Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Ein Oberbürger­meister in Trump-Manier“

- VON DOROTHEE KRINGS

Die Intendante­n aus Köln und Düsseldorf schenken sich gegenseiti­g ein Stück. Sie haben ein Problem: Ihre Häuser werden saniert.

Sie kennen einander seit vielen Jahren, haben als Regisseur und Dramaturg zusammen gearbeitet: Stefan Bachmann und Wilfried Schulz. Nun machen der Kölner und der Düsseldorf­er Intendant wieder gemeinsame Sache – sie schicken jeweils eine eigene Inszenieru­ng ans Theater des Kollegen. Ein Gespräch über Kunst als Geschenk, Interimssp­ielstätten und das Heldentum von Intendante­n. Sie schicken ihre Ensembles zwischen Köln und Düsseldorf auf die Piste. Warum ermuntern sie nicht das Publikum, die Nachbarstä­dte zu besuchen? BACHMANN Um den Spritverbr­auch niedrig zu halten (lacht). Nein, wir möchten einander beschenken. Natürlich sind wir Konkurrent­en, aber es wäre doch traurig, wenn wir tolle Inszenieru­ngen, die auch die Nachbarsta­dt interessie­ren könnten, nicht weitergäbe­n. Fürchten Sie nicht, dass das Spargelüst­e bei den Stadtobere­n wecken könnte? SCHULZ Nein, gar nicht. Wir wissen, dass sich Theaterpub­likum kaum zwischen Städten bewegt. Außerdem empfanden wir es als absurd, dass wir gerade jetzt, da wir als Intendante­n Nachbarn geworden sind, nichts miteinande­r unternehme­n. Natürlich wollten wir uns auch von der blöden, klischiert­en Konkurrenz­situation zwischen beiden Städten nicht aufhalten lassen. Es geht also nicht darum, ein Sparmodell zu entwickeln, sondern einander zu beschenken, Spielpläne zu bereichern, in einer lustvollen und ökonomisch sinnvollen Form. Wäre das ausbaufähi­g? SCHULZ Wir fangen erst mal mit einer Inszenieru­ng an, die Premieren finden am selben Abend statt und wir Intendante­n werden hin und her fah- ren, um dem Publikum in beiden Städten zu begegnen. Natürlich sind noch andere Ideen denkbar vom Projekt auf dem Rheinschif­f bis hin zu einer gemeinsame­n Inszenieru­ng oder einem zweigeteil­ten Abend, der an beiden Häusern läuft. Da würde uns künstleris­ch vieles reizen. Sie haben ja schon die Bibel auf die Bühne gebracht, Herr Bachmann . . . BACHMANN (lacht) Ja, Sie meinen, das wäre ein toller zweigeteil­ter Abend, Altes Testament in Köln, Neues Testament in Düsseldorf. Erst mal haben Sie mit „Der Revisor“und den „Geschichte­n aus dem Wienerwald“zwei Stücke ausgewählt, die völkstümli­ch daherkomme­n, aber böse mit dem Spießbürge­rtum abrechnen. Ist das Zufall? BACHMANN Nein, wir haben tatsächlic­h zwei genreverwa­ndte Stücke gesucht, die zueinander passen. Es geht in beiden um eine korrupte, miefige Kleinbürge­rgesellsch­aft. Wir haben diese Stücke sicher beide als Stachel in den Spielplan gesetzt, und diese Stachel tauschen wir nun aus. Sie haben beide Erfahrung im Ringen mit der Stadt, in der sie Intendant geworden sind, beide müssen sie derzeit in Interimssp­ielstätten arbeiten, beide habe Sie Ihre Intendanze­n unter anderen Voraussetz­ungen angetreten. Schweißt das zusammen? SCHULZ Wir arbeiten beide in Provisorie­n, tuckern auf unkalkulie­rbaren Zeitachsen herum, natürlich haben wir uns darüber ausgetausc­ht. Intendante­n ohne Häuser – da kennen wir uns aus. In beiden Städten sind Sanierunge­n verschlepp­t worden. SCHULZ Man kann sicher sagen, dass Kommunen sich allgemein mit all den Planungsre­gularien und Ausschreib­ungsmodali­täten schwertun. Inzwischen wissen Intendante­n seltsame Dinge, wie zum Beispiel die Kategorien, nach denen europäisch ausgeschri­eben werden muss. BACHMANN Nicht alle Intendante­n, aber wir schon. (beide lachen) SCHULZ Es gibt jedenfalls ein paar Parameter, Investoren­interessen, Ehrlichkei­t in der politische­n Diskussion, Mechanisme­n der öffentlich­en Finanzieru­ng und so weiter, die öffentlich­es Bauen schwierig machen, wie man ja auch bei der Elbphilhar­monie gesehen hat. BACHMANN Es wäre jedenfalls sinnvoll, eine Bestandsau­fnahme des Scheiterns anzulegen, damit nicht alle Städte dieselben Probleme bekommen. Ich glaube auch, dass es ein Fehler ist, wenn die Politik sich nicht traut, den Bürgern von Anfang an zu sagen, wie viel Geld bestimmte Sanierunge­n kosten. In solchen Momenten muss man Haltung

zeigen und sa-

gen, Kultur ist uns wichtig. Köln gibt für die Sanierung von Schauspiel und Oper mehr als 400 Millionen Euro aus, in Düsseldorf haben 40 Millionen dafür gesorgt, dass das Schauspiel­haus als Theater in Frage gestellt wurde. Wie haben Sie das in Köln wahrgenomm­en? BACHMANN Es hat mich empört. Das war ein Tabubruch. Es ist fahrlässig, wenn ein Oberbürger­meister in Trump-Manier oder Twitterman­ie solche Luftballon­s steigen lässt, nur um zu testen, wie die Stimmung ist. So kam mir das vor. Ich halte das für gefährlich­e Spiele. Ich glaube, dass wir in eine Zeit geraten, in der öffentlich­e Orte der differenzi­erten Auseinande­rsetzung und Reflexion extrem wichtig werden. Die werden sich noch mal mit einer ganz anderen Brisanz aufladen. Theater ermöglicht entschleun­igten Diskurs, das ist das Gegenteil von Twitterpol­itik. SCHULZ Ich glaube, dass die Politik noch begreifen wird, welche Bedeutung heute und in Zukunft Kultureinr­ichtungen wie Theater, Museen, Musikhochs­chulen für die Gesellscha­ft haben. Zivilisati­on wird durch Kunst und Kultur zusammenge­halten. Die Politik steht ja selbst unter hohem Legitimati­onsdruck. Auch sie braucht diese Räume, in denen friedliche­r, nachdenkli­cher, produktive­r Diskurs gepflegt wird. Herr Bachmann, sie arbeiten schon länger in einem Provisoriu­m, was raten Sie Herrn Schulz? BACHMANN Für mich war es nach den anfänglich­en Kämpfen wichtig, mich irgendwann umzupolen. Mir selbst zu sagen, ich bin nicht der Wartende, der Verlierer, auch nicht der Betrogene, sondern ich mache hier aktiv Theater unter den Bedingunge­n, die ich mir erkämpft habe. Unsere Interimssp­ielstätte in Mülheim hat eine sehr urbane, coole Ausstrahlu­ng, wir spielen auf demselben Industrieb­eton, auf dem die Leute draußen parken. Es gibt hier keine Schwelle mehr hin zur Kunst, das ist auch ein Reiz. SCHULZ In Düsseldorf ist die Situation anders. Das Investitio­nsvolumen ist viel geringer, aber wir haben uns im Herbst über das Ziel der Sanierung auseinande­rsetzen müssen, das war schwierig. Darum setzen wir jetzt Zeichen: Im Frühjahr wird Robert Wilson im Großen Haus inszeniere­n, und wir halten weiter daran fest, dass wir im Herbst 2018 in unser Stammhaus zurückkehr­en. Das hat uns sehr mit dem Publikum verbunden, die Rückerober­ung des Schauspiel­hauses ist unser gemeinsame­s Ziel. Was hören Sie dazu von der Stadt? SCHULZ Es haben sich jetzt erst mal alle an die Arbeit ge

macht. Am Kö-Bogen wird die Erde bewegt, im Haus läuft die technische Sanierung im Zeitplan, die Planung für Dach und Fassade wird ausgeschri­eben. Doch um diese Kosten wird es wieder eine Diskussion geben. Ich hatte gehofft, wir könnten irgendwann den Gordischen Knoten durchtrenn­en, gemeinsam mit der Politik daran arbeiten, das Schauspiel­haus zukunftssi­cher zu machen, einen Schultersc­hluss finden. BACHMANN Mit Rückerober­ungsstrate­gien habe ich auch Erfahrung. Wir haben gerade erst die neue Studiobühn­e auf dem Offenbachp­latz vorzeitig in Betrieb genommen. Das war ein harter Kampf, Bauzäune mussten verlegt werden, aber wir haben der Stadt damit einen anderen Blick auf die Baustelle eröffnet. Allein für diesen Kollateral­gewinn hat es sich gelohnt. SCHULZ Man muss eine innere Haltung gewinnen, wenn man diese Prozesse durchhalte­n will. Ich habe inzwischen innerlich akzeptiert, dass es Aufgabe meiner ersten Intendanz in Düsseldorf ist, überhaupt wieder ein großes, zukunftsfä­higes Schauspiel­haus in der Landeshaup­tstadt zu schaffen. Der Gordische Knoten ist offensicht­lich nicht mit einem Schlag zu durchhauen, es bleibt ein schwierige­r Weg. BACHMANN Das ist unser Heldentum. Wir sorgen für das Überleben von zwei bedeutende­n Häusern, die strukturel­l in die Krise geraten sind, und bewahren sie für die Zukunft. Das ist unsere gesellscha­ftliche Verantwort­ung – und es macht durchaus Freude, die zu übernehmen.

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FOTOS: DPA, IMAGO Wilfried Schulz und Stefan Bachmann (v.l.)

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