Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
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ESSEN Vor einem Jahr hat Eon sich aufgespalten und die Zentrale von Düsseldorf nach Essen verlegt. Im modernen Glasturm an der A 52 treffen wir Eon-Chef Johannes Teyssen. Sein Blick fällt durch bodentiefe Fenster auf den Turm des Konkurrenten RWE. An der Wand hängt ein Bild von Gerhard Richter, auf dem Grün dominiert. Umbruchzeiten. Jüngst wurde der Atompakt besiegelt, ein historischer Schritt. Die Konzerne geben die Verantwortung für die Endlagerung ab. Sind Sie erleichtert? TEYSSEN Ja, damit hat Deutschland einen erbitterten, Jahrzehnte langen Streit beigelegt. Dafür sind wir dankbar, wenngleich der Preis, den wir zahlen müssen, sehr hoch ist. Kritiker sagen, jetzt sozialisieren die Atomkonzerne die Kosten, nachdem sie Jahrzehnte lang die Gewinne privatisierten. TEYSSEN So groß waren die Gewinne der Kernkraft nicht – ihre Kapitalrendite war überwiegend staatlich kontrolliert und lag unter zehn Prozent. Für die Rendite von Kernkraftwerken hätten BASF oder Bayer nie investiert. Und Kernkraft war für das Wachstum der deutschen Industrie nötig: So viel Kohlekraftwerke hätten wir einst gar nicht bauen können, um den Stromhunger der Industrie in den siebziger und achtziger Jahren zu stillen. Eon muss zehn Milliarden an den Atomfonds zahlen. Haben Sie so viel? TEYSSEN Wir können den Scheck ausstellen – und zwar ohne Ratenzahlung. Wir haben konservativere Rückstellungen gebildet: Bei uns beträgt der Risikozuschlag 25 Prozent, im Schnitt der Branche sind es 35 Prozent. Der Staat will Bargeld sehen. Wo nehmen Sie es her? TEYSSEN Wir haben 14 Milliarden Euro an flüssigen Mitteln. Sie sind zwar nicht vollständig kurzfristig verfügbar. Davon werden wir aber einen großen Teil bestreiten. Die Mittel für die zwei Milliarden an Risikoprämie werden wir über eine Kapitalmaßnahme beschaffen. Eine größere Kapitalerhöhung für Eon schließen Sie aber aus ... TEYSSEN Ja, wir schließen eine große Kapitalerhöhung mit Börsenprospekt aus. Noch ist sonst nichts entschieden. Hybridanleihen, Wandelanleihen auf Uniper-Aktien, aber auch andere Maßnahmen sind denkbar. Es ist auch möglich, dass wir neue Eon-Aktien im Rahmen des genehmigten Kapitals von zehn Prozent des Grundkapitals ausgeben. Beim gegenwärtigen Kursniveau würde uns das mehr als eine Milliarde Euro einbringen. Union, SPD und Grüne fordern, dass Sie als Beitrag zum Rechtsfrieden nun alle Klagen rund um Atomkraft fallen lassen. Sind Sie dazu bereit? TEYSSEN Wir sind der Bundesregierung hierbei entgegen gekommen und lassen rund 20 Klagen fallen, die nicht im Zusammenhang mit dem Atomausstieg nach Fukushima stehen. Die Klagen gegen die Kernbrennstoffsteuer haben aber mit den Lagerfragen nichts zu tun. An ihnen halten wir fest. Wir haben rund 2,8 Milliarden für diese Steuer bezahlt. Wir werden natürlich nach dem jüngsten Urteil des Verfassungsgerichts auch den Schadenersatz geltend machen, wenngleich wir hier nicht mit einem Milliardenbetrag rechnen. Dieses Thema hat keine Eile. Eon ist an der Börse nur noch 13 Milliarden Euro wert, es waren mal über 100 Milliarden. Haben Sie nicht Angst, übernommen zu werden? TEYSSEN Nein, Eon ist kein Übernahmekandidat. Aber unabhängig davon ist das Interesse von Investoren grundsätzlich ein gutes Zeichen: Es zeigt, dass Eon ein interessantes Unternehmen ist. Bei mir klopfen regelmäßig Investoren an, die Vorstand und Strategie näher kennen lernen wollen. Erst jüngst waren wieder welche hier, die sich überlegen, in unseren Aktien Geld anzulegen. Cevian, der Großaktionär von Thyssenkrupp, auch schon? TEYSSEN Mit Cevian hatte ich noch keinen Kontakt. Außer Blackrock gibt es auch keinen Investor, der mehr als drei Prozent der Eon-Anteile hat. Ich bin da ganz gelassen. Eon ist aber nicht mehr der wertvollste deutsche Energiekonzern, das ist jetzt die RWE-Tochter Innogy ... TEYSSEN ... deren Kurs bröckelt. Zudem bewertet die Börse den Kern der RWE, den Mutterkonzern von Innogy, mit einem negativen Preis. Eon und Innogy sind jetzt Konkurrenten. Mal schauen, wer auf Dauer den Markt, also die Kunden besser überzeugt. Derzeit scheint Innogys Börsenstory den Anlegern überzeugender. Was haben Sie falsch gemacht? TEYSSEN Nichts, wir haben 2014 alle Optionen abgewogen und unsere Aktionäre haben im Juni fast einstimmig unseren Kurs bestätigt. Am Ende sichert nur die Abspaltung des Kraftwerksgeschäfts in Uniper die volle Unabhängigkeit und die Zukunftsfähigkeit beider Unterneh- men. Ab 2017 gehen Eon und Uniper rechtlich völlig getrennte Wege. Jeder macht seine Hausaufgaben, jeder muss sich auf seinem Markt behaupten. Zu den Hausaufgaben gehört, dass Eon 400 Millionen Euro sparen will. Wie viele Stellen wollen Sie streichen? TEYSSEN Das ermitteln wir derzeit. Nach früheren Erfahrungen entfallen bei Effizienzprogrammen dieser Art meist 50 Prozent der Einsparungen auf Personal- und 50 Prozent auf Sachkosten. So könnte es auch bei „Phoenix“sein. Eon wird dezentraler, die Mitarbeiter vor Ort bekommen im Sinne unserer Kunden die Freiheit, die sie immer gefordert haben. Das heißt, dass vor allem in der zentralen Verwaltung Stellen wegfallen. Also ist vor allem Essen betroffen? TEYSSEN Naturgemäß ist auch Essen als Konzernsitz betroffen, wo wir derzeit rund 600 Mitarbeiter in Zentralfunktionen haben. Wir prüfen aber auch, wo Tochterunternehmen und Shared-Service-Center effizienter werden können. Können Sie betriebsbedingte Kündigungen ausschließen? TEYSSEN Wie immer in solchen Fällen bemüht sich Eon um sozialverträgliche Lösungen. Das haben wir dem Betriebsrat auch bereits zugesagt. Ich bin zuversichtlich, 2017 faire Lösungen zu finden, zumal unsere Transfergesellschaft weiter läuft. Zur Zukunft: Autokonzerne wollen gemeinsam ein Netz von Schnellladestellen für Elektroautos bauen. Ist Eon dabei? TEYSSEN Da machen wir gerne mit. Ob als Strom-Lieferant oder Teil eines Konsortiums mit anderen Versorgern, wird man sehen. Ich erwarte keine kartellrechtlichen Probleme. Der Elektromobilität gehört die Zukunft. In Dänemark sind wir mit 2500 Ladepunkten bereits Marktführer. Wenn in Deutschland erst- mal die großen Dienstwagen-Flotten umgestellt werden und die erste Million E-Autos fährt, wird die Wende ganz schnell gehen. In Deutschland beginnen wir übrigens gerade, unsere gesamte eigene Flotte auf Elektromobilität umzustellen. Was ist mit Ihrem Dienstwagen? TEYSSEN Derzeit fahre ich einen Diesel mit Adblue-Technik. Doch mein nächster Dienstwagen wird ein ECar. Schon jetzt müssen Eon-Führungskräfte beim Dienstwagen mehr zahlen, wenn sie kein klimafreundliches Modell nehmen. Dem Ökostrom gehört die Zukunft. Doch die Renditen sinken dramatisch. Können Sie hier noch Geld verdienen? TEYSSEN Ja, aber wir bieten unseren Windstrom nicht zu jedem Preis an. Der Markt für Offshore-Windstrom ist überhitzt. Bei der jüngsten Auktion kam am Ende keine für uns vertretbare Rendite heraus. In solchen Fällen bauen wir keinen neuen Windpark, sondern halten unser Pulver lieber trocken. Aber womit wollen Sie dann künftig Geld verdienen? TEYSSEN Die Netze liefern eine stabile Rendite, Photovoltaik gehört ins Portfolio, im Vertrieb verdienen wir gutes Geld. Auch das Türkei-Geschäft hat sich 2016 ökonomisch sehr erfreulich entwickelt. Wir schreiben hier erstmals schwarze Zahlen. Was ist mit Ihrer persönlichen Zukunft? Ende 2018 läuft Ihr Vertrag als Eon-Chef aus. Lust auf Verlängerung? TEYSSEN Die Arbeit macht mir großen Spaß. Bei Eon habe ich noch viel vor. Alles Weitere werde ich 2018 mit dem Aufsichtsrats-Chef besprechen. ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH. DIE LANGFASSUNG FINDEN SIE UNTER UNTER WWW.RP-ONLINE.DE.