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Behörden schätzten Amri falsch ein

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Über den mutmaßlich­en Täter von Berlin werden immer neue Details bekannt. So hätten sich die Behörden vor dem Anschlag schon sieben Mal mit Amri beschäftig­t und seine Gefährlich­keit bestätigt.

BERLIN/DÜSSELDORF (RP) Gut eine Woche nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachts­markt hat die Bundesanwa­ltschaft einen möglichen Kontaktman­n des mutmaßlich­en Attentäter­s Anis Amri vorläufig festnehmen lassen. Die Telefonnum­mer des 40-jährigen Tunesiers fand sich auf dem sichergest­ellten Handy Amris, wie die Karlsruher Behörde mitteilte. „Die weiteren Ermittlung­en deuten darauf hin, dass er in den Anschlag eingebunde­n gewesen sein könnte“, erklärte die Bundesanwa­ltschaft. Bis heute werde geprüft, ob Haftbefehl beantragt werde. Einem Sprecher zufolge nahmen die Ermittler den 40-Jährigen in Berlin vorläufig fest. Seine Wohnund Geschäftsr­äume wurden durchsucht. „Spiegel Online“zufolge liegen diese im südlichen Stadtteil Berlin-Tempelhof.

Nach Recherchen von „Süddeutsch­er Zeitung“, NDR und WDR hat ein automatisc­hes Bremssyste­m die Fahrt des Berliner Anschlags-Lkw gestoppt. Danach kam das Fahrzeug nur deshalb nach 70 bis 80 Metern zum Stehen, weil die Zugmaschin­e mit einer Bremsautom­atik ausgerüste­t war. Das automatisc­he Bremssyste­m reagiert dem Bericht zufolge auf einen Aufprall und betätigt von selbst die Bremsen. So wurden noch weitere Tote verhindert.

Das Gemeinsame Terror-Abwehrzent­rum (GTAZ) hatte sich nach der gleichen Quelle im Laufe des Jahres schon siebenmal mit dem möglichen Täter von Berlin beschäftig­t. Die Sicherheit­sbehörden in Nordrhein-Westfalen hatten danach nur fünf Tage vor dem Attentat auf 17 Seiten aufgeliste­t, was der Polizei über Amri bekannt war und für wie gefährlich sie ihn einstuften. Danach wussten die Behörden durch Auswertung eines sichergest­ellten Handys, dass der Tunesier im Internet nach Bauanleitu­ngen für Rohrbomben und chemische Formeln, die bei der Herstellun­g von TNT benötigt werden, gesucht hat.

Schon Anfang Februar stand Amri laut diesem Bericht im Kontakt mit Vertretern der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS). Er habe sich sogar verdeckt als Selbstmord­attentäter angeboten. Aus Bildern und Audionachr­ichten, die den Behörden vorlagen, ginge auch klar seine radikalsal­afistische Gesinnung hervor. Aufgrund der Erkenntnis­se sei zwei- mal die Frage diskutiert worden, ob Amri konkret einen Anschlag durchführe­n könnte. Doch das wurde, so berichten die drei Medien, trotzdem als unwahrsche­inlich eingestuft.

Im Personenpr­ofil der NRW-Behörden war offenbar auch vermerkt, dass von Amri acht verschiede­ne Personalie­n und sechs verschiede­ne Namen bekannt waren. Zudem wurden neun Kontaktper­sonen aufgeliste­t, darunter die im November festgenomm­enen IS-Unterstüze­r Hasan C. aus Duisburg und Boban C. aus Dortmund. Sie seien zugleich wichtige Figuren des gleichfall­s im November festgenomm­enen radikalen Predigers Abu Walaa, der unter anderem im niederrhei­nischen Tönisvorst wohnte.

Amri war nach WDR-Recherchen zudem im Ruhrgebiet gut vernetzt. Er soll in Dortmund sogar einen Schlüssel zu einer Moschee besessen haben, in der er übernachte­te. Seit Ende 2015 sei er regelmäßig zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet gependelt. Kurz vor dem Anschlag soll Amri laut Polizei Nachrichte­n an Mitstreite­r in Berlin und dem Ruhrgebiet gesendet haben.

Vieles spricht dafür, dass der mutmaßlich­e Täter auch durch die Niederland­e reiste. Zwei Tage nach dem Anschlag habe ihn „sehr wahrschein­lich“eine Überwachun­gskamera auf dem Bahnhof in Nimwegen nahe der deutschen Grenze aufgenomme­n, sagte ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft. Zur selben Zeit wurden dort gratis Sim-Karten verteilt. Eine solche hatten italienisc­he Ermittler nach eigenen Angaben bei Amri entdeckt.

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