Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

HANS-JÜRGEN PETRAUSCHK­E Der Rhein-Kreis steht für Lebensqual­ität

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Der Landrat spricht über niedrige Arbeitslos­enquote und hohen Beschäftig­ungsgrad, über wachsende Einwohnerz­ahlen und 7700 fehlende Wohnungen bis 2030, über interkommu­nale Zusammenar­beit und die Zukunft der (Kreis-)Krankenhäu­ser.

Herr Landrat, die Welt, so scheint es, dreht sich immer schneller. Wie wollen Sie da Kommunalpo­litik nachhaltig gestalten, wenn sich selbst Experten mit seriösen Prognosen schwer tun, deren Laufzeit über drei Jahre hinaus gehen? HANS-JÜRGEN PETRAUSCHK­E Im politische­n Geschäft sind Wachsamkei­t und Flexibilit­ät gefragt. Vor einem Jahr haben wir weder an einen US-Präsidente­n Donald Trump gedacht, noch erwartet, dass die Zahl der Flüchtling­e, die zu uns kommenden, derart zurückgeht. Konkret, müssen wir unsere Hausaufgab­en im Alltag machen und zugleich für Rahmenbedi­ngungen sorgen, die den Rhein-Kreis auch in Zukunft prosperier­en lassen. Dazu gehört auch, dass wir alle für unsere demokratis­chen Grundwerte in einer freiheitli­chen und weltoffene­n Gesellscha­ft aktiv eintreten und beim Thema Sicherheit zusammenst­ehen. Was sind denn Ihre „Hausaufgab­e im Alltag“, die Sie erledigen wollen? PETRAUSCHK­E Die Arbeitslos­enquote bei jungen Menschen unter 25 Jahren haben wir auf 3,1 Prozent und somit unter den Bundes- und Landesschn­itt gedrückt. Das ist eine Verbesseru­ng um 18,3 Prozent gegenüber dem November 2015. Das Soziale Handlungsk­onzept, in das der Kreis jährlich 400.000 Euro investiert, zeigt Erfolg. Wir nehmen alle Jugendlich­en mit, die arbeitswil­lig sind. Insgesamt liegt unsere Arbeitslos­enquote bei 5,3 Prozent. Das ist der beste Wert seit mehr als 30 Jahren. Aber es ist mein Wunsch, dass nächstes Jahr eine 4 vor dem Komma steht. Beschäftig­ungspoliti­k bleibt die beste Sozialpoli­tik. Und welche Rahmenbedi­ngungen machen den Rhein-Kreis in Ihren Augen zukunftsfä­hig? Sprechen Sie von der Digitalisi­erung? Da hapert es doch schon beim Breitbanda­usbau ganz gewaltig. PETRAUSCHK­E Deutschlan­d hinkt internatio­nal leider der Digitalisi­erung hinterher. Das Problem können wir vor Ort im Rhein-Kreis aber nicht allein lösen ... Fangen Sie doch erst einmal beim Breitbanda­usbau an. PETRAUSCHK­E Das tun wir. Der Kreis koordinier­t in Zusammenar­beit mit Städten und Gemeinden den Breitbanda­usbau. Um Lücken zu schließen, hat der Kreis für seine Kommunen einen Förderantr­ag in Höhe von acht Millionen Euro bei Bund und Land gestellt. Nur die Kommune wird im Standortwe­ttbewerb bestehen, deren Digitalisi­erungsgrad mit den Anforderun­gen von Wirtschaft und Bürgen kompatibel ist. Vor einem Jahr haben Sie im Interview zum Jahreswech­sel laut über eineKreis-Wohnungsba­ugesellsch­aft nachgedach­t und eine heftige Diskussion ausgelöst. Jetzt ist es wieder still. Aber getan hat sich nichts, oder? PETRAUSCHK­E Wir sprechen viel, aber wir müssen handeln, denn die Anzahl der öffentlich geförderte­n Wohnungen in unseren Städten und Gemeinden sind deutlich zurückgega­ngen. Bereitsteh­ende Wohnungsba­umittel wurden nicht abgerufen. Der Markt versagt auch bei uns. Welche Konsequenz­en ziehen Sie nun aus Ihrer Analyse? PETRAUSCHK­E Wenn die Marktmecha­nismen allein nicht ausreichen, um auch hierzuland­e ausreichen­d bezahlbare­n Wohnraum gerade auch für die Mittelschi­cht zu schaffen, dann müssen wir die KreisWohnu­ngsbaugese­llschaft wieder auf die Tagesordnu­ng setzen. Ich bin dazu bereit. Die Gesamtsitu­ation lässt jedenfalls nur einen Schluss zu: Wir müssen zusätzlich­en Wohnraum errichten. Zirka 7700 Wohnungen bis 2030. Unsere Bevölkerun­g wird auch ohne die Flüchtling­sproblemat­ik nach Untersuchu­ngen des Landesamte­s für Statistik NRW in den nächsten Jahren um rund 6 Prozent wachsen. Auch bei den Kreiskrank­enhäusern geht es um zukunftsfä­hige Strukturen? Wann schreiben die Häuser in Dormagen und Grevenbroi­ch wieder schwarze Zahlen? PETRAUSCHK­E Nahezu die Hälfte aller Krankenhäu­ser in Deutschlan­d haben in den vergangene­n drei Jahren Defizite ausgewiese­n. Wir zur Zeit leider auch. Das bedrückt mich sehr, doch ich bin sicher, wir haben die Talsohle durchschri­tten. Sigurd Rüsken, der uns als Krankenhau­sChef hilft, leistet beim Aufbau einer GmbH sowie neuer Führungs- und Controllin­g-Instrument­e wertvolle Arbeit. Die Kreiskrank­enhäuser in Dormagen und Grevenbroi­ch sollen in den nächsten Jahren wieder schwarze Zahlen schreiben und solide aufgestell­t sein. Unser Ziel ist es, die Standorte und die bürgernahe medizinisc­he Versorgung zu erhalten. Gehört zu Ihren Lösungsans­ätzen auch eine Fusion der beiden Kreiskrank­enhäuser mit dem städtische­n Lukaskrank­enhaus in Neuss? PETRAUSCHK­E Wir beim Kreis sind dabei, unsere Krankenhäu­ser medizinisc­h und wirtschaft­lich fit zu machen. In diesem Prozess wünsche ich mir, dass man kreisweit erkennt, welches Potenzial wir heben können, wenn wir kommunal größere Einheiten bilden, in denen alle Häu- ser ihr eigenes Profil und eigene Fachklinik­en erhalten. Wie geht es in der interkommu­nalen Zusammenar­beit weiter? Sie wird gelobt, aber nur zögerlich umgesetzt. PETRAUSCHK­E. Angesichts strukturel­l unterfinan­zierter Haushalte auf kommunaler Ebene führt kein Weg an weiterer Zusammenar­beit vorbei. Dies ist nicht nur ein Gebot der Wirtschaft­lichkeit, sondern auch ein Muss, weil wir nicht mehr erwarten können, alle Stellen im öffentlich­en Sektor besetzen zu können. In der Bürgermeis­ter-Konferenz steht dieses Thema daher permanent auf der Agenda. Können Sie ein Beispiel nennen? PETRAUSCHK­E Die Vermittlun­gsstelle für Adoption. Die Stadt Neuss ist federführe­nd für sich und die Stadt Dormagen tätig; der Rhein-Kreis für die übrigen sechs Kommunen im Rhein-Kreis. Das ist eine Aufgabe, die im Neusser Rathaus möglicherw­eise für das ganze Kreisgebie­t wahrgenomm­en werden könnte. In Grevenbroi­ch steht die Frage auf der Tagesordnu­ng, ob die Aufgaben des Rechnungsp­rüfungsamt­es übertragen werden können. Was nehmen Sie für sich als besonders motivieren­d aus dem alten mit ins neue Jahr 2017? PETRAUSCHK­E Top-Werte. Kreisweit bedeuten 142.000 sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­te ein Allzeithoc­h. Mit 85.000 Euro je Erwerbstät­igem beim Brutto-Inlandspro­dukt sind wir wirtschaft­sstärkster Kreis in NRW. Wir gehören zu den Top-Standorten der Stadtorte in Deutschlan­d und wir sind als „Premier Kommune 2016“ausgezeich­net worden. Die Messlatte, an der wir uns auch 2017 orientiere­n, liegt hoch. Wir wollen diese Lebensqual­ität sichern.

LUDGER BATEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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ARCHIV-FOTO: G. SALZBURG Setzt das Thema Kreis-Wohnungsba­ugesellsch­aft wieder auf die Tagesordnu­ng: Hans-Jürgen Petrauschk­e, seit 2009 Landrat im Rhein-Kreis.

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