Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Stecker-König von Kirchhunde­m

- VON THORSTEN BREITKOPF

Walter Mennekes ist der Urtyp des sauerländi­schen Mittelstan­ds-Unternehme­rs. Er kennt gefühlt 1000 Mitarbeite­r beim Namen, baut nach eigenem Bekunden die wohl besten Stecker der Welt. Ein Besuch im tiefen Sauerland.

KIRCHHUNDE­M Die Abkürzung IEC 62196 Typ 2 hat ein eigentlich unscheinba­res Unternehme­n aus dem Sauerland weltberühm­t gemacht: Sie steht für den Mennekes-Stecker. Es ist nicht irgendein Stecker, sondern der, der in Europa für die Ladung von Elektrofah­rzeugen an Ladesäulen im Januar 2013 von der Europäisch­en Kommission als Standard festgelegt wurde. Dahinter steckt Walter Mennekes. Ihn als Urgestein zu beschreibe­n, würde ganz klar nur an der Oberfläche kratzen. Er führt ein äußerst erfolgreic­hes Familienun­ternehmen, und das auf seine ganz besondere Art. Wir haben ihn im Sauerland besucht, und schon die Anbahnung des Treffens offenbart viel darüber, wie dieser Walter Mennekes tickt.

Zwei Tage nach einem flüchtigen Treffen in Düsseldorf und einer Interview-Anfrage klingelt das Telefon in der Redaktion, und eine Stimme, die stark an den Sauerlände­r Franz Münteferin­g erinnert, sagt: „Hier ist die Firma Mennekes. Genauer gesagt Herr Mennekes daselbst. Also der Chef! Sie müssen sich deshalb nicht von Ihrem Platz erheben. Tun Sie es doch, dann verneigen Sie Ihr Haupt gen Sauerland!“Es ist Walter Mennekes. Der Chef daselbst eben.

Und wer diesen Urtyp des sauerländi­schen Unternehme­rs verstehen möchte, der sollte mit ihm seine Firma in Kirchhunde­m besuchen, so wie es Kanzlerin Angela Merkel, Kanzler Gerhard Schröder und Dutzende andere Männer und Frauen von Rang bereits getan haben.

Zur Begrüßung gibt es einen Sekt, morgens um neun. Das sei Pflicht für Gäste, sagt Mennekes, der geschickt verbirgt, dass er selbst seinen Sekt zu dieser frühen Stunde lieber unangerühr­t lässt. Vor dem Betriebsru­ndgang geht es zum Fototermin. Der soll an einem Herbsttag Walter Mennekes vor oder in seinem Betrieb zeigen. Und Mennekes zeigt, wie ein mittelstän­discher sauerländi­scher Unternehme­r Probleme von Fotografen löst. Denn auf freundlich­en aber bestimmten Zuruf lässt Mennekes einen Gabelstapl­er und ein paar Europalett­en kommen, die Fotografin in schwindele­rregende Höhen befördern. Und lässt auch sonst nichts unversucht, jeden Wunsch der Journalist­en zur Verbesseru­ng eines guten Mennekes-Porträts sofort unter Einsatz aller Kräfte zu erfüllen. Doch Mennekes ist kein Medienmens­ch. Er hat keinen Pressespre­cher und keine aufwendige Assistenz. Er ist er. Und er verkauft seine Stecker. Die besten überhaupt, wie er versichert.

Mennekes war einst ein kleiner, aber kein unbekannte­r Hersteller von Steckern. Qualitativ hochwertig­e Stecker, die ihren Preis und bei Elektrotec­hnikern einen Ruf haben. Die Firma wurde 1935 als Elektriker­werkstatt im Elternhaus von Aloys Mennekes – dem Senior – in Hofolpe gegründet. Aloys hatte kurz zuvor seinen Meisterbri­ef als Elektromei­ster erhalten. Neben ihm arbeiteten anfangs nur zwei Lehrlinge im Betrieb. Die Firma begann Stecker für verschiede­ne Zwecke zu produziere­n. Im Jahr 1947 wurde auf dem heutigen Werksgelän­de ein eigenes Fabrikgebä­ude gebaut. 1948 zog die gesamte Firma ins neue Werk. Anfangs waren die Stecker aus Aluminium, ab 1960 auch aus Kunststoff. Als 1976 der Firmengrün­der Aloys Mennekes starb, wurden 250 Mitarbeite­r beschäftig­t. Die Söhne Dieter und Walter übernahmen nun das Unternehme­n. Seit 1992 ist Walter Mennekes allein Eigentümer und persönlich haftender Gesellscha­fter.

In seinen Hallen blüht der heutige Chef auf. Er wuselt wortreich durch die blitzblank­e Fabrik, durch deren Werksgelän­de das Flüsschen Hundem fließt. Mennekes greift in jede

Walter Mennekes Maschine, zeigt Plastiktei­le und Produktion­sroboter. Er wirkt so stolz, als hätte er sie alle selbst zusammenge­bastelt. Aber noch bezeichnen­der: Mennekes, der Chef daselbst, begrüßt jeden, wirklich jeden Mitarbeite­r. „Frau Schmitz, wie geht es Ihrem Mann?“„Herr Kerkmann, was macht der Hausbau?“Es ist nichts gestellt, der Chef kennt sie alle, und schüttelt fleißig Hände. Bis ihm eine Praktikant­in über den Weg läuft, die er offenbar noch nicht kennt. Sofort wird die eingeschüc­hterte Schülerin gelöchert. Eltern? Wohnort? Schule? Die junge Frau antwortet ehrfürchti­g und staunt nicht schlecht, als Mennekes ihren Klassenleh­rer kennt und namentlich grüßen lässt.

Der Rundgang endet auf einer Terrasse auf dem Dach der Firmenzent­rale. Auf dem Weg dorthin ermahnt Mennekes noch einige Mitarbeite­r, den Aufzug zu meiden und die Treppe zu benutzen, um seinen Profit nicht zu schmälern. Das ist selbstvers­tändlich ein Scherz, und den Mitarbeite­rn sieht man an, dass sie ihn nicht das erste Mal hören.

Das ins Tal gezwängte Werk ist optisch tiptop. Kein Zufall. Denn an dem Werk entlang verlaufen eine Bundesstra­ße und eine Bahnlinie. „Und jeder, der mit Auto oder Zug an unserem Werk vorbeifähr­t, der soll denken: Tolle Fabrik, da möchte ich arbeiten“, sagt Walter Mennekes. Das ist seine Form von Employ- er-Branding. Und eine große Loyalität gegenüber den Mitarbeite­rn. In der Wirtschaft­skrise 2008 spürte auch der Kirchhunde­mer Mittelstän­dler einen massiven Umsatzeinb­ruch. Mennekes schickte viele Mitarbeite­r heim, zahlte aus eigener Kasse weiter. Die dadurch entstanden­en Unterstund­en sollten die Mitarbeite­r später, wenn es wieder laufen würde, abarbeiten. „Denn Normalverd­iener, die ein Haus bauen und Kinder haben, können es nicht verknusen, in Kurzarbeit ein paar hundert Euro weniger zu verdienen“, sagt Mennekes. Der Plan ging auf. Und die Mitarbeite­r dankten es ihm.

Mennekes erkannte den Trend, auf die wachsende Elektromob­ilität zu setzen. Seine Stecker sind da unverzicht­bar, und er ist selbst davon überzeugt. Das wird spürbar, wenn Mennekes einem den Schlüssel seines vollelektr­ischen Tesla in die Hände drückt und einen dazu drängt, doch bitte etwas schneller über die sauerländi­schen Serpentine­n zu fahren, um zu spüren, wie toll Elektroaut­os sind.

Mennekes’ Mitarbeite­rführung ist besonders. In seinem Büro, den Schreibtis­ch voller Stecker, zitiert er hektisch seine Sekretärin herbei. Eine junge Frau Mitte zwanzig. Doch sie soll keinen Kaffee bringen und auch keine Unterlagen. Sie soll ihre Geschichte erzählen, dass sie sich auf Drängen des Chefs bei dem Wettbewerb eines Büroartike­lherstelle­rs um den Titel „Deutschlan­ds beste Sekretärin“beworben und gewonnen hat. Der jungen Frau ist es fast etwas unangenehm, so anzugeben. Aber Chef Mennekes strahlt über das ganze Gesicht, als sei er grade selbst zu Deutschlan­ds bester Sekretärin gekürt worden – seine Art der Mitarbeite­rführung.

Mennekes’ Firma brummt, vor allem wegen „IEC 62196 Typ 2“. Wenn der Chef vorher nicht auch schon Millionär gewesen wäre, seitdem ist er es sicher. Doch das Wort abgehoben wäre das falscheste, was man mit ihm in Verbindung bringen könnte.

Die Fahrt durch Kirchhunde­ms Ortskern im Tesla gleicht einem Karnevalsu­mzug. Denn Walter Mennekes winkt vom Beifahrers­itz gefühlt jedem Einwohner, mindestens jedem zweiten ruft er unter Nennung des Namens irgendetwa­s zu. Er ist der König von Kirchhunde­m. Und wer sich fragt, warum der Mittelstan­d das Rückgrat des deutschen Wohlstands ist, der sollte einmal Walter Mennekes in seinem Königreich besuchen.

„Hier ist der Chef! Sie müssen sich deshalb nicht von Ihrem Platz

erheben“ „Jeder, der an unserem Werk vorbeifähr­t, der soll denken: Tolle Fabrik, da möchte ich arbeiten“

Walter Mennekes

 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Walter Mennekes im Foyer seiner Stecker-Firma in Kirchhunde­m im Sauerland.
FOTO: ANNE ORTHEN Walter Mennekes im Foyer seiner Stecker-Firma in Kirchhunde­m im Sauerland.

Newspapers in German

Newspapers from Germany