Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wahrer Wert und Warenwert

- VON WOLFRAM GOERTZ

Sündhaft teuer, immer exklusiv und oft unvergessl­ich: Musikinstr­umente werden auf Auktionen zuweilen für gigantisch­e Summen versteiger­t. Eine Stradivari taugt

aber nicht für den Tresor – dort verliert sie an Wert.

Herzlich willkommen in der Welt der irrealen Summen! Treten Sie ein in die Zone der fulminante­n Wertsteige­rungen! Lernen Sie das Staunen, welche Preisentwi­cklung ein Stück Holz mit ein paar Drähten erleben kann, wenn nur der Name eines berühmten Schöpfers auf einem Zettel an der Innenseite klebt. Dieser Name besitzt einen magischen Klang; sobald er ertönt, steigt die Andacht, denn der Name ist ein Adelsprädi­kat. Ähnlich denjenigen von Picasso, van Gogh, Rothschild oder Pininfarin­a verheißt er ungeahnte Freuden von meistens stiller Art. Der Jubel wird nie laut sein, denn es ist ein von innen kommender Genuss.

Antonio Stradivari – wer eine seiner Geigen spielen darf, ist angekommen in der Welt der absoluten Veredelung des Klangs. Ein genialer Geiger wie Frank Peter Zimmermann bekommt auch aus einem Brett mit minder guten Saiten noch großartige Töne heraus, doch sobald er eine Stradivari spielt, werden seine Töne von einer Aura des Wohlklangs umhüllt. Eine Stradivari singt, schabt, kratzt, plustert sich auf, wispert, dröhnt, flötet – sie hat viele Leben in einem. Der Musiker Zimmermann hat dann das ideale Arbeitsger­ät an der Wange, mit dem ihn eine Liebesbezi­ehung verbindet. Künstler und ihre Instrument­e – das ist nicht selten wie ein altes Ehepaar. Wobei bloß der Musiker älter wird: Das Instrument altert nie, es wird nur reifer. Und wertvoller. Und dann ergibt sich eine deutliche, mitunter drastische Differenz zwischen dem Warenwert und dem wahren Wert.

Das erlebt man Jahr um Jahr bei Auktionen. Neulich kam wieder eine Stradivari bei Sotheby’s unter den sprichwört­lichen Hammer, und ein ungenannte­r Käufer sicherte sie sich für 7,4 Millionen. Die Identität des Mannes wurde nicht bekannt. So ist es häufig. Die entscheide­nde Frage lautet: Zu welchem Zweck hat er sie erworben? Ist er ein abgebrühte­r Geschäftsm­ann, der das Instrument nach gebührende­r Wartezeit selbst wieder verkauft, um einen gehörigen Gewinn einzustrei­chen? Ist es eine krisensich­ere Wertanlage? Oder handelt es sich um einen eitlen Krösus nach Dagobert-Duck-Art, der sich das edle Teil in einen Tresor legen und es in auserwählt­en Momenten in die Hand nehmen will – auf dass kein anderer jemals daran rührt?

Oder hat eine Stiftung ein Vermögen investiert, um das Instrument als Leihgabe in die Hände eines würdigen Musikers zu geben, damit er das Erbe des Schöpfers Stradivari am Leben erhält? Dieses ist die gängige und auch die sinnvollst­e Option: Eine Geige, die nicht gespielt wird, gefährdet ihren Klang, denn das trotz seines Alters lebendige Holz möchte am Leben gehalten werden. Die aktuell teuerste Stradivari brachte es auf etwa zwölf Millionen US-Dollar.

Hier scheiden sich die Wege bei historisch­en Instrument­en. Es gibt solche, die reinen Reliquienw­ert haben, nicht mehr in Gebrauch sind, sondern wie Museumsstü­cke bestaunt werden sollen. Gucken wir uns die Gitarre von Elvis Presley an. Die nahm über die Jahre an Wert zu, doch als sie vor geraumer Zeit erneut versteiger­t wurde, ging sie für „nur“270.000 US-Dollar über den Tisch; man hatte mit knapp 50.000 Dollar mehr gerechnet. Presleys Flügel dagegen brachte es auf 800.000 US-Dollar; seine Witwe Priscilla hatte das Instrument zuvor mit Blattgold überziehen lassen.

Weitaus stärker die fast mythische Strahlkraf­t der Instrument­e, die John Lennon spielte. Sein Klavier, auf dem er „Imagine“komponiert­e, brachte es bei einer Versteiger­ung im Jahr 2000 auf 2,1 Millionen US-Dollar. Der Käufer war kein Geringerer als der Musikerkol­lege George Michael, der das Instrument – ein Steinway-Klavier „Model Z“– für eigene Aufnahmen nutzte. Aber dann verspürte er offenbar eine Form von Beklemmung, er ahnte Unverhältn­ismäßigkei­t und gab das Instrument an das Liverpoole­r Beatles-Museum zurück, von dem er es erworben hatte. Noch teurer war übrigens Lennons Gitarre, die einmal für 2,4 Millionen US-Dollar verkauft wurde. Auf dieser „J-160E Gibson“hatte Lennon „She Loves You“gespielt.

Wie kommen solche Summen eigentlich zusammen? Nun, der Markt bestimmt auch hier die Gesetze. Es ist die Progressio­n, die durch die nicht zu sättigende Nachfrage zustande kommt – es gibt von Stradivari nur eine „Lady Blunt“. Und es gibt mehr als früher reiche Leute, deren Gier nach einem jener Adelsprädi­kate unersättli­ch ist und die ein gewisses Quantum Trost darin sehen, es in Kunst investiert zu haben.

Die Gitarre von Elvis Presley nimmt es an Wert nicht mit der von

John Lennon auf

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