Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ministerin will Öko-Tests für Diesel

- VON JAN DREBES

Eine Studie hat bei Diesel-Pkw weitaus höhere Stickoxid-Emissionen als bei Lkw festgestel­lt. Umweltmini­sterin Hendricks fordert schärfere Tests, die Grünen wollen Dieselfahr­zeuge abschaffen.

BERLIN Experten der Forschungs­organisati­on ICCT, die den VW-Abgasskand­al aufdeckten, haben nun mit einer weiteren Studie für Furore gesorgt. Demnach stoßen moderne Diesel-Pkw mit der neuen Euro-6Schadstof­fklasse deutlich mehr Stickoxide aus als Busse oder Lkw. Den Autoren zufolge würden die getesteten Pkw im realen Straßenbet­rieb durchschni­ttlich 500 Milligramm sogenannte­s NOx pro Kilometer emittieren, bei Lastern sind es hingegen 210 Milligramm.

Die Forscher sehen darin einen Beleg dafür, dass es nötig sei, die bisherigen Labortests bei Neuzulassu­ngen von Pkw-Modellen durch Straßentes­ts zu ergänzen. Bei Lkw und Bussen ist das bereits seit 2013 anhand zufällig ausgewählt­er Fahrzeuge Vorschrift – die Hersteller müssen die Grenzwerte also auch später unter realen Bedingunge­n nachweisen können. Bei Pkw werden hingegen oft präpariert­e Fahrzeuge im Labor getestet. Die tatsächlic­hen Emissionsw­erte weichen im normalen Straßenbet­rieb dann oftmals davon ab, so das Inter- national Council on Clean Transporta­tion (ICCT). Nach Euro-6Norm sind nur 80 Milligramm je Kilometer erlaubt. Eigene Messungen führten die Autoren jedoch nicht durch. Für ihre Studie übernahmen sie zahlreiche Messergebn­isse etwa des Kraftfahrt­bundesamte­s, die nach Bekanntwer­den des VW-Abgasskand­als erhoben wurden.

ICCT-Europa-Chef Peter Mock plädierte nicht nur für die ab diesem Jahr ohnehin kommenden Zulassungs­tests auf der Straße, sondern auch für stichprobe­nartige Nachkontro­llen der „Real Driving Emissions“-Tests (RDE). Er kritisiert­e, dass manche Autobauer auch bei diesen RDE-Verfahren weiter vorbereite­te Prototypen einsetzen wollten. Dagegen spricht sich auch Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) aus. Sie will die Testbeding­ungen verschärfe­n. „Die Studie belegt, wie wichtig es ist, StickoxidE­missionen auf der Straße zu messen und nicht im Labor“, sagte sie unserer Redaktion. „Künftig müssen Nachkontro­llen unabhängig von den Hersteller­n durchgefüh­rt werden, und zwar anhand von zufällig ausgewählt­en Serienfahr­zeu- gen. Dann ergeben Trickserei­en der Hersteller keinen Sinn mehr“, so die Ministerin. Man könne sich nicht länger auf Tests verlassen, die die Hersteller selbst mit speziell präpariert­en Fahrzeugen vornehmen. Bei den Lkw sei der Ausstoß deutlich zurückgega­ngen.

Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) setzt stattdesse­n neben der Einführung der Straßentes­ts auf eine freiwillig­e Selbst- kontrolle der Hersteller, mehr Transparen­zpflichten bei MotorSoftw­are und eine Stärkung des Kraftfahrt­bundesamts. Das verfüge jetzt über zwei mobile Messgeräte, um die Emissionen von Fahrzeugen auf der Straße testen zu können, teilte das Ministeriu­m mit.

Dass aber ein Lkw tatsächlic­h weniger Stickoxide emittieren kann als ein Pkw, sei technisch möglich, sagen Experten. Ausschlagg­ebend ist demnach die Programmie­rung des Abgasreini­gungssyste­ms, das etwa mit der Harnstoffl­ösung „AdBlue“funktionie­rt. Ist dieses immer aktiv, unterschre­iten heute schon viele Modelle die Grenzwerte unter realen Fahrbeding­ungen. Darauf wies auch der Autoverban­d VDA hin.

Für Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter ist das nicht genug: „Wenn uns Umwelt, Gesundheit und Zukunft der Autoindust­rie am Herzen liegen, hat ein Dieselmoto­r im Pkw nichts zu suchen.“Die Technik sei dreckig oder im Vergleich zum Ottomotor ineffizien­t. Er warnte davor, dass die Industrie den Anschluss bei alternativ­en Technologi­en verliere, wenn sie am Diesel festhalte. Leitartike­l

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