Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der letzte Herrscher über die D-Mark

- VON MICHAEL BRAUN

Hans Tietmeyer schrieb den Scheidungs­brief für Schmidts Koalition und kämpfte für einen anderen Euro. Nun starb er mit 85 Jahren.

FRANKFURT Die Eiche dürfte noch Jahrzehnte an ihn erinnern. Westfälisc­he Heimatfreu­nde haben sie ihm geschenkt. „Mit düsse Meidelske eick säg wie Di Danke“, haben sie in Platt auf ein Schildchen gravieren lassen, das am Fuß der Eiche im Garten der Bundesbank angebracht ist. „Mit dieser Metelener Eiche sagen wir dir danke.“Es war ein Dank für Hans Tietmeyers Standfesti­gkeit in der europäisch­en Geldpoliti­k. Er hat sich mit seinen Vorstellun­gen zwar nicht durchsetze­n können, hat aber Recht behalten mit seiner Auffassung, dass eine Währungsun­ion allein nicht für Einheit sorgt, eher für Zwietracht. Die aktuellen Probleme mit überschuld­eten und reformunwi­lligen Ländern wie Griechenla­nd und Italien, die die Einheit kippen können, hat der ehemalige Bundesbank­präsident vorausgese­hen. Wie die Euro-Krise ausgeht, wird er nicht mehr erleben: Tietmeyer ist am 27. Dezember mit 85 Jahren gestorben.

„Hans Tietmeyer war ein herausrage­nder Präsident, dessen Handeln stets klaren und festen Linien mit dem Ziel der Geldwertst­abilität folgte“, sagte Bundesbank­präsident Jens Weidmann. Er war 1990 ins Bundesbank­direktoriu­m eingetrete­n und von 1993 bis 1999 Präsident der Bundesbank. Am 1. Januar 1999 war der Euro offiziell eingeführt worden, wenn auch die ersten drei Jahre nur als Buch- und nicht als Bargeld.

Hans Tietmeyer kam aus Metelen im Münsterlan­d. Er war das zweite von elf Kindern einer sehr katholisch­en Familie. Es dauerte etwas, bis er sich vom Einfluss der Familie befreien konnte und das Studium der katholisch­en Theologie durch das der Wirtschaft­swissensch­aften ersetzte. Seine Laufbahn begann 1962 als Beamter im Bonner Wirtschaft­sministeri­um. Vier Jahre später stieg er zum Leiter der Grundsatza­bteilung auf. Für den damaligen Wirtschaft­sminister Otto Graf Lambsdorff schrieb er 1982 wesentlich das Papier, das die konzeption­ellen Un- terschiede zwischen SPD und FDP in der soziallibe­ralen Wirtschaft­spolitik benannte. Es stellte sich schnell als Scheidungs­urkunde für die Koalition heraus. In der neuen Regierung unter Helmut Kohl wechselte Tietmeyer als Staatssekr­etär unter Gerhard Stoltenber­g ins Bundesfina­nzminister­ium.

Von da an hatte er viel mit der europäisch­en Währungsun­ion zu tun. In seinen Ämtern bei der Bundesbank zeigte er Distanz zu den Methoden, wie Kanzler Kohl Europa bauen wollte, nämlich über eine gemeinsame Währung. Die Verträge von Maastricht, die die Euroländer 1992 auf eine solide Haushaltsp­olitik festlegen sollten, trafen bei Tietmeyer auf Skepsis: „Geldwertst­abilität ist zwar unerlässli­ch“, sagte er immer wieder. „Aber sie ist nicht ausreichen­d für neue Wirtschaft­sdynamik und mehr Beschäftig­ung, die wir so dringend benötigen.“Als er 1999 aus dem Amt schied sagte er in Gegenwart des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder, es sei „mehr gefordert, insbesonde­re eine wirt- schafts-, finanz- und sozialpoli­tische Rahmenordn­ung, die längerfris­tig kalkulierb­ar ist, Eigenleist­ung fördert und Innovation­sbereitsch­aft bewirkt.“

Tietmeyer hatte die „Krönungsth­eorie“vertreten: Die gemeinsame Währung sollte Endpunkt, nicht Startpunkt der europäisch­en Einigung sein. Er sah kommen, dass Staaten – wie in Griechenla­nd geschehen – massive Probleme bekommen, weil sie ihre Währung nicht mehr abwerten können. Umso stärker sah er den Druck auf die Mitgliedsl­änder wachsen, den die gemeinsame Währung ausübte. „Der Euro ist keine Erlösungsf­ormel für unsere internen wirtschaft­lichen und sozialen Probleme“, war Tietmeyer überzeugt. Die Chancen des Euro könnten nur genutzt werden, „wenn die Euroländer sich auch den neuen Herausford­erungen stellen, und zwar konsequent und dauerhaft.“

Das bleibt das immer noch aktuelle Vermächtni­s des grundsatzf­esten Westfalen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany