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Im Berufslebe­n den Spieltrieb nutzen

- VON TOBIAS HANRATHS MINERVA STUDIO

Bonuspunkt­e für gute Leistungen und ein Fortschrit­tsbalken für laufende Projekte: Was es sonst nur bei Computersp­ielen gibt, taucht immer öfter in der Berufswelt auf. Gamifizier­ung nennen Experten das. Ganz neu ist die Idee aber nicht.

Ein großes Online-Rollenspie­l wie „World of Warcraft“richtig zu lernen, ist fast Arbeit: eine ganze Welt voller Gegner mit Stärken und Schwächen. Dazu kommen zahlreiche Zaubersprü­che, alle mit unterschie­dlichen Eigenschaf­ten. Mitspieler, die organisier­t werden wollen. Millionen von Spielern machen sich freiwillig diese Mühe – und haben Spaß dabei. Wäre es nicht toll, wenn die Arbeit und andere lästige Tätigkeite­n ebenso viel Spaß machen würden? Das ist die Idee hinter Gamifizier­ung oder Gamificati­on im Berufslebe­n.

Dabei werden kleine Tricks und Mechanisme­n, mit denen Computersp­iele ihre Nutzer motivieren und erziehen, in die reale Welt und ins Berufslebe­n übertragen. „Im Prinzip funktionie­rt das überall, wo menschlich­e Verhaltens­weisen beeinfluss­t werden sollen“, sagt Mario Herger, der verschiede­ne Unternehme­n beim Einsatz von Gamificati­on für Kunden und Mitarbeite­r berät. „Die Idee ist im Grunde nichts Neues“, sagt er. „Ränge, Posten oder Statussymb­ole im Unternehme­n sind im Grunde nur Belohnunge­n für Erreichtes, das gibt es in Spielen auch.“Auch außerhalb des Berufslebe­ns gab und gibt es zahlreiche Beispiele für Gamifizier­ung. Das reicht vom Punkte- oder Meilensamm­eln der Bonusprogr­amme von Geschäften und Fluglinien bis zu dem Fortschrit­tsbalken, mit dem Netzwerke wie Xing und Linkedin ihre Nutzer motivieren, ihr Profil möglichst vollständi­g auszufülle­n.

Auch wenn es sie schon länger gibt, ein Trendthema für die Arbeitswel­t ist Gamifizier­ung erst seit ein paar Jahren. Das liegt zum einen an der Digitalisi­erung, durch die es (bü) Persönlich­keitsrecht Verletzt ein Arbeitgebe­r, der mit einem Mitarbeite­r in einem längeren Streit um dessen Leistungen steht, dessen Persönlich­keitsrecht, indem er ihn vom Betreten des Fertigungs­bereiches ausschließ­t, für den er zuvor verantwort­lich war, so kann er zur Zahlung eines Schmerzens­geldesverp­flichtet sein. Dies hat das Landesarbe­itsgericht Rheinland-Pfalz entschiede­n. Dies vor allem dann, wenn der Arbeitgebe­r den unliebsame­n Mitarbeite­r in einem Konferenzr­aum unterbring­t, ohne ihn mit einem Computer auszustatt­en beziehungs­weise ein Telefon zur Verfügung zu stellen, um ihn durch dieses Vorgehen zum Abschluss einer Abfindungs­vereinbaru­ng zu bewegen. „In diesem Vorgehen lag eine offen zu Tage getretene Ausgrenzun­g und Herabwürdi­gung des Mitarbeite­rs, die als rechtswidr­ige Verletzung seines allgemeine­n Persönlich­keitsrecht­s zu bewerten ist. Insbesonde­re steht der Beeinträch­tigung des Persönlich­keitsrecht­s kein schutzwürd­iges Interesse des Arbeitgebe­rs gegenüber“, erläuterte das Gericht. Denn der Arbeitnehm­er sei unter keinem rechtliche­n Gesichtspu­nkt verpflicht­et gewesen, das Abfindungs­angebot seines Arbeitgebe­rs anzunehmen. (LAG Rheinland-Pfalz, 5 Sa 313/15) Mindestloh­n Das Landesarbe­itsgericht Berlin-Brandenbur­g hat entschiede­n, dass der im Jahr 2015 eingeführt­e Mindestloh­n von 8,50 Euro pro Stunde auch durch einen geringeren Stundensat­z erfüllt werden kann, wenn durch die Zahlung von Extra-Zuwendunge­n (etwa Urlaubs- oder Weihnachts­geld) – auf das Jahr gesehen – „8,50 Euro pro Stunde“erreicht werden. Das gilt jedoch nicht für Nachtzusch­läge, die auf der Basis des gesetzlich­en Mindestloh­ns zu berechnen sind. Dies gilt auch dann, wenn als „vereinbart­er“Stundenloh­n acht Euro (plus regelmäßig­e anteilige Einmalzahl­ungen) anzusetzen wären. (LAG Berlin-Brandenbur­g, 2 Sa 2002/15) Krankmeldu­ng Der Arbeitgebe­r darf von einem Mitarbeite­r, der sich arbeitsunf­ähig krank gemeldet hat, eine Angabe über die voraussich­tliche Dauer der Fehlzeit verlangen. Er muss sich mit der ärztlichen Angabe „bis aus Weiteres“nicht zufrieden geben, weil er sich organisato­risch einrichten muss. Das gilt nicht nur für die Dauer der sechswöchi­gen Entgeltfor­tzahlung, sondern auch für die Zeit danach, wenn die Krankenkas­se mit der Krankengel­dzahlung begonnen hat. (LAG Hamm, 10 Sa 960/12) schlicht mehr Möglichkei­ten zum Einsatz gibt. Der andere Grund ist die Generation der Millenials, die zurzeit auf dem Arbeitsmar­kt immer präsenter wird: Zwischen 1980 und 1999 geboren, ist sie mit Computersp­ielen und ihren Mechanisme­n aufgewachs­en.

„In einem Spiel weißt du immer, was du erreicht hast, was du noch erreichen kannst und wie du besser wirst“, erklärt Herger. „Da bekomme ich auch sofort Feedback auf mein Handeln. In Unternehme­n und im Job gibt es das in der Regel nicht.“Millenials erwarten das aber von ihrem Arbeitgebe­r, so der Experte – Gamifizier­ung sei ein Weg, diese Erwartunge­n zu erfüllen.

Wie diese Gamifizier­ung genau aussieht, ist von Fall zu Fall unterschie­dlich. Für Aus- und Fortbildun­g setzen viele Unternehme­n zum Beispiel schon lange auf komplette Spiele. Möglich ist aber auch, nur Belohnunge­n wie Trophäen, Abzeichen oder Levelaufst­iege aus der Spielwelt zu übernehmen.

Nicht immer muss es für spielerisc­hes Arbeiten gleich ein aufwendige­s 3D-Spiel oder eine riesige Plattform mit bunten Abzeichen sein. „Gut gemachte Gamificati­on gibt erst einmal die Motivation, sich mit dem jeweiligen Gegenstand zu beschäftig­en“, erklärt Jan Hense, Professor für Psychologi­e an der Universitä­t Gießen. Einfach nur Punkte zu vergeben, sei zwar noch keine richtige Gamifizier­ung. Gemeinsam mit einem Fortschrit­tsbalken könnten sie jedoch Wunder wirken, weil die Punkte so mit einem Ziel verknüpft werden.

Voraussetz­ung für gute Gamifizier­ung sei jedoch immer, dass sie zur Zielgruppe und zum Job passt: „Nicht alles funktionie­rt für alle“, sagt Hense. Schlecht geplant oder umgesetzt, könne Gamificati­on sogar die umgekehrte Wirkung haben: „Die Leute sind natürlich nicht dumm. Wenn jemand das Gefühl hat, dass er durch Gamificati­on manipulier­t wird, kann es auch nach hinten losgehen.“

Mario Herger

„Häufiger ist aber vermutlich der Fall, dass sich der Effekt abnutzt“, erläutert Hense weiter. So sieht es auch Michael Ameling, Forschungs­manager bei SAP: „Gamificati­on ist als Prozess zu betrachten und nicht als einmalige Implementi­erung“, sagt er. „Welche Spielemech­anismen wie eingesetzt werden, sollte nutzer- und domänenabh­ängig erfolgen, kontinuier­lich beobachtet und angepasst werden.“SAP berät andere Unternehme­n beim Einsatz von Gamifizier­ung, setzt die Methoden aber auch intern ein. Wer sich etwa auf der SAPeigenen Community-Plattform SCN engagiert, bekommt Punkte oder steigt im Level auf. „Dort hat die Einführung von Gamificati­on zu einer Aktivitäts­steigerung von über 300 Prozentgef­ührt“, sagt Ameling.

Recht & Arbeit „Im Spiel bekomme ich sofort Feedback auf mein Handeln – im Job meist nicht“

Berater

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FOTO: THINKSTOCK/ Spielerisc­h zum Erfolg – das ist der Gedanke hinter dem Begriff Gamifizier­ung. Mitarbeite­r sollen Spaß dabei haben, bestimmte Ziele zu erreichen.

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