Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

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- FOTO: ANDREAS ENDERMANN

Berufsbild­ungspakt. Einen Hochschulp­akt mit Investitio­nen von 22 Milliarden Euro in Hochschule­n und Lehre hat der Bund ja bereits aufgelegt. Dabei hat er da nicht die gesetzlich­e Zuständigk­eit. Für die berufliche Bildung hat der Bund sehr wohl die Zuständigk­eit – investiert aber nur in sehr geringem Umfang. Die Wirtschaft hingegen investiert jedes Jahr in die betrieblic­he Ausbildung etwa 25 Milliarden Euro und in die berufliche Weiterbild­ung noch einmal 33 Milliarden. Nur mit einem dem Hochschulp­akt gleichwert­igen Programm für die berufliche Bildung können wir auch eine gleichwert­ige Attraktivi­tät der Bildungsgä­nge erreichen. Wie viel Geld müsste der Bund nach Ihrer Vorstellun­g für die berufliche Bildung in die Hand nehmen? WOLLSEIFER Ziel muss es sein, in Schritten die Gleichwert­igkeit zu erreichen. Gerade angesichts der Digitalisi­erung müssen unsere Bildungsst­ätten entspreche­nd ausgestatt­et werden. Als Alternativ­e zum Studium müssen wir den Jugendlich­en ausgezeich­nete berufliche Bildungsch­ancen anbieten können. Sie fordern eine Art Exzellenz-Initiative fürs Handwerk? WOLLSEIFER Genau. Wir brauchen auch in der berufliche­n Bildung eine Exzellenz-Initiative. Viele Bildungsst­ätten im Handwerk sind bereits Kompetenzz­entren und haben das Zeug für Exzellenz-Bildungsst­ätten. Parallel wollen wir mit flächendec­kender Berufsorie­ntierung an Gymnasien mehr junge Menschen für das Handwerk gewinnen. Wie soll das gelingen? WOLLSEIFER An Gymnasien darf nicht nur für die akademisch­e Lauf- bahn geworben werden. Die Karrierech­ancen in der berufliche­n Bildung müssen Lehrern, Eltern und Schülern deutlicher gemacht werden. Dieser Teil des Bildungspa­ktes kostet kein Geld – ist aber entscheide­nd, da zuletzt 58 Prozent eines Jahrgangs an die Uni strebten. Wie steht es um ihre Pläne für das Berufsabit­ur – Lehre mit Abi? WOLLSEIFER Damit starten wir zum Schuljahr 2017/18 zunächst in sechs Bundesländ­ern. Innerhalb von vier Jahren können die Jugendlich­en auf diesem Weg eine Ausbildung machen und zugleich das Abitur erwerben. Wir wollen neue Bildungsma­rken setzen – nach Gesellen- und Meisterbri­ef, dem dualen und trialen Studium jetzt das Berufsabit­ur. Weitere Pläne werden wir 2017 Bund und Ländern vorlegen. Wie entwickelt sich derzeit die Zahl der Fachkräfte im Handwerk – haben Sie noch genug Gesellen und Meister oder wird es künftig auf dem Land ähnlich schwer einen Klempner zu finden wie einen Facharzt? WOLLSEIFER Die Betriebe haben volle Auftragsbü­cher. Was ihnen fehlt, sind die Fachkräfte. Das Problem ist, dass wir seit Jahren rund 20.000 Ausbildung­splätze pro Jahr nicht beset- zen können. Leider werden immer mehr Jugendlich­e an die Unis gelockt und merken erst in überfüllte­n Hörsälen, dass das nicht ihr Ding ist. Machen Sie genug Werbung für sich? WOLLSEIFER Unsere Imagekampa­gne ist bei den Jugendlich­en erfolgreic­h. Aber wir müssen vor allem leistungso­rientierte­n jungen Frauen und Männern noch mehr vermitteln, dass das Handwerk hervorrage­nde arbeitsmar­ktorientie­rte Karrierech­ancen bietet – für Spezialist­en, Führungskr­äfte und Unternehme­r. Bei Meistern liegt die Arbeitslos­enquote bei nur zwei Prozent. Das ist noch niedriger als bei Akademiker­n. Ist denn Handwerker-Mangel auf dem Land ein Problem der Zukunft? WOLLSEIFER Fachkräfte­mangel ist in Zukunft nicht nur ein Problem des Handwerks. Daher werben wir ja für eine Bildungsum­kehr. Auf dem Land ist der Mangel zuerst zu spüren. Da sind wir seit Jahren schon aktiv gemeinsam mit Bauernverb­and, Handel und regionalen Kräften, um Ausbildung und Beschäftig­ung zu erhalten. Das ist der Drehund Angelpunkt, um den Fortzug junger Menschen zu stoppen.

DIE FRAGEN STELLTE EVA QUADBECK.

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