Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Trump vor großen Herausforderungen
(jgr) Wer hat eigentlich Donald Trump gewählt? Es waren „Menschen, die leiden“, sagt der frühere US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum. In den Industrieregionen haben viele ihre Arbeit verloren; sie machen dafür die Globalisierung verantwortlich. Und überhaupt verändert sich die Welt derzeit radikal – für einen großen Teil der Bevölkerung in den USA zu radikal, stellt Kornblum fest. Das Klima ist ihnen zu tolerant. So akzeptieren viele zum Beispiel die Homoehe nicht.
Trump habe in diesem Klima seine Chance erkannt, erklärt Kornblum. Damit habe der nun gewählte Präsident im Übrigen nicht nur Hillary Clinton und die Demokraten abgehängt, sondern zuvor bereits alle Kandidaten der Republika- ner. „Trump hat am besten verstanden, dass der Gesellschaftsvertrag der Nachkriegszeit zerfällt und Emotionen die Vernunft ersetzen“, beschreibt Kornblum Trumps Erfolgsrezept.
Doch nun muss der neue Präsident zeigen, dass er halten kann, was er versprochen hat. Das könnte schwer werden, vermutet Kornblum. „Eines der größten Probleme ist die Frage: Wie finanziert er sein Infrastrukturprogramm?“Kredite dafür aufzunehmen dürfte bei den Republikanern nicht auf Gegenliebe stoßen. Die Partei fordere schon lange, dass der Staat keine neuen Schulden macht. Als Möglichkeit wird immer wieder eine Privatisierung der Verkehrsinfrastruktur ins Spiel gebracht. Doch auch dies sei nicht ohne weiteres einfach umzusetzen, warnt Kornblum. Bleibt der internationale Rückzug. Trump hat ja bereits angekündigt, dass sich die USA künftig nicht mehr so stark im Ausland engagieren und Partner an der Finanzierung für militärische Aufwendungen stärker beteiligen wollen. Doch auch hier sieht Kornblum enge Grenzen für die neue Politik. Denn gleichzeitig habe Trump ja angekündigt, bei möglichen Angriffen zurückschlagen zu wollen. Das stehe im Gegensatz zu einer möglichen Reduzierung der Auslandsaktivitäten. Unterm Strich sieht Kornblum in der Wahl Trumps keine Katastrophe – auch nicht für die transatlantischen Beziehungen: „Ich erwarte, dass man zu einem Stil der sachlichen Diskussion zurückfinden wird.“ (jgr) „Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl wird das transatlantische Verhältnis insgesamt und möglicherweise auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und Europa tiefgreifend verändern“, ist Wolfgang Clement überzeugt. Was aber nicht nur negativ zu bewerten ist, meint der frühere Bundeswirtschaftsminister und NRWMinisterpräsident. So könne die Politik Trumps zum Beispiel hilfreich sein, um Europa zur Übernahme von mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit und auch zu erheblich stärkerem finanziellem Engagement für die Verteidigung zu zwingen. „Wir halten unsere Verpflichtungen nicht ein. Die zugesagten zwei Prozent unseres Bruttosozialproduktes für die Verteidigung würden allein von Deutschland rund 20 Milliarden Euro Mehrausgaben erfordern.“
Europa müsse endlich eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik entwickeln, fordert Clement. Er hält es für ein Unding, dass 28 europäische Länder etwa halb so viel für Militär ausgeben wie die USA, aber nur ein Zehntel so effizient dabei sind. Hillary Clinton hätte im Übrigen ebenfalls ein höheres Engagement Europas verlangt, vielleicht weniger drastisch. „Das war also ein Anstoß in die richtige Richtung.“
„Nicht allzu viel Positives lässt sich allerdings bisher den wirtschaftspolitischen Äußerungen Trumps für die transatlantische Wirtschaft entnehmen“, räumt Clement ein. Er befürchtet einen „riskanten Mix aus expansiver Finanz-, protektionistischer Wachstums- und restriktiver Handelspolitik“. Das Freihandelsabkommen TTIP sei wohl tot, wenn man Trump beim gesprochenen Wort nehme. Auch Schutzzölle seien dann möglich. Das würde „erhebliche Konflikte“nach sich ziehen, warnt Clement, der auch Vorsitzender des Kuratoriums der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ist. Restriktionen und Gegenmaßnahmen könnten katastrophale Wirkungen entfalten.
Als eine Ursache für den Populismus – nicht nur in den USA – sieht er Folgen der Globalisierung, die zwar volkswirtschaftlich außerordentlich produktiv wirke, aber vor allem in den hochentwickelten Ländern auch viele Jobverlierer hervorbringe. Das sei besonders in den USA der Fall. „Wir brauchen hier eine andere Strukturpolitik“, sagt Clement, der dabei an nicht von den öffentlichen Händen, sondern privat finanzierte Infrastrukturprojekte denkt.