Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Gelobtes Theater: Krefelder in Israel
Der Satz war so nebenhin gesagt. Aber man hätte Matthias Gehrt damals schon beim Wort nehmen sollen. Als er sich 2009 als neuer Schauspieldirektor des Theaters Krefeld/ Mönchengladbach vorstellte, betonte er die Kraft des Theaters, die jede Grenze aufheben kann. Deshalb wolle er außereuropäisches Theater am Niederrhein etablieren. Und dann fiel dieser Satz, der jede Frage nach Möglichkeiten und Bezahlbarkeit verbot: „Hamlet kann ich auf einer Verkehrsinsel inszenieren.“Und ein für Krefeld geschriebenes Auftragsstück auch in Israel zeigen. Das Schauspielensemble des Gemeinschaftstheaters war eingeladen zum 8. Internationalen Hanoch Levin Festival in Tel Aviv, das vom dortigen Goethe-Institut unterstützt wird. Es spielte „Kein
schöner Land“– ein Erfolg.
„Kein schöner Land“hatte Ende Mai Premiere auf der Krefelder Bühne. Lothar Kittstein und Hüseyin Michael Cirpici haben sich mit der Situation der aus ihren Heimatländern geflohenen Menschen beschäftigt, die in Deutschland ein Zuhause finden wollen, und mit den hier Lebenden, die sich einstellen müssen auf ständig sich verändernde Situationen.
„Die Neugier auf das Ensemble aus Deutschland, das sich mit einem Stück über eines der wichtigsten Themen der Gegenwart, Flüchtlinge, präsentiert, war unglaublich groß“, erzählt Gehrt. Dass sich das deutsche Theater so selbstkritisch, selbstironisch und humorvoll damit beschäftige, habe das israelische Publi- kum sehr positiv und begeistert aufgenommen. Viele Zuschauer, darunter israelische Intellektuelle und Künstler, hätten den Krefeldern viel Anerkennung für ihre künstlerische Auseinandersetzung mit der Flüchtlingsproblematik gezollt.
Doch: Koffer auspacken, Kostüm anziehen, fertig – so funktionierte es für die Krefelder Gastspieler nicht. Das Theater „Cameri 2“ist viel kleiner als die Bühnen in Krefeld und Mönchengladbach. „Deshalb musste das Bühnenbild auf das Wesentliche reduziert werden. Dafür hat Bühnenbildnerin Gabriele Trinczek eine neue Variante mit 70 Notenständern erdacht.“
Diese Idee können die Krefelder im Frühjahr begutachten. Dann wird sie in einer Studio-Version von „Kein schöner Land“für insgesamt drei Vorstellungen in der Fabrik Heeder gezeigt.
Dass „die Gastspiele dem Schauspielen- semble guttun, weil die Künstler dadurch noch mehr zusammenwachsen“, begeistert Matthias Gehrt ebenso wie die Tatsache, dass Erfindungsgeist und Improvisationstalent gefordert seien. „Wir fahren mit kleiner Besetzung. Das bedeutet ohne Techniker und ohne Ankleider, mit nur einem Beleuchter, einer Maskenbildnerin und der Inspizientin. Nach Tel Aviv sind wir mit zehn Koffern gereist, in denen wir die Kostüme und das Bühnenbild – die Notenständer – transportiert haben“, berichtet Gehrt. „Von A bis Z für alles verantwortlich zu sein und zu wissen‚ das kriegen wir hin, ist toll.“
Nach fünf Jahren am hiesigen Theater hat der Schauspieldirektor bewiesen, was alles hinzukriegen ist. Es gab zwar keine Verkehrsbehinderungen für Shakespeare – aber mannigfache Eindrücke von Theaterarbeit, Dichtung und Drama aus dem Rest der Welt. Dass nun der Rest der Welt Krefelder Bühnenkunst erlebt, begeistert Gehrt:. „Das ist wie ein Sechser im Lotto. Innerhalb eines Jahres wurden wir zu zwei großen internationalen Festivals eingeladen. Erst im Sommer sind wir mit der ‚Orestie‘ nach Zypern gereist, jetzt durften wir in Israel unser Stück zum Thema Flüchtlinge zeigen. Ein riesiges Glück!“Für den Schauspieldirektor lohnt es sich kaum, seine Koffer auszupacken. Am 2. Januar fliegt er erneut nach Tel Aviv, um wie berichtet, am Tmuna Theater „Draußen vor der Tür“von Wolfgang Borchert zu inszenie
ren.
Mit dem Flüchtlingsstück „Kein schöner Land“ist das Schauspielensemble beim Internationalen Theaterfestival in Tel Aviv aufgetreten. Die dafür neu konzipierte Studiofassung ist ab April in der Fabrik Heeder zu sehen.
„Kein schöner Land (UA)“ist nur noch am 11. Januar, 19.30 Uhr, im Theater Mönchengladbach zu sehen. Am 19. April kommt die Studio-Version in die Fabrik Heeder und wird dort auch am 3. Mai und 4. Juni gespielt.