Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Die Politik hat zu spät auf Kampagnen reagiert“
Die Transatlantische Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP) soll Vorschriften und Regeln der Wirtschaft Europas und der USA langfristig so gestalten, dass sie besser zusammenpassen. Bei den Verhandlungen geht es darum, Zölle und andere Handelsbarrieren im transatlantischen Handel zwischen der EU und den USA abzubauen und die Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks stärker zu öffnen.
Doch TTIP ist weder auf der einen Seite des Atlantiks noch auf der anderen ein reines Erfolgsmodell. Die Verhandlungen sind schwierig, und sowohl in den USA als auch in Europa werden dagegen Kampagnen durchgeführt; und auch der neue US-Präsident Donald Trump zeigt de facto kein Interesse an dem Freihandelsabkommen. Jürgen Schüring beispielsweise, Geschäftsführer des Sportgerätehändlers Max Trade, sagt ganz offen beim RP-Wirtschaftsforum „Transatlantische Wirtschaft nach der Wahl!“, dass er TTIP in seiner jetzigen Form ablehne. Es sei kein demokratischer Prozess, und Bürgervertrauen gebe es auch nicht.
Hingegen sagt Bird & BirdRechtsanwalt Dr. Alexander Schröder-Frerkes, Vorsitzender der regionalen Vertretung NRW der American Chamber of Commerce in Germany, dass TTIP gut für Deutschland sei. „Aber die Politik hat zu spät auf die Kampagnen reagiert“, kritisiert er.
Auf die Kampagnen weist auch Alexander Graf Lambsdorff (FDP) hin, seit 2014 stellvertretender Präsident des Eu- ropäischen Parlamentes. „Hoch professionelle Kampagnen vor allem linker TTIPGegner haben die Handelsexperten aus der Politik auf dem völlig falschen Fuß erwischt. Wir müssen uns alle gegen die reine Emotionalisierung von Themen stellen, die gerade in der neuen postfaktische Zeit Einzug erhalten hat.“
Wolfgang Clement, ehemaliger sozialdemokratischer nordrhein-westfälischer Ministerpräsident und Bundeswirtschaftsminister, sagt in dem Zusammenhang, dass nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaftsverbände sich nicht um die Durchsetzung von TTIP bemüht hätten. „Nur die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft hat in aller Öffentlichkeit Einiges unternommen, um gegen die große Mobilisierungskraft der Gegner anzukommen.“Dass die Befürworter die „Kommunikationshoheit“verloren hätten, sagt auch Ford DeutschlandChef und Präsident der American Chamber of Commerce Bernhard Mattes. „Wir müssen aber für den Freihandel mit den USA einsetzen. Die Beziehungen nach Asien sind wich- tig, aber keine Kompensation für TTIP.“Auch Bernhard Mattes kritisiert, dass Emotionen immer öfter die Fakten schlagen würden.
Die Experten aus Wirtschaft und Politik beklagen zudem, dass es wieder einen starken Anti-Amerikanismus gebe – von links und von rechts, bei Globalisierungsverlierern und an Universitäten. In dem Zuge macht Wolfgang Clement deutlich, dass die Politik den Bezug zu den Bürgern zu verlieren drohe. „Demokratie und Marktwirtschaft verlieren an Substanz und Kraft.“