkturumfrage läuft gerade, die Ergebnisse werden im Januar vorliegen, aber so viel kann Grütering schon jetzt erkennen: Die Auftragsbücher sind gefüllt, die Firmen stocken die Mitarbeiterzahl auf.
Auffallend sei dies zum Beispiel in der Metall- und Elektroindustrie: „Wir beobachten hier einen Beschäftigungsaufbau trotz steigender Lohnstückkosten.“Üblicherweise sinkt nach einer Personalaufstockung die Produktivität, da die neuen Mitarbeiter erst einmal eingearbeitet werden müssen. Unternehmen halten sich dann normalerweise mit weiteren Neueinstellungen zunächst zurück.
Nicht aber zurzeit: „Das sind Investitionen in die Zukunft“, interpretiert Grütering die Beobachtung. Die Firmen sichern sich die Fachkräfte, die sie künftig brauchen. Davon gehen sie jedenfalls aus, von daher sei der Beschäftigungstrend „ein gutes Signal“. Schon jetzt hätten viele Betriebe große Mühe, Fachkräfte zu finden. „Daher bilden sie über den aktuellen Bedarf hinaus aus und schaffen sich Personalreserven“, erklärt Grütering.
Nur rosig sieht das Zukunftsbild allerdings nicht aus. Neben den allgemeinen Unsicherheiten – was wird aus Europa, eine für den international engmaschig vernetzten Raum Düsseldorf eminent wichtige Frage, und wird es international mehr Handelshemmnisse geben? – könnten gesellschaftliche Trends die Entfaltungsperspektiven der Wirtschaft eintrüben. Grütering beklagt hier insbesondere eine „fehlende bürgerliche Toleranz für die Bedürfnisse der Industrie“.
Offensichtlich mangelt es an einem Bewusstsein für Zusammenhänge, das früher deutlicher erkennbar war: „Man kann nicht gegen Industrie sein und zugleich möglichst viele Arbeitsplätze haben wollen“, bringt Grütering es auf den Punkt. Am Bruttosozialprodukt, das in der Stadt erwirtschaftet wird, hat die Industrie einen Anteil von 27 Prozent. Von ihr hängen unmittelbar weitere Wirtschaftszweige ab, zum Beispiel die industrienahen Dienstleister, aber auch der Handel. „Nur so kann der hohe Lebensstandard, den wir in Düsseldorf und Deutschland haben, gehalten werden“, so Grütering.
„Düsseldorf ist nach Köln der zweitwichtigste Industriestandort in NordrheinWestfalen“, stellt Grütering fest – eine interessante Beobachtung in einer Region, in der man Industrie eigentlich eher mit dem Ruhrgebiet in Verbindung bringt. Doch man muss sich nur das Who-is-who anschauen, dann wird die Bedeutung klar: Allein beim Konzern Daimler, der in Düsseldorf den Mercedes-Benz Sprinter herstellt, arbeiten 6500 Menschen. Henkel, BASF, Rheinmetall, ABB, Komatsu, Siemens, der Kranhersteller Terex, aber auch Telekommunikationsunternehmen wie Vodafone,
Michael Grütering Ericsson oder Huawei sind in Düsseldorf aktiv, außerdem Stahlhändler und viele weitere Handelsunternehmen. „Es ist der gesunde Mix, der Düsseldorf stark macht“, betont Grütering.
Seit Jahren schon ist indes eine schleichende Deindustrialisierung zu beobachten; „wenn wir nichts tun, wird sich dieser Trend fortsetzen“, warnt Grütering. Viele in Düsseldorf ansässige Konzerne sind weltweit tätig. Wenn andere Standorte bessere Bedingungen bieten, gehen am Rhein Arbeitsplätze verloren. Stichwort Rhein: Unternehmen wie Terex, Henkel und BASF setzen auf einen Ausbau des Reisholzer Hafens, doch dagegen gibt es wie bei vielen Industrieprojekten Widerstände. Ebenso gegen die Pläne zur Kapazitätsausweitung des Flughafens, während sich gleichzeitig neue Unternehmen in Düsseldorf niederlassen und deshalb die Flugverbindungen brauchen. All dies könne den Standort bedrohen, fürchtet Grütering.
Immerhin ziehen mittlerweile große, entscheidende Akteure an einem Strang. Der Masterplan Industrie funktioniere, sagt der Wirtschaftsexperte. Gerade erst haben die Beteiligten, zu denen die Stadt, Unternehmer und Gewerkschafter zählen, über aktuelle Themen wie Flächennutzung gesprochen: Wie kann sichergestellt werden, dass die Betriebe die Flächen finden, die sie für Kapazitätserweiterungen brauchen? „Die Unternehmen müssen spüren, dass man sich um sie kümmert“, sagt Grütering. „Jetzt gilt es auch, die Bevölkerung mitzunehmen.“Hier leistet die Initiative Zukunft durch Industrie bereits gute Arbeit, zum Beispiel mit der Langen Nacht der Industrie, die die Arbeit der Betriebe vorstellt und auf große Resonanz stößt. „Wenn es der Wirtschaft gut geht, dann profitiert davon auch die Bevölkerung“, fasst Grütering zusammen.
„Wenn wir nichtstun,wird
sich die schleichende Deindustriali
sierung fortsetzen“
Unternehmerschaft