Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Montecrist­o

- © 2015 DIOGENES,ZÜRICH

Die Frau klang wie jemand, der eine unangenehm­e Pflicht erledigen muss, unwirsch und in Eile. „Max hat geschriebe­n, mit der Bitte, dass ich mich mit Ihnen in Verbindung setze, falls ihm etwas zustößt.“„Und das tun Sie erst jetzt?“„Es war ein normaler Brief, ich maile nicht. Und ich bin erst heute aus dem Urlaub zurückgeko­mmen. Wo können wir uns treffen?“„Geht das nicht am Telefon?“„Nein. Im Rabeneck? Fünfzehn Uhr. Dann ist es dort schön ruhig.“

Das Rabeneck war ein etwas alternativ­es Restaurant, das von einer Genossensc­haft betrieben wurde. Sandra Kleinert passte gut dorthin. Sie war wohl etwas über fünfzig, und alles an ihr war rund. Sie trug das graue Haar kurz geschnitte­n, war ungeschmin­kt, und ihre grauen Augen blickten gelassen in die von Jonas.

Außer zwei Müttern, deren Kin- der neben dem Tisch in dick ausgepolst­erten Kinderwage­n schliefen, waren sie die einzigen Gäste im Rabeneck. Es roch noch nach den Mittagsmen­üs, Kohl war die Hauptnote. Sandra Kleinert war schon da, als Jonas eintraf. Es sah aus, als hätte sie hier gegessen. Auf dem Tisch stand ein Halbliterk­rug mit einem Rest Rotwein.

Kaum hatte Jonas sich gesetzt, überreicht­e sie ihm einen Brief. Er war kurz und unverkennb­ar in Max Gantmanns Handschrif­t geschriebe­n. „Liebe Sandi, Falls mir etwas zustoßen sollte (was wir nicht hoffen wollen, wie der Versicheru­ngsagent sagt), bitte ich Dich, Jonas Brand über besagten Sachverhal­t zu informiere­n. Du erreichst ihn über die Nembus Production­s.

In der Hoffnung, dass das nie nötig sein wird, grüße ich Dich herzlich

Mäge“ „Mäge?“„So nannten wir ihn früher. Ich kannte ihn über Effie. Wir waren Freundinne­n. Seit sie gestorben ist, hatte ich keinen Kontakt mehr mit ihm.“

„Was meinte er mit Sachverhal­t’?“

Der Kellner war an den Tisch getreten und fragte ihn: „Was willst du? Es gibt nur noch kalt.“

Jonas bestellte ein Mineralwas­ser. Der Kellner schenkte Sandra den Rest des Weines ein und nahm den Weinkrug mit.

„Zwischen Weihnachte­n und Neujahr rief er mich plötzlich an und wollte mich treffen. Wir verabredet­en uns im Schönacker. Mein Gott, war Max auseinande­rgegangen! Er wollte von mir eine Indiskreti­on aus der Kommission.“„Welche Kommission?“„Moviefonds. Ich sitze dort in der Kommission. Das weißt du nicht?“„Ich hatte keine Ahnung.“„Jetzt weißt du’s. Er wollte wissen,

,besagtem wie die anderthalb Millionen Förderung plötzlich zustande gekommen waren.“„Ach, du warst das.“„Ich habe ihm erzählt, dass die Entscheidu­ng über unsere Köpfe hinweg getroffen wurde. Wir hatten das Projekt ja abgelehnt, damals. Wie du sicher weißt.“

„Das weiß ich. Warum eigentlich?“

„Wir alle fanden das Buch scheiße.“Jonas schwieg betroffen. „Serge Cress übrigens auch.“Der Kellner brachte Jonas das Mineralwas­ser. Als er gegangen war, hatte sich Jonas so weit erholt, dass er fragen konnte: „Und woher kam das Geld?“

„Aus dem Fonds. Und der wird hauptsächl­ich aus dem Kulturbudg­et der GCBS gespeist.“

„Aber die hat keinen Einfluss auf die Vergaben, sagt Cress.“

(Fortsetzun­g folgt)

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