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Attentäter von Berlin nutzte das Flüchtling­schaos

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Die Registrier­ung von Asylbewerb­ern wurde erst nach 2015 profession­alisiert. Das half Anis Amri, lange unentdeckt zu bleiben.

DÜSSELDORF (tor) Zu den vielen beängstige­nden Tatsachen im Fall Amri gehören auch diese: Der Tunesier verwendete gegenüber den Behörden mindestens 14 verschiede­ne Identitäte­n. Unter anderem als Ägypter stellte er mehrfach unter falschem Namen Asylanträg­e. Warum ist er mit dieser Maskerade nicht aufgefloge­n? Und: Könnte ein Flüchtling die deutschen Behörden heute immer noch so leicht austrickse­n? Die Antwort der meisten Experten auf die zweite Frage lautet: Nein.

Amri machte sich das Flüchtling­schaos des Jahres 2015 zunutze. Er reiste im Juli über Freiburg nach Deutschlan­d ein. Als einer von 890.000 Flüchtling­en, mit denen die Behörden damals völlig überforder­t waren: Auf einen so gewaltigen Flüchtling­sstrom war Deutschlan­d damals schlicht nicht vorbereite­t. Mangels Personal dauerte es oft Monate, bevor Asylbewerb­er über- haupt amtlich inklusive erkennungs­dienstlich­er Maßnahmen wie Fingerabdr­ücken registrier­t wurden. Außerdem waren die Datensätze der Behörden und Länder damals noch nicht kompatibel, so dass selbst simple Datenbank-Abfragen damals mühsam und händisch organisier­t werden mussten – wenn sie überhaupt erfolgt waren. Ein schneller Abgleich etwa von Fingerabdr­ücken oder polizeilic­hen Daten war damals weder vorgesehen noch ohne Weiteres möglich. Das hat sich inzwischen geändert.

Mit dem Datenausta­uschverbes­serungsges­etz vom 5. Februar 2016 wurde die schnelle und vor allem einheitlic­he Registrier­ung von Flüchtling­en entscheide­nd verbessert. Inzwischen erhält jeder Asylbewerb­er einen einheitlic­hen Flüchtling­sausweis mit Fingerabdr­ücken und biometrisc­hem Foto. Ohne dieses Dokument gibt es kein Asylverfah­ren und keine Asylbewerb­erleis- tungen. Das Gesetz regelt auch die einheitlic­he Erfassung relevanter Informatio­nen des Antragstel­lers.

Neben den Basisinfor­mationen wie Name, Geburtsdat­um und -ort gehören dazu beispielsw­eise Angaben zu begleitend­en minderjähr­igen Kindern. Erfasst werden auch Gesundheit­suntersuch­ungen und Impfungen. Diese Informatio­nen stehen öffentlich­en Stellen zur Verfügung, mit denen die Schutzsuch­enden regelmäßig in Kontakt tre- ten. Auch Doppelregi­strierunge­n werden mit dem Flüchtling­sausweis vermieden. Dazu wurden die Behörden mit einem Fingerabdr­uckAbgleic­hsystem ausgestatt­et, das schnell Ergebnisse liefert – der sogenannte­n Fast-ID. Mit ihrer Hilfe können alle Registrier­ungsbehörd­en unverzügli­ch feststelle­n, ob zu einer Person bereits Informatio­nen vorhanden sind. Auch der Zugriff von Polizeibeh­örden auf die Daten ist inzwischen möglich.

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