Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Wuppertaler schweben jetzt in Babyblau
Ab Sonntag fahren die ersten fünf neuen Schwebebahnen im normalen Betrieb. Highlight der Wagen sind die Panoramafenster.
WUPPERTAL Rückwärts geht es für die Nummer vier aus der Wagenhalle in Wuppertal-Vohwinkel. Erst in der regulären Station kann die Schwebebahn wenden und ihre 13Kilometer-Tour durch das Tal der Wupper beginnen. Noch ist für die Fahrer Trainieren angesagt, ab Sonntag wird es ernst. Dann erlebt die neue Schwebebahn ihre Premiere, dann „schwebt ganz Wuppertal in den siebten Himmel“, wie die Wuppertaler Stadtwerke werben. Ab 11 Uhr verkehren die ersten fünf Bahnen erstmals für jedermann, ab Montag im normalen Betrieb. Immerhin nutzen 80.000 Fahrgäste die Schwebebahn täglich.
Nach 40 Jahren Betriebszeit werden die alten Wagen ausgetauscht. Bisher sind sieben Züge der neuen „Generation 15“in Wuppertal angekommen, 31 sollen es insgesamt bis Anfang 2018 werden. Sie wurden von Vossloh Rail Vehicles im spanischen Valencia gefertigt, die Technik stammt aus Düsseldorf. Bei solch einem Projekt gibt es keine Patentlösungen, jedes Teil wurde extra für dieses einzigartige Verkehrsmittel erprobt und hergestellt.
Was zunächst auffällt: Die neuen Wagen fahren gar nicht so viel anders als die alten. Es rappelt immer noch bei jeder Querstrebe, leiser ist es im Inneren auch kaum, und die Wagen schwanken stark, gefühlt stärker als vorher. „Die Räder müssen sich noch einfahren, dann wird es mit dem Schwanken besser“, sagt Fahrlehrer Andreas Haus.
Ein Plus sind die großen Fenster, die den Innenraum deutlich heller machen, und die Panoramascheibe am Ende des Zuges. „Großes Kino“, nennt das Fahrlehrer Haus. Sicher werden diese vier gegenüberliegenden Plätze künftig die beliebtesten sein. Gepolsterte Holzsitze, Klimaanlage und eine Rampe für Rollstuhlfahrer gehören zu den weiteren Neuerungen für Fahrgäste.
Am meisten umgewöhnen müssen sich wohl die Fahrer, die seit Juni von den Wuppertaler Stadtwerken (WSW) geschult werden. Denn nun gibt es High Tech im deutlich geräumigeren Cockpit. Allein auf drei Bildschirmen überwacht der Fahrer digital sein Gefährt. Die Umstellung sei, „als wenn man von einem alten VW auf einen neuen Mercedes umsteigt“, sagt Michael Reinholdt, Disponent für die Verkehrsmeister. Er wird wie rund 100 andere Mitarbeiter der WSW geschult, um zur Not auch mal eine Schwebebahn fahren zu können.
Viel schneller als früher beschleunigt die neue Bahn. Ist der Hebel einmal umgelegt und die Strecke ge- rade, sind 50 km/h schnell erreicht. Bei 60 km/h ist „der stahlharte Drache“, wie die Wuppertaler Dichterin Else Lasker-Schüler die Schwebebahn nannte, allerdings abgeregelt. Der Drache kommt allerdings ganz zahm daher – in Babyblau. Vorbei sind die Zeiten der alten orangeblauen Wagen aus den 70er Jahren. Nach und nach werden sie ausgemustert und ihren neuen Besitzern zugestellt, die sie für 5000 Euro pro Stück erworben haben. Damit ist die 20 Jahre währende Erneuerung der Schwebebahn, wozu auch die Sanierung des Gerüsts und der Bahnhöfe gehören, abgeschlossen. Kosten: etwa 620 Millionen Euro.
Immer wieder machen Menschen entlang der Strecke Fotos. Noch sind die neuen Wagen eine Besonderheit im Stadtbild. Das wird sich bald ändern. Schon am Sonntag fahren die Bahnen den ganzen Tag, jeder dritte Wagen wird ein neuer sein. Als Besonderheit für die erste Woche haben Kinder einer örtlichen Kita die Ansagen für die Statio- nen eingesprochen. Die neue Schwebebahn sei „ein Generationenprojekt, das unsere Stadt die nächsten 40 Jahre prägen wird“, sagt WSW-Vorstandsvorsitzender Andreas Feicht. Wuppertaler Touristiker verzeichnen schon zahlreiche Nachfragen von Schwebebahnfans.
Nach einer Stunde steigt man schwankend wie ein Seemann aus der Schwebebahn aus – unter den neidischen Blicken der Fahrgäste, die noch nicht mitfahren dürfen. Am Sonntag schweben auch sie.