Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die wollen doch nur spielen

- VON DOROTHEE KRINGS

DÜSSELDORF Freiheit hat ja immer auch eine bedrohlich­e Seite. Da haben nun zehn junge Menschen ihr Schauspiel­studium in Salzburg abgeschlos­sen, gute Adresse, die Welt steht ihnen offen. Doch wer sind sie? Wen wollen sie darstellen? Und um welchen Preis? Plötzlich erscheint der leere Raum auf den Brettern, die die Welt bedeuten, wie ein schwarzes Vakuum, das alles verschling­t. Zehn Menschen müssen ihre Rolle finden – auf der Bühne wie im Leben.

Martin Heckmanns hat für die Schauspiel-Abschlussk­lasse des Mozarteums ein neues Stück geschriebe­n, das nun am Düsseldorf­er Schauspiel­haus zu besichtige­n ist. Das Theater kooperiert mit der Schule in Salzburg, die Nachwuchsd­arsteller sind in ihrem Abschlussj­ahr in Düsseldorf zu Gast, übernehmen dort erste kleine Rollen.

Mit „Glänzende Aussichten“präsentier­t sich nun der gesamte Jahrgang. Martin Heckmanns hat die Nachwuchsk­ünstler in Salzburg besucht, hat sie kennengele­rnt, beobachtet, mit ihnen diskutiert – und dann aus der Distanz ein Stück geschriebe­n, das von ihnen handelt und zugleich von allen Menschen, die darüber nachdenken, wer sie sind, wie sie leben, handeln, wirken wollen – und wie sinnvoll diese Fragen wirklich sind.

Heckmanns’ Stück ist ein anspielung­sreicher Bewusstsei­nsstrom, in dem Fragen, Haltungen, Posen an die Oberfläche gespült werden wie Treibholz in einem Fluss. Die Dar- steller stehen am Anfang einer möglichen Karriere, haben Ideale, Hoffnungen, Ängste und sind nun hineingewo­rfen in den leeren schwarzen Raum einer Bühne, die zur Metapher wird für die Black Box des Lebens. Einzig ein leuchtend blaues Netz aus Schnüren, Fallstrick­en, Halteseile­n, hat der Berliner Regisseur David Czesienski für seine feine, impulsreic­he Inszenieru­ng aufspannen lassen. Darin klettern die Schauspiel­er herum. Überhaupt sind sie ständig in Bewegung, schlüpfen in Figuren, die sich plötzlich in Heckmanns’ Textfläche­n abzeichnen, lassen die Rolle dann wieder stehen wie eine leere Hülle. So viele Möglichkei­ten, wie soll man da wissen, wer man sein will?

Typen werden erkennbar: der Angepasste, die Abgebrühte, der Ro- mantiker, die Schüchtern­e. Dynamiken in der Gruppe entstehen: Bekenntnis­se werden eingeforde­rt, am Ende platzt dem Mädchen mit dem lächerlich­en Brokkoliko­stüm der Kragen und es brüllt so lange, bis aus Wut Erschöpfun­g wird und das Ensemble geschlosse­n vor das Publikum tritt, nur um in eine neue Debatte zu verfallen. Diesmal über Migration und Fremdheit. Sollte nicht eine Darsteller­in mit dunkler Haut zum Stück gehören? Wäre das nicht rassistisc­h, weil sie ja nur deswegen dabei wäre?

Heckmanns liefert besten komisch verzweifel­ten Stoff, die jungen Darsteller formen daraus starke Figuren und sind ein stürmische­s Ensemble. Am 12. Januar ist es in Düsseldorf noch einmal zu erleben – glänzende Aussicht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany