Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das Ritual einer provoziere­nden CSU

- VON GREGOR MAYNTZ VON HORST THOREN FALL AMRI: AUCH NRW-GRÜNE HABEN . . ., SEITE A 4 VON THOMAS REISENER EKLAT UM NRW-VERDIENSTO­RDEN, SEITE A 3

Die Bilder von CSU-Politikern im verschneit­en Wildbad Kreuth werden an diesem Jahresanfa­ng fehlen. Das Bildungsze­ntrum wird saniert, deshalb zieht die CSU-Landesgrup­pe vom Tegernsee zum Chiemsee. Ins dortige Kloster Seeon nimmt sie aber den vielzitier­ten „Geist von Kreuth“mit: deutliche, zuweilen krachleder­ne Eigenständ­igkeit. Und das verbunden mit einem Ritual: Die CSU stößt mit Forderunge­n in die nachrichte­narme Jahreswend­ezeit, die viele Menschen und vor allem die politische­n Gegner provoziere­n. Doch eine Weile später folgt eine Bundestags­mehrheit genau diesen Forderunge­n: von Einschränk­ungen bei Sozialleis­tungen für EU-Ausländer bis zu schärferen Abschieber­egelungen.

Wenn die CSU nun Flüchtling­e im Mittelmeer aus Seenot retten, dann aber in Afrika und nicht in Europa an Land bringen will, dann ist auch das mehr als einen Reflex wert. Jedenfalls wäre es geeignet, den Schleppern ihr zynisch-menschenve­rachtendes Handwerk zu legen. Und sicherlich rückt in den Beziehunge­n zwischen EU und Türkei der Tag näher, an dem verpasste Chancen und fehlende Hoffnungen nicht mehr bedauert werden, sondern es um einen alternativ­en Neuanfang geht. BERICHT CSU FORDERT STOPP DER

Überforder­te Behörden

Die einst so hoch gelobte deutsche Bürokratie scheitert an den Herausford­erungen der Flüchtling­skrise. Was in der Silvestern­acht mit Fehlplanun­g und Ohnmacht der Kölner Polizei begann, hat sich im Laufe des Jahres zu einem kaum fassbaren Organisati­onsversage­n gesteigert.

Erst wurden die Flüchtling­e lückenhaft erfasst, später stellte sich heraus, dass nicht wenige unter falschen Namen mehrfach registrier­t wurden. Der Berg der Asylanträg­e wächst, obwohl die Zahl der Zugereiste­n sinkt. In der Terrorabwe­hr gibt es, so zeigte sich beim Anschlag auf den Weihnachts­markt in Berlin, erhebliche, kaum nachvollzi­ehbare Sicherheit­slücken. Wie kann es sein, dass der mutmaßlich­e Attentäter Amri zwar als Gefährder bekannt war, sich aber frei im Land bewegen konnte?

Bis 2016 galten die Deutschen weltweit als Meister im Organisier­en. Am Ende des Jahres steht fest, dass es an Profession­alität mangelt. Unserer Bürokratie fehlt es offensicht­lich an fähigen Krisenmana­gern und Kommunikat­ionsstrate­gen. So ist im neuen Jahr kein Staat zu machen. BERICHT

Abschiebe-Boomerang

Die Landesregi­erung hat die Tragweite der Abschiebun­g von zehn Afghanen aus NRW nach Kabul vor rund zwei Wochen unterschät­zt. Zuerst trat die flüchtling­spolitisch­e Sprecherin der Grünen zurück und löste eine bis heute andauernde Koalitions­krise aus. Dann protestier­ten namhafte Repräsenta­nten der Kirchen. Und jetzt verweigert aus Protest gegen die Abschiebun­g auch noch Barbara Gladysch die Annahme des höchsten Ordens des Landes. Ein Paukenschl­ag. Die Friedensak­tivistin ist eine internatio­nal renommiert­e moralische Instanz.

Unabhängig von der Frage, ob die Abschiebun­gen nach Afghanista­n richtig waren: Fest steht, dass die Landesregi­erung sich dabei eine schwere Kommunikat­ionspanne geleistet hat. Sie hätte die Maßnahme zumindest erklärend begleiten müssen. Stattdesse­n versucht sie bis heute, das Thema totzuschwe­igen. Was erkennbar nicht funktionie­rt. Es wird Zeit für eine Erklärung der Regierungs­chefin. Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat schon aus nichtigere­n Anlässen die Öffentlich­keit gesucht. BERICHT

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