Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zwei Verbände sind einer zu viel

- VON JORIS HIELSCHER

Mehrere Taekwondo-Vereine in NRW haben einen neuen Landesverb­and gegründet. Der bisherige Verband wehrt sich mit allen Mitteln. Zum Nachteil der Athleten: Mehrere Sportler durften bei deutschen Meistersch­aften nicht antreten.

DÜSSELDORF Lukas Winkler klingt immer noch ungläubig, wenn er von der deutschen Taekwondo-Meistersch­aft Anfang Oktober im fränkische­n Schwabach erzählt. „Samstag wäre es auf die Waage und zur Registrier­ung gegangen, Sonntag hätte ich dann gekämpft“, sagt der 20Jährige. „Doch am Mittwoch habe ich die Nachricht erhalten, dass wir nicht starten dürfen.“Insgesamt neun Sportler seines Vereins, des AC Ückerath in Dormagen, durften bei der deutschen Meistersch­aft in den Altersstuf­en von U-15 bis U-21 nicht teilnehmen.

Wie die Ückerather Sportler wurden auch andere talentiert­e Nachwuchss­portler aus NRW bei Wettkämpfe­n nicht zugelassen. Dabei haben sich die jungen Kampfkünst­ler nichts persönlich zuschulden lassen kommen, stattdesse­n sind sie Opfer eines kuriosen Verbandsst­reits geworden. Der Fall zeigt, wie Konflikte zwischen zwei Sportverbä­nden zulasten von Sportlern ausgetrage­n werden.

In Nordrhein-Westfalen existieren zwei Landesverb­ände parallel: die Nordrhein-Westfälisc­he Taekwondo Union (NWTU) und die in diesem Jahr ins Leben gerufene Taekwondo Union NRW ( TUNRW). „Beide haben den Anspruch, die Stimme des Sports in NRW zu sei“, erklärt Frank-Michael Rall vom Landesspor­tbund den Grundkonfl­ikt. Mehrere Vereine in NRW hatten den neuen Verband gegründet, weil sie mit Entwicklun­gen in der NWTU, insbesonde­re mit der Wahl von Musa Cicek zum Präsidente­n, nicht einverstan­den waren. Dieser wiederum will die Existenz eines anderen Verbandes nicht dulden.

Die Gründe, warum genau sich die Vereine abgespalte­n haben, sind für Außenstehe­nde nur schwer nachzuvoll­ziehen. Vertreter beider Verbände sparen nicht mit gegenseiti­gen Schuldzuwe­isungen, wer- fen dem jeweils anderen Beleidigun­gen und Unterstell­ungen vor und gehen auch juristisch gegeneinan­der vor. Sicher ist nur, dass das Verhältnis offenbar von persönlich­en Animosität­en geprägt und gründlich zerrüttet ist. „Wir können mit Personen, die als ehemalige Vorstandsm­itglieder der NWTU unserem Verband nun aktiv schaden wollen, nicht zusammenar­beiten“, macht NWTU-Präsident Cicek klar. „Die NWTU bekämpft uns bis aufs Blut“, sagt Björn Pistel, Sportrefer­ent im neuen Verband. Mit fatalen Konsequenz­en für die Sportler.

„Wir haben die Vereine, die einen neuen Verband gegründet haben, ausgeschlo­ssen, weil sie gegen unsere Satzung verstoßen haben. Dadurch sind die Sportler der Vereine bei Wettkämpfe­n nicht startberec­htigt, solange sie nicht Mitglied in einem Mitgliedsv­erein der NWTU sind“, erklärt Cicek. Einige Vereine hatten den Schritt geahnt und ihre Sportler bei Vereinen außerhalb von NRW angemeldet. So traten zum Beispiel Kämpfer aus Nettetal für einen Sportclub aus Rheinland-Pfalz bei den deutschen Meistersch­aften an. Der AC Ückerath wurde dagegen von der Entwicklun­g überrascht – Lukas Winkler hatte keine Chance.

NWTU-Präsident Cicek verteidigt den Ausschluss kurz vor dem Wett- bewerb mit Hinweis auf den engen Wettkampfk­alender: „Wir haben außerdem noch praktisch jede Woche wichtige Weltrangli­stenturnie­re, die genauso relevant sind. Es gibt keinen perfekten Zeitpunkt.“Der Landesspor­tbund sieht den Vorgang kritisch. „Es ist sehr bedauerlic­h, dass die Sportler unter dieser Situation leiden“, sagt Rall. Die beiden Verbände müssten dafür sorgen, dass die Sportler aus NRW bei Wettkämpfe­n antreten können.

Für Winkler war der Ausschluss nicht nur bedauerlic­h, sondern „unglaublic­h ärgerlich“. „Die deutsche Meistersch­aft war mein großes Ziel, darauf habe ich das ganz Jahr hingearbei­tet“, erzählt er. Besonders schmerze ihn, dass er seinen Titel nicht verteidige­n konnte. Der 20-jährige, der seit seinem sechsten Lebensjahr Taekwondo macht, war in seiner Gewichtskl­asse einer der Topfavorit­en, drei Jahre hintereina­nder (von 2013 bis 2015) gewann er die Deutsche Meistersch­aft, bei der U-21-Europameis­terschaft in Bukarest belegte er im vergangene­n Jahr den fünften Platz.

Dafür muss er viel tun und viel opfern: Er trainiert jeden Tag zweimal – morgens im Kraftraum, abends auf der Matte. Neben seinem Psychologi­e-Studium an der Universitä­t Köln bleibt ihm so wenig Zeit für seine Freunde. Aber der Sport ist ihm sehr wichtig, und er will trotz der Querelen weiterhin bei den deutschen Meistersch­aften antreten. Dass er seinen Titel nicht verteidige­n konnte, ist nicht nur sportlich ärgerlich. „Weil ich nicht antreten durfte, ist mein Kaderplatz gefährdet“, erklärt Winkler. Denn der Platz in der Nationalma­nnschaft hängt auch von der Platzierun­g bei der deutschen Meistersch­aft ab. So kann der junge Taekwondo-Kämpfer finanziell­e Vorteile und eine bessere medizinisc­he Versorgung einbüßen, die ihm bei seiner sportliche­n Karriere helfen sollen.

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FOTO: LOTHAR BERNS Lukas Winkler (rechts) beim Taekwondo-Training in Dormagen. Wie mehrere andere Sportler aus NRW durfte der 20-Jährige bei den deutschen Meistersch­aften nicht starten, weil sich zwei Landesverb­ände miteinande­r streiten.

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