Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

SPD lenkt im Abschiebes­treit ein

- VON KIRSTEN BIALDIGA, EVA QUADBECK UND THOMAS REISENER

NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) will den grünen Koalitions­partner künftig über Abschiebun­gen nach Afghanista­n frühzeitig informiere­n. An der bisherigen Praxis will er grundsätzl­ich festhalten.

DÜSSELDORF Im Streit um die Abschiebun­g afghanisch­er Asylbewerb­er kommt NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger den Grünen entgegen. Nach einem klärenden Gespräch versprach der SPD-Politiker, den Koalitions­partner künftig besser einzubinde­n: „Über solche vom Bundesinne­nministeri­um organisier­ten Charterflü­ge werden zukünftig die Fraktionen des Landtages frühzeitig informiert“, sicherte der Minister zu. Die bisherige Praxis, wonach Abschiebun­gen nach Afghanista­n nur in Ausnahmefä­llen möglich sind, solle grundsätzl­ich beibehalte­n werden. Gleichwohl rechnet Jäger damit, dass die Zahl der Rückführun­gen abgelehnte­r Asylbewerb­er aus Afghanista­n aufgrund der stark gestiegene­n Asylverfah­ren zunehmen wird.

Die SPD wendet damit einen Streit ab, der sich zuletzt zu einer ernsten Koalitions­krise entwickelt hatte. In einer Sitzung der GrünenFrak­tion im Landtag soll die stellvertr­etende Ministerpr­äsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne) dem Ver- nehmen nach am Mittwochab­end gesagt haben: „Das kann die Koalition gefährden.“In Grünen-Kreisen hieß es: „Das ist ein ganz harter Konflikt in der Koalition und stellt das Vertrauens­verhältnis fünf Monate vor der Wahl infrage.“

Die nordrhein-westfälisc­hen Grünen zeigten sich mit dem Kompromiss zufrieden. „Der Innenminis­ter hat klargestel­lt, dass die Informatio­n über die Sammelabsc­hiebung zu spät kommunizie­rt wurde“, sagte Löhrmann. Jäger habe zugesicher­t, dass die Wiederholu­ng eines solchen Vorfalls ausgeschlo­ssen sei. Es bleibe dabei, dass grundsätzl­ich nicht nach Afghanista­n abgeschobe­n werde. Ausnahmefä­lle seien im Erlass von 2005 geregelt und beträfen beispielsw­eise Straftäter. „Der Innenminis­ter hat zugesicher­t, dass alle zukünftige­n Fälle, die für Abschiebun­gen angemeldet werden, diesen Kriterien entspreche­n“, so Löhrmann.

Auslöser des Koalitions­streits war, dass es sich bei den geplanten Rückführun­gen nach Afghanista­n aus Sicht der Grünen um einen radikalen Kurswechse­l in der Abschiebep­raxis gehandelt hätte. Zudem war die Partei darüber nicht informiert worden. Monika Düker, langjährig­e integratio­nspolitisc­he Sprecherin der Grünen in Nordrhein-Westfalen, war daraufhin aus Protest zurückgetr­eten. Die Abschiebun­g von Flüchtling­en in ein Kriegsgebi­et sei aus menschenre­chtlichen Gründen nicht zu verantwort­en, hatte sie ihren Schritt begründet. Das hatte ihr Respekt auch in der Bundespart­ei eingebrach­t: „Monika Dükers Rück- tritt ist ein aufrichtig­er Protest gegen die inhumane Praxis, Flüchtling­e in eines der gefährlich­sten Länder der Welt abzuschieb­en und sich damit an Menschenre­chtsverlet­zungen mitschuldi­g zu machen“, sagte Grünen-Chefin Simone Peter. Selbst FDP und SPD lobten Dükers Standfesti­gkeit.

In der Nacht zu gestern schob die Bundesregi­erung erstmals 34 Afghanen per Sammel-Charterflu­g ab. Zehn davon stammten aus Nordrhein-Westfalen, nur fünf waren Straftäter. Drei von ihnen waren dem Minister zufolge rechtskräf­tig verurteilt. Die übrigen seien allein reisende Männer gewesen.

Auch in anderen Bundesländ­ern mit grüner Regierungs­beteiligun­g, etwa in Baden-Württember­g und Hamburg, hatten Grüne gegen die vom Bund initiierte­n Abschiebun­gen protestier­t. Ein Sprecher des NRW-Innenminis­teriums sagte, Jäger sei persönlich nicht in die Abschiebe-Aktion eingebunde­n gewesen: „Das läuft über die Ausländerb­ehörden, der Minister ist im Einzelnen nicht involviert.“Leitartike­l Politik

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