Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Montecristo
Die Frau klang wie jemand, der eine unangenehme Pflicht erledigen muss, unwirsch und in Eile. „Max hat geschrieben, mit der Bitte, dass ich mich mit Ihnen in Verbindung setze, falls ihm etwas zustößt.“„Und das tun Sie erst jetzt?“„Es war ein normaler Brief, ich maile nicht. Und ich bin erst heute aus dem Urlaub zurückgekommen. Wo können wir uns treffen?“„Geht das nicht am Telefon?“„Nein. Im Rabeneck? Fünfzehn Uhr. Dann ist es dort schön ruhig.“
Das Rabeneck war ein etwas alternatives Restaurant, das von einer Genossenschaft betrieben wurde. Sandra Kleinert passte gut dorthin. Sie war wohl etwas über fünfzig, und alles an ihr war rund. Sie trug das graue Haar kurz geschnitten, war ungeschminkt, und ihre grauen Augen blickten gelassen in die von Jonas.
Außer zwei Müttern, deren Kin- der neben dem Tisch in dick ausgepolsterten Kinderwagen schliefen, waren sie die einzigen Gäste im Rabeneck. Es roch noch nach den Mittagsmenüs, Kohl war die Hauptnote. Sandra Kleinert war schon da, als Jonas eintraf. Es sah aus, als hätte sie hier gegessen. Auf dem Tisch stand ein Halbliterkrug mit einem Rest Rotwein.
Kaum hatte Jonas sich gesetzt, überreichte sie ihm einen Brief. Er war kurz und unverkennbar in Max Gantmanns Handschrift geschrieben. „Liebe Sandi, Falls mir etwas zustoßen sollte (was wir nicht hoffen wollen, wie der Versicherungsagent sagt), bitte ich Dich, Jonas Brand über besagten Sachverhalt zu informieren. Du erreichst ihn über die Nembus Productions.
In der Hoffnung, dass das nie nötig sein wird, grüße ich Dich herzlich
Mäge“ „Mäge?“„So nannten wir ihn früher. Ich kannte ihn über Effie. Wir waren Freundinnen. Seit sie gestorben ist, hatte ich keinen Kontakt mehr mit ihm.“
„Was meinte er mit Sachverhalt’?“
Der Kellner war an den Tisch getreten und fragte ihn: „Was willst du? Es gibt nur noch kalt.“
Jonas bestellte ein Mineralwasser. Der Kellner schenkte Sandra den Rest des Weines ein und nahm den Weinkrug mit.
„Zwischen Weihnachten und Neujahr rief er mich plötzlich an und wollte mich treffen. Wir verabredeten uns im Schönacker. Mein Gott, war Max auseinandergegangen! Er wollte von mir eine Indiskretion aus der Kommission.“„Welche Kommission?“„Moviefonds. Ich sitze dort in der Kommission. Das weißt du nicht?“„Ich hatte keine Ahnung.“„Jetzt weißt du’s. Er wollte wissen,
,besagtem wie die anderthalb Millionen Förderung plötzlich zustande gekommen waren.“„Ach, du warst das.“„Ich habe ihm erzählt, dass die Entscheidung über unsere Köpfe hinweg getroffen wurde. Wir hatten das Projekt ja abgelehnt, damals. Wie du sicher weißt.“
„Das weiß ich. Warum eigentlich?“
„Wir alle fanden das Buch scheiße.“Jonas schwieg betroffen. „Serge Cress übrigens auch.“Der Kellner brachte Jonas das Mineralwasser. Als er gegangen war, hatte sich Jonas so weit erholt, dass er fragen konnte: „Und woher kam das Geld?“
„Aus dem Fonds. Und der wird hauptsächlich aus dem Kulturbudget der GCBS gespeist.“
„Aber die hat keinen Einfluss auf die Vergaben, sagt Cress.“
(Fortsetzung folgt)