Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Das Ritual einer provozierenden CSU
Die Bilder von CSU-Politikern im verschneiten Wildbad Kreuth werden an diesem Jahresanfang fehlen. Das Bildungszentrum wird saniert, deshalb zieht die CSU-Landesgruppe vom Tegernsee zum Chiemsee. Ins dortige Kloster Seeon nimmt sie aber den vielzitierten „Geist von Kreuth“mit: deutliche, zuweilen krachlederne Eigenständigkeit. Und das verbunden mit einem Ritual: Die CSU stößt mit Forderungen in die nachrichtenarme Jahreswendezeit, die viele Menschen und vor allem die politischen Gegner provozieren. Doch eine Weile später folgt eine Bundestagsmehrheit genau diesen Forderungen: von Einschränkungen bei Sozialleistungen für EU-Ausländer bis zu schärferen Abschieberegelungen.
Wenn die CSU nun Flüchtlinge im Mittelmeer aus Seenot retten, dann aber in Afrika und nicht in Europa an Land bringen will, dann ist auch das mehr als einen Reflex wert. Jedenfalls wäre es geeignet, den Schleppern ihr zynisch-menschenverachtendes Handwerk zu legen. Und sicherlich rückt in den Beziehungen zwischen EU und Türkei der Tag näher, an dem verpasste Chancen und fehlende Hoffnungen nicht mehr bedauert werden, sondern es um einen alternativen Neuanfang geht. BERICHT CSU FORDERT STOPP DER
Überforderte Behörden
Die einst so hoch gelobte deutsche Bürokratie scheitert an den Herausforderungen der Flüchtlingskrise. Was in der Silvesternacht mit Fehlplanung und Ohnmacht der Kölner Polizei begann, hat sich im Laufe des Jahres zu einem kaum fassbaren Organisationsversagen gesteigert.
Erst wurden die Flüchtlinge lückenhaft erfasst, später stellte sich heraus, dass nicht wenige unter falschen Namen mehrfach registriert wurden. Der Berg der Asylanträge wächst, obwohl die Zahl der Zugereisten sinkt. In der Terrorabwehr gibt es, so zeigte sich beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin, erhebliche, kaum nachvollziehbare Sicherheitslücken. Wie kann es sein, dass der mutmaßliche Attentäter Amri zwar als Gefährder bekannt war, sich aber frei im Land bewegen konnte?
Bis 2016 galten die Deutschen weltweit als Meister im Organisieren. Am Ende des Jahres steht fest, dass es an Professionalität mangelt. Unserer Bürokratie fehlt es offensichtlich an fähigen Krisenmanagern und Kommunikationsstrategen. So ist im neuen Jahr kein Staat zu machen. BERICHT
Abschiebe-Boomerang
Die Landesregierung hat die Tragweite der Abschiebung von zehn Afghanen aus NRW nach Kabul vor rund zwei Wochen unterschätzt. Zuerst trat die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen zurück und löste eine bis heute andauernde Koalitionskrise aus. Dann protestierten namhafte Repräsentanten der Kirchen. Und jetzt verweigert aus Protest gegen die Abschiebung auch noch Barbara Gladysch die Annahme des höchsten Ordens des Landes. Ein Paukenschlag. Die Friedensaktivistin ist eine international renommierte moralische Instanz.
Unabhängig von der Frage, ob die Abschiebungen nach Afghanistan richtig waren: Fest steht, dass die Landesregierung sich dabei eine schwere Kommunikationspanne geleistet hat. Sie hätte die Maßnahme zumindest erklärend begleiten müssen. Stattdessen versucht sie bis heute, das Thema totzuschweigen. Was erkennbar nicht funktioniert. Es wird Zeit für eine Erklärung der Regierungschefin. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat schon aus nichtigeren Anlässen die Öffentlichkeit gesucht. BERICHT