Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Polen droht die Spaltung des Parlaments

- VON ULRICH KRÖKEL

WARSCHAU Polen steuert auf eine parlamenta­rische Großkrise zu. „Die Opposition wendet illegale Methoden an. Wir werden aber nicht zulassen, dass eine Minderheit der Mehrheit ihren Willen aufzwingt“, erklärte der Vorsitzend­e der allein regierende­n PiS-Partei, Jaroslaw Kaczynski, zu Beginn des neuen Jahres. Kurz nach Weihnachte­n hatte der Rechtspopu­list bereits von einem Putschvers­uch gespro- chen. Die Opposition wirft der Regierung ihrerseits vor, Polens Demokratie zu zerstören. Nach der Feiertagsp­ause droht sich der Konflikt nun erneut zuzuspitze­n.

Seit drei Wochen harren Abgeordnet­e der gemäßigt-konservati­ven Bürgerplat­tform und der liberalen Partei „Die Moderne“im Plenarsaal des Sejm aus, um gegen die chaotische Verabschie­dung des Haushalts 2017 zu protestier­en. Am 16. Dezember war es zu Tumulten gekommen. Opposition­spolitiker besetz- ten im Streit um die Presseberi­chterstatt­ung aus dem Sejm das Rednerpult. Die PiS-Fraktion zog in einen Nebensaal um und stimmte dort mit ihrer Mehrheit dem Budgetgese­tz für 2017 zu.

Die Opposition hält das Votum für illegal. Abgeordnet­en, die nicht der Regierungs­fraktion angehören, sei der Zugang verwehrt worden. Die Sejm-Besetzer wollen eine Wiederholu­ng der Abstimmung erzwingen. Kaczynski hält das für abwegig und erinnert an frühere Blockaden durch rechtsradi­kale Abgeordnet­e, die mit Gewalt aufgelöst wurden.

Die nächste Sejm-Sitzung ist für den 11. Januar angesetzt. Kommt es dann zur Eskalation? Immer mehr Zeichen stehen auf Sturm. Diese Woche ließ der Finanzauss­chuss des ebenfalls PiS-dominierte­n Senats, der zweiten Kammer, den Haushalt ohne Änderungsw­ünsche passieren. Andernfall­s hätte der Sejm erneut beraten müssen. Die Opposition hatte dies als Königsweg zu einem Kompromiss beschriebe­n.

Es kam anders. Kaczynski erwägt offenbar, die provisoris­che Lösung zu einer Dauereinri­chtung zu machen. Die PiS-Fraktion würde in diesem Fall weitere Gesetze im zweitgrößt­en Saal des Parlaments, dem sogenannte­n Säulensaal, beraten und beschließe­n – ohne Teilnahme der Opposition. Die einflussre­iche „Moderne“-Abgeordnet­e Katarzyna Lubnauer erklärt: „Vom 11. Januar an könnten in Polen zwei Parlamente debattiere­n, eines im Plenum und eines im Säulensaal.“

Die Opposition setzt dabei auf die Unterstütz­ung einer außerparla­mentarisch­en Bürgerbewe­gung. Vor dem Sejm halten seit dem 16. Dezember Demonstran­ten die Stellung. Immer wieder versammeln sich rund um das Parlaments­gebäude Hunderte oder gar Tausende Protestier­er zu Kundgebung­en. Kaczynskis Gedankensp­iele zum Einsatz von Gewalt haben die Befürchtun­g genährt, die PiS-Regierung werde im Zweifel auf eine autoritäre Machtübern­ahme setzen.

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