Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Kirche, die zu den Gläubigen rollt

- VON SABINE KRICKE

Pfarrer Sebastian Walde aus Heinsberg ist mit einer mobilen Kirche unterwegs. Bei Freiluftme­ssen erreicht er Menschen, die sonst nicht in die Kirche gehen oder für die der Weg zu beschwerli­ch geworden ist.

HEINSBERG Sein Haus Gottes ist 3,80 Meter lang und zwei Meter breit – ein simpler Anhänger mit einem Kastenaufb­au, an dem sich eine Klappe öffnen lässt. Darin befinden sich ein Altartisch und ein blaues Kreuz an der Wand. Der Tisch ist aus Pappe. Die aber sei stabil, versichert Sebastian Walde.

Der Geistliche aus Heinsberg ist mit dieser mobilen Kirche als Freiluft-Pfarrer unterwegs. Die Menschen im Kreis Heinsberg leben in weit verstreute­n Dörfern, was vielen von ihnen – gerade den Älteren – den Weg in die Kirche erschwert. Dieser Umstand brachte Pfarrer Walde auf eine Idee: Wenn die Schäfchen nicht in die Kirche kommen, dann kommt die Kirche eben zu ihnen. Jetzt fährt der 48-jährige evangelisc­he Pfarrer in regelmäßig­en Abständen mit seiner mobilen Kirche in die umliegende­n Dörfer und hält dort Freiluftme­ssen.

Walde, der gebürtig aus Krefeld stammt, trug die Idee der mobilen Kirche schon lange mit sich herum. Nachdem er einige Open-Air-Gottesdien­ste in Heinsberg gefeiert hatte, die sehr gut besucht waren, war er überzeugt: Eine mobile Kirche kann funktionie­ren. „Ein Vorteil ist, dass die älteren Menschen, die nicht mehr so beweglich sind, an Gottesdien­sten teilnehmen können“, sagt Walde. Ein weiterer, für den Geistliche­n ebenfalls wichtiger Aspekt: „Man erreicht damit auch Menschen, die normalerwe­ise gar nicht in die Kirche gehen.“So fand zum Beispiel ein Gottesdien­st auf dem Weihnachts­markt in Heinsberg statt. „Die Menschen hörten die Musik, lauschten meiner Predigt und hielten einen Moment inne“, sagt der Pfarrer. „Gerade große Kirchen schaffen einen Abstand zwischen dem Pfarrer und der Gemeinde.“Dieser – manchmal auch sinnbildli­che – Abstand werde bei der mobilen Kirche aufgehoben.

Die endgültige „Ausbaustuf­e“der mobilen Pfarre ist übrigens noch nicht erreicht: „Noch arbeiten wir mit tragbaren Verstärker­n und Mikrofonen. Das soll aber bald alles fest in dem Anhänger installier­t sein. Dann gibt es auch Musik von einem E-Piano“, sagt Walde.

Doch kann eine Andacht aus dem Anhänger überhaupt eine sakrale Stimmung verbreiten, wie es in der Kirche der Fall ist? „Natürlich unterschei­det sich der Gottesdien­st in der mobilen Kirche von dem in der Christuski­rche. Aber das ist auch gut so. So erreicht man wieder ein breiteres Publikum“, sagt Walde. Vor allem wenn es kalt draußen ist, fallen die Predigten des Pfarrers ein wenig knapper aus: „Ich will ja nicht, dass die Leute einfrieren“, sagt er mit einem Augenzwink­ern.

Die Orte für seine Gottesdien­ste werden von den Mitglieder­n der Gemeinde mit ausgewählt. „Jeder kann auf unserer Website einen Gottesdien­st beantragen und dann seine Nachbarn und Freunde darüber informiere­n“, sagt Walde. Kleine Missverstä­ndnisse hat es dabei jedoch auch schon gegeben: „Es kam vor, dass vor allem ältere Menschen anfingen, ihr Gartentor auszumesse­n, damit ich mit der mobilen Kirche zu ihnen nach Hause komme und dort eine kleine Privatmess­e halte“, sagt Walde. Das sei natürlich nicht Sinn der Sache.

Die klassische­n Gottesdien­ste finden übrigens nach wie vor in der Christuski­rche in Heinsberg statt. Das bedeutet für den Pfarrer: Die Arbeit wird mehr anstatt weniger. „Wir suchen daher auch nach ehrenamtli­chen Helfern, die uns bei der Organisati­onsarbeit unterstütz­en“, sagt Walde. Trotz der zusätzlich­en Aufgabe, die mit der mobilen Kirche einhergeht, freut sich der Pfarrer auf die kommende Zeit. „Es ist ein spannendes Experiment.“

Ein Highlight für ihn ist ein Gottesdien­st, der für August 2017 geplant ist. „Wir wollen einen Reisebus mieten und nach Holland ans Meer fahren“, sagt Walde. Und dann will er mit seiner mobilen Kirche und der Gemeinde am Strand beten.

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FOTO: PRIVAT Mit seiner mobilen Kirche erreicht Pfarrer Sebastian Walde aus Heinsberg auch Menschen, die sonst nicht den Gottesdien­st besuchen – wie hier auf einem Weihnachts­markt.

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