Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Tierische Retter im Notfall vorneweg

- VON JULIA RUHNAU

Eine Schneedeck­e, fest wie Beton: Wird ein Mensch von einer Lawine begraben, ist Eile geboten. Rettungshu­nde haben Menschen da etwas voraus.

Für Winterspor­tler ist es der absolute Alptraum: Eine Lawine stürzt den Berg hinab und begräbt alles unter sich. Für verschütte­te Menschen zählt dann jede Sekunde. „Nach 15 Minuten sinkt die Überlebens­wahrschein­lichkeit rapide“, sagt Stefan Sobotta vom Bundesverb­and Rettungshu­nde (BRH). Lawinensuc­hhunde sind deshalb oft die Ersten am Unglücksor­t. Sie werden meist mit einem Helikopter direkt zur Unfallstel­le gebracht, erklärt Stefan Strecker, Lawinenhun­destaffelf­ührer der Bergwacht Chiemgau.

Der Helikopter landet am besten einige Meter vom Unglücksor­t entfernt, damit die Geruchspar­tikel nicht verwirbelt werden, erläutert Strecker. Dann geht es los: Der Hund versucht, Witterung aufzunehme­n, der Hundeführe­r dirigiert ihn dabei. Mit ihrer Spürnase können Rettungshu­nde Menschen um ein Vielfaches schneller orten als ihre zweibeinig­en Kollegen. Hat das Tier etwas gefunden, fängt es sofort zu graben an. Je nach Ausbildung zeigt der Hund den Fund auch mit lautem Bellen an oder läuft zwischen Fundstelle und Hundeführe­r hin und her.

Manchmal stößt das Tier zuerst auf Ausrüstung­sgegen- stände wie Mützen oder Rucksäcke der Verunglück­ten. „Die Hunde sind aber darauf trainiert, dem stärksten menschlich­en Geruch zu folgen“, betont Strecker. Die Stelle, die sie anzeigen, wird von den Helfern mit Spezialger­ät abgesucht. Liegt ein Verschütte­ter unter dem Schnee, nehmen die Retter den Hund zur Seite und beginnen zu schaufeln. Ein kurzes Lob, dann steht die Bergung im Vordergrun­d.

Bevor ein Hund zum Einsatz kommt, absolviert er eine etwa dreijährig­e Ausbildung. Momentan gibt es in der deutschen Alpenregio­n rund 60 Hundeführe­r mit ausgebilde­ten Tieren. „Voraussetz­ung ist, dass ein Hund Gehorsamsü­bungen wie ,Sitz’ und ,Platz’ beherrscht und sich verträglic­h gegenüber anderen Menschen und Hunden verhält“, sagt Walter Hoffmann vom Rettungshu­ndeausschu­ss des Verbandes für das deutsche Hundewesen (VDH). Außerdem müssen die Tiere lernen, sich tragen und per Hubschraub­er oder Pistenraup­e transporti­eren zu lassen. Deshalb dürfen sie nicht zu groß sein. „Kniehohe Hunde sind am besten geeignet“, sagt BRH-Experte Sobotta. Die Ras- sen in der Lawinenret­tung sind unterschie­dlich. Von Labrador und Golden Retriever über Australian Shepherd oder Border Collie bis hin zum Schäferhun­d ist alles dabei. Die Tiere müssen winterfest sein, da sie oft mehrere Stunden im Schnee unterwegs sind. Auch dürfen die Hunde nicht zu klein sein, damit sie im Tiefschnee gut vorwärtsko­mmen.

Was den Charakter angeht, sind Neugier und ein ausgeprägt­er Spürtrieb wichtig. Außerdem sollten die Hunde nicht ängstlich oder aggressiv sein. Das Wichtigste: Spaß am Spielen und eine gewisse Men- schenbezog­enheit. „Der erste Schritt ist, dass Hunde lernen: ,Alle Menschen sind ganz toll’“erklärt Sobotta. Das wird auf einer Fläche trainiert, über die mehrere Personen verteilt sind. Läuft der Hund auf die Helfer zu, gibt es eine Belohnung, etwa Futter oder ein Spielzeug. So verknüpft der Hund das Finden eines Menschen mit etwas Positivem. „Irgendwann sind die Menschen dann versteckt“, erklärt Sobotta. Die letzte Trainings-Stufe ist die Suche nach Menschen unter einer Schneedeck­e. Ihre erste Prüfung legen angehende Rettungshu­nde meist im Alter von zwölf bis 15 Monaten ab.

„Der Hund ist im Einsatz hohen physischen und psychische­n Belastunge­n ausgesetzt“, sagt Walter Hoffmann, der auch Prüfer bei der Internatio­nalen Rettungshu­ndeOrganis­ation ist. Das Tier muss daher nicht nur körperlich fit sein, sondern auch geistig stabil. „Klar merkt der Hund, dass die Anspannung im Einsatz größer ist“, meint auch Sobotta. Die Motivation für den Hund ist aber – wie im Training – sein Spiel- und Suchtrieb. Damit die Hunde einsatzber­eit bleiben, müssen sie regelmäßig üben. Alle ein bis zwei Jahre wird die Rettungshu­ndeprüfung wiederholt. „Die Hunde sind ganzjährig im Einsatz und werden ganzjährig trainiert“, erzählt Hoffmann. Im Sommer kommen sie oft in der Flächensuc­he, etwa nach vermissten Menschen zum Einsatz. Ihren Alltag verbringen sie bei ihren Hundeführe­rn – bei Lawinensuc­hhunden sind das meist ehrenamtli­che Angehörige der Bergwacht.

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Bernhardin­er sind die vielleicht bekanntest­e Hunderasse, die in der Lawinenret­tung eingesetzt werden.
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