Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zuckersteu­er bringt nicht mehr Gesundheit

- VON MARTIN KESSLER VON ANTJE HÖNING FINNLAND TESTET GRUNDEINKO­MMEN, SEITE B 1 VON GODEHARD UHLEMANN EINE MUTIGE FRAU TROTZT PRÄSIDENT . . ., SEITE A 6

Die AOK Rheinland/Hamburg hat eine verdienstv­olle Studie vorgelegt. Sie zeigt, dass die Volkskrank­heit Diabetes bedrohlich zugenommen hat. Die Gesundheit­spolitik ist gefordert, auf die neuen Zahlen, wonach jeder neunte Versichert­e Zucker hat, zu reagieren.

AOK-Chef Wältermann selbst macht eine ganze Reihe sinnvoller Vorschläge – mehr Transparen­z auf den Etiketten der Lebensmitt­el, gesunde Ernährung in Kitas und Schulen, weg von der XXL-Kultur und vor allem viel Bewegung. Man könnte noch hinzufügen, dass die Hausärzte, die über große Autorität bei ihren Patienten verfügen, besonders die Menschen im Auge behalten sollen, die wegen ihrer Lebensweis­e anfällig für Diabetes sind.

Eine staatliche Zuckersteu­er, wie sie der Kassenchef ins Spiel bringt, passt da nicht hinein. Sie würde dem Staat lediglich Einnahmen verschaffe­n, aber Konsumente­n kaum zu einer Änderung ihres Verhaltens veranlasse­n. Wer raucht oder trinkt, lässt sich auch nicht durch Tabak- oder Alkoholste­uern umstimmen. Die richtige Gesundheit­svorsorge ist eine Sache der Bildung. Nicht umsonst sind bildungsfe­rne Schichten eher von Diabetes betroffen. Hier muss man deshalb zuerst ansetzen. BERICHT DIABETES: AOK-CHEF WILL . . ., TITELSEITE

Utopie Grundeinko­mmen

Die Idee hinter dem finnischen Experiment ist bestechend und hat Tradition, schon der konservati­ve US-Ökonom Milton Friedman verfocht sie. Der finnische Staat zahlt Arbeitslos­en ein Grundeinko­mmen von 560 Euro, das an keine Bedingung und kein Formular geknüpft ist. Vernünftig daran ist die Bündelung Hunderter staatliche­r Leistungen. Zudem setzten die finnischen Ämter darauf, dass Menschen mit einem Grundeinko­mmen im Rücken eher eine ergänzende Arbeit aufnehmen.

Wenn sie sich da mal nicht täuschen. Der Anreiz kann auch ganz anders wirken, nämlich die Bereitscha­ft zur Aufnahme von Arbeit und Ausbildung senken. Wer ist noch bereit, die Mühen einer langen Ausbildung aufzunehme­n, wenn er das Nötigste auch so sicher hat? Vor allem scheitert das Grundeinko­mmen an der Finanzieru­ng. Um es im großen Stil einzuführe­n, sind gewaltige Steuererhö­hungen nötig. Die Schweizer, die im Sommer über ein ähnliches Experiment abstimmten, hätten die Mehrwertst­euer auf 50 Prozent anheben müssen. Das Grundeinko­mmen ist eine schöne Utopie, aber eben eine Utopie. BERICHT

Türkei im Blickpunkt

Nuriye Gülmen ist eine Türkin mit Zivilcoura­ge. Sie protestier­t seit Wochen in Ankara öffentlich gegen ihren Rauswurf aus der Universitä­t. Sie soll den missglückt­en Putsch gegen Staatspräs­ident Erdogan im Sommer unterstütz­t haben. Ihr Schicksal ähnelt dem von Tausenden, die Opfer nie gekannter Säuberungs­wellen wurden. In der Türkei laufen bereits diverse Prozesse gegen mutmaßlich­e Putschiste­n oder deren Unterstütz­er. Eines sollte nach unserem Rechtsvers­tändnis klar sein: Es reicht nicht, Rechtsvers­töße zu behaupten, man muss sie auch beweisen. Anderenfal­ls bricht der Staat das Gesetz und wird zum Täter.

2016 war ein Jahr übelster Terroransc­hläge in der Türkei. Das Land hat das Recht, sich dagegen zu wehren. Es hat gar die Pflicht, die Bürger gegen diese infame „Pest“zu schützen. Nur darf das nicht dazu führen, dass die Justiz politisch instrument­alisiert wird. Willkürlic­he Verhaftung­swellen schüchtern die Menschen ein, sie zerstörten demokratis­che Strukturen und sind der Türkei nicht würdig. Es geht um faire Prozesse unter den Augen der Öffentlich­keit. BERICHT

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