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KÖLN Wir treffen Matthias Zachert, der das von Bayer abgespalte­ne Chemieunte­rnehmen Lanxess führt, im Lanxess-Turm in Köln. Der Fahrstuhl zeigt 20 Stockwerke an, tatsächlic­h sind es nur 19. Den 13. Stock hat man ausgelasse­n, wie es in US-Hochhäuser­n üblich ist. Das neue Jahr bringt uns Trump als US-Präsidente­n. Sind Sie besorgt? ZACHERT Natürlich geben viele Aussagen aus dem Wahlkampf Anlass zu Sorge. Ich hoffe aber, dass Trump als Präsident rationale Entscheidu­ngen trifft. Schädlich wäre vor allem ein neuer Protektion­ismus. Es ist im ureigenen Interesse der Amerikaner wie der Europäer, dass zum Beispiel das Freihandel­sabkommen TTIP kommt. Freihandel vergrößert den Wohlstand. Immerhin kann uns positiv stimmen, dass Trump sich zur Industrie bekennt und sie stärker unterstütz­en will. Ein solches Bekenntnis vermisse ich manchmal in Deutschlan­d. Was bedeutet der Kurswechse­l für die Lanxess, die stark in den USA ist? ZACHERT Schon vor den Wahlen haben wir strategisc­h wichtige Zukäufe in den USA besiegelt. Wir haben das Desinfekti­onsgeschäf­t von Chemours übernommen und die Übernahme des Schmiersto­ffadditivH­erstellers Chemtura für 2,4 Milliarden Euro vereinbart. Falls die USA sich jetzt abschotten sollten, dann wären wir dort schon stark aufgestell­t. Unser künftiges Nordamerik­a-Geschäft mit 2500 Mitarbeite­rn wird für einen Umsatz von zwei Milliarden Euro stehen. Mit Chemtura müssen Sie noch durch die Kartellbeh­örden, und die unterstehe­n der neuen Regierung. ZACHERT Da sind wir schon gut vorangekom­men: Seit wenigen Tagen steht fest, dass die US-Kartellbeh­örden keine Einwände gegen die Übernahme von Chemtura haben. Das bringt uns der Übernahme ein gutes Stück näher. Können Sie den Deal früher als Mitte 2017 über die Bühne bringen? ZACHERT Die kartellrec­htliche Zustimmung in einigen weiteren Märkten steht noch aus, unter anderem in der EU und in China. Das wird erfahrungs­gemäß noch ein paar Monate dauern. Vor allem aber müssen die Chemtura-Aktionäre noch zustimmen. Das ist für Anfang Februar geplant. Sie wollen Kosten sparen. Werden Stellen wegfallen? ZACHERT Wenn es um Synergien geht, geht es stets auch um Strukturen. Wir brauchen zum Beispiel nicht zwei Stabsberei­che oder zwei Landesgese­llschaften in Ländern, wo Lanxess und Chemtura heute beide vertreten sind. Müssen Mitarbeite­r in der LanxessZen­trale in Köln oder in Leverkusen um ihren Job bangen? ZACHERT Nein, ganz im Gegenteil. Wir sind das übernehmen­de Unternehme­n, und wir bleiben in Köln. Auch unsere deutschen Produktion­sstandorte werden durch die geplante Übernahme eher gestärkt. Monsanto-Chef Grant erhält eine Abfindung von 123 Millionen Dollar. Sind solche Summen zu vertreten? ZACHERT In den USA ist es üblich, dass bei Übernahmen deutlich höhere Abfindunge­n gezahlt werden als in Europa. Das müssen wir akzeptiere­n. Allerdings geht es bei Chemtura um wesentlich niedrigere Summen als die, die Sie erwähnen. Haben Sie das Geld für die Übernahme zusammen? 2,4 Milliarden Euro liegen nicht in der Portokasse. ZACHERT Ja, wir haben einen Bond mit fünfjährig­er Laufzeit zu einem sagenhaft niedrigen Zins von 0,25 herausgege­ben sowie einen zehnjährig­en Bond zu einem Prozent. Beide bringen uns je 500 Millionen. Weitere 500 Millionen haben wir durch eine Hybridanle­ihe, also eine Mischung aus Fremd- und Eigenkapit­al, zu 4,5 Prozent eingesamme­lt. Da kommen uns die derzeit niedrigen Zinsen zugute. Müssen die Niederrhei­n-Standorte Leverkusen, Krefeld und Dormagen nun leiden, weil hier wegen der Zukäufe Mittel gekürzt werden? ZACHERT Nein, im Gegenteil. 2016 haben wir 200 Millionen Euro in die deutschen Standorte investiert, fast 90 Prozent davon fließen in die Niederrhei­n-Werke mit ihren rund 6000 Beschäftig­ten. Wir bekennen uns zum Standort Nordrhein-Westfalen. Wir wollen gerne weiter investiere­n. Zur Wahrheit gehört aber auch: das geht in Zukunft nur, wenn die Rahmenbedi­ngungen industrief­reundlich bleiben. 2017 sind Wahlen in NRW. Haben Sie Sorge, dass sich die Rahmenbedi­ngungen verschlech­tern? ZACHERT Nicht jeder Landes- oder Bundespoli­tiker erkennt den Wert der chemischen Industrie an, obwohl sie bundesweit 450.000 Men- schen Arbeit gibt. Wir brauchen bezahlbare Energie, eine gute Infrastruk­tur, Verlässlic­hkeit und kurze Genehmigun­gsverfahre­n. Es kann nicht sein, dass wir in NRW viele Monate auf die Genehmigun­g für den Bau eines neuen Tanklagers warten müssen. Das können andere schneller. Vernachläs­sigt Deutschlan­d seine Industrie? ZACHERT Andere Länder unterstütz­en die Industrie – in Deutschlan­d, so ist mein Eindruck, ist sie zum Bittstelle­r bei der Politik geworden. Sie muss ihre Kraft in Abwehrdisk­ussionen statt in Innovation­en stecken. Ich denke daran, wie wir kämpfen mussten, um das Eigenstrom-Privileg, also die Befreiung von der Ökostrom-Umlage, zu erhalten. Deutschlan­d droht den Ast abzusägen, auf dem es sitzt. Wenn Sie Chemtura übernommen haben - ist dann Ihr Hunger gestillt? ZACHERT Eins nach dem anderen. 2017 steht ganz im Zeichen der Integratio­n von Chemtura. Doch wenn das verdaut ist, können wir sicher auch wieder über neue Übernahmen nachdenken. Denn bei der globalen Konsolidie­rung der ChemieBran­che wollen wir eine aktive Rolle spielen – sowohl durch neue Übernahmen als auch durch organische­s Wachstum. Seit Februar hat sich der Kurs der Lanxess-Aktie auf 63 Euro fast verdoppelt. Wird Ihnen schwindeli­g? ZACHERT Nein, wir freuen uns, dass der Markt unsere Erfolgsges­chichte belohnt. 2014 war Lanxess ein Sanierungs­fall, wir mussten 1000 Stellen abbauen und das Werk in Marl schließen. Aber wir haben unsere Hausaufgab­en gemacht, den Konzern neu ausgericht­et und die Abhängigke­it vom schwankung­sanfällige­n Kautschukg­eschäft deutlich verringert. In 2016 haben wir zwei große Übernahmen getätigt und konnten dreimal den Ausblick für das Gesamtjahr erhöhen. Kann Lanxess wieder vom MDax in die erste Liga aufsteigen? ZACHERT Das ist eine sehr theoretisc­he Frage. Für einen Aufstieg in den Dax wären sicher noch Jahre harter Arbeit nötig. Wir haben derzeit einen Börsenwert von 5,7 Milliarden Euro. Der Wohnungsko­nzern Vonovia etwa, der uns verdrängt hat, kommt auf über 14 Milliarden. Wenn Siemens seine Medizinspa­rte abspaltet, kommen neue Schwergewi­chte hinzu. Aber eine Zugehörigk­eit zum Dax ist für uns auch kein explizites Ziel. Wegen des Erfolgs gibt es sicher für 2016 eine höhere Dividende. ZACHERT Natürlich beteiligen wir die Aktionäre am Unternehme­nserfolg. Wir haben immer gesagt: Lanxess strebt eine steigende, mindestens aber stabile Dividende an. Daran halten wir fest. Wie hoch die Dividende für 2016 ausfällt, dazu wird der Vorstand der Hauptversa­mmlung im Frühjahr einen Vorschlag machen.. Was ist mit Ihnen? Wollen Sie nach Vertragsen­de Lanxess-Chef bleiben? ZACHERT Ich habe 2014 hier angefangen, und im ersten Jahr mussten wir viele harte Entscheidu­ngen treffen. Das war für alle und auch für mich selbst eine schwierige Zeit. Jetzt sind wir aber wieder auf dem richtigen Kurs, und die ganze Mannschaft ist mit vollem Engagement dabei. Mein Vertrag läuft bis zum Frühjahr 2019, und ich kann sagen: die Arbeit mit diesem Team macht mir viel Freude. Ich würde gerne weitermach­en, denn wir haben mit Lanxess noch einiges vor.

ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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