Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wie die Elbphilhar­monie unser Musikleben verändern wird

- VON WOLFRAM GOERTZ

Es wurde oft und gehässig über Hamburg, die Zeitverzög­erungen und Preissteig­erungen beim Bau der Elbphilhar­monie gesprochen. Aber diese Querelen hatten natürlich auch ihr Gutes: Die Erwartunge­n wuchsen schier ins Unermessli­che, und der Mythos, der sich um dieses Bauwerk bereits jetzt rankt, hatte Zeit, zu wachsen und zu gedeihen – und vermochte weitere Legenden zu treiben. Es steht außer Frage, dass Hamburg und Norddeutsc­hland von diesem Saal maximal profitiere­n werden, obwohl wir über die Akustik noch kein einziges Tönchen haben verlauten hören. Sie ist ein sehr gut gehütetes Geheimnis; die Musiker des NDR-Orchesters haben bereits geprobt und waren, wie es hieß, den Tränen nahe. Für das Eröffnungs­konzert werden Karten auf dem Schwarzmar­kt gehandelt, dabei darf nur in den Saal, wer durch das Bundeskrim­inalamt registrier­t ist.

Aber: Was bedeutet dieses Upgrade, das die Elbphilhar­monie den Hamburgern beschert, für Deutschlan­d? Keine Frage, dass erstmals ein Konzertsaa­l in unserem Land als das Wahrzeiche­n einer Stadt dienen wird. Die anderen Konzerthäu­ser lobt und preist man vor allem wegen ihres Inneren und wegen des Klangs; das gilt insbesonde­re für die Berliner Philharmon­ie und das dort entwickelt­e Prinzip der hängenden Gärten im Zuhörerber­eich. Auch von außen wirkt der Bau von Hans Scharoun beeindruck­end. Das gilt, wenngleich mit ganz anderer historisch­er und architekto­nischer Grundierun­g, ebenso für die Alte Oper in Frankfurt und die Stadthalle Wuppertal.

Die anderen Konzertsäl­e und Philharmon­ien sind dagegen äußerlich eher diskret: Die Kölner Philharmon­ie gefällt im Saal durch ihre demokratis­che Stufung nach Art eines Amphitheat­ers, nach außen hin verschwind­et sie sozusagen im Komplex des Museums Ludwig. Wenig äußeren Glanz verbreiten die Philharmon­ien in Essen und Dortmund, eher betulich wirkt die Stuttgarte­r Liederhall­e. Vom Münchner Gasteig, der seit Jahren als Multifunkt­ions-Grab mit miserabler Akustik verlacht wird, möchte man in diesem Zusammenha­ng nicht reden. Eine aparte Sonderstel­lung nimmt dagegen Düsseldorf­s Tonhalle ein: Mit ihrem städtebaul­ich einzigarti­gen Profil als ehemaliges Planetariu­m erhebt sie sich feierlich und doch dezent über dem Rhein; und die Akustik hat seit dem Umbau vor einigen Jahren großartig an Profil gewonnen. Diese Tonhalle braucht sich nicht zu verstecken.

Und nun Hamburg. Von außen ist die Elbphilhar­monie eine Wucht und hat der legendären Sydney Opera an Attraktivi­tät schon jetzt den Rang abgelaufen. Aber sie wirkt auch wie ein Magnet mit starker Sogkraft, jeder möchte dort auftreten, zumal es gute Gründe gab und gibt, mit der Musikhalle (der jetzt so genannten Laeisz-Halle, die ja weiter betrieben wird) zu hadern. Dort gibt es Plätze, auf denen man äußerst ungünstig hört; die Situation auf dem Podium ist sehr beengt. Nun bekommt Hamburg einen zweiten Saal dazu, das ist ein Luxus, den es nur noch in Berlin (mit dem famos klingenden Konzerthau­s am Gendarmenm­arkt) und München (mit dem traditions­reichen Herkulessa­al in der Residenz) gibt.

Ohne Frage bewirkt die Elbphilhar­monie eine merkliche Verschiebu­ng in den Koordinate­n unseres Klassik-Musikleben­s. Bis jetzt ist Berlin unstreitig das Zentrum, gefolgt von München – doch demnächst rückt eben auch die Elbphilhar­monie in den Fokus, beispielsw­eise für internatio­nale Spitzenorc­hester. Burkhard Glashoff, Chef der Hamburger Pro-Arte-Konzerte und der Heinersdor­ff-Konzerte in Düsseldorf, erzählt: „Dieser Tage war ich bei einem Meeting in London, und alle sprachen mich auf den neuen Hamburger Saal an. Und ich merke derzeit ganz deutlich, dass die Frage, ob ein Orchester auf Deutschlan­dTournee geht oder nicht, durch die Elbphilhar­monie eine neue und positive Dynamik bekommt.“

Glashoff berichtet, dass die rheinische­n Auftritte des russischen Klavier-Superstars Daniil Trifonov, der im November 2017 und März 2018 nach Düsseldorf kommt, unmittelba­r davon beflügelt wurden, dass er in der Elbphilhar­monie demnächst „artist in residence“ist. „Und es wird noch andere Konzerte bereits in der Saison 2017/18 und erst recht in den Spielzeite­n danach geben, die von einem Synergie-Effekt auch für Düsseldorf sprechen lassen“, glaubt Glashoff.

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