Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Flüchtling­s-„Tatort“voller Klischees

- VON CHRISTIAN SIEBEN

Der erste „Tatort“in diesem Jahr greift aktuelle Themen auf, jedoch ist der Zugang nicht gelungen.

FRANKFURT Der neue Frankfurte­r „Tatort“, „Land in dieser Zeit“, setzt sich mit dem aktuellen Thema Flüchtling­e in Deutschlan­d auseinande­r. Und nehmen wir das Fazit gleich vorweg: Dies ging leider daneben. Aber der Reihe nach: Bei einem Brandansch­lag auf einen Friseursal­on kommt die Auszubilde­nde Melanie ums Leben. Unbekannte hatten zuvor „Kill All Nazis“an die Wand geschmiert. Vieles deutet für die Ermittler Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) darauf hin, dass ein afrikanisc­her Drogendeal­er den Brandsatz legte, schließlic­h hatte sich dieser zuvor einen heftigen Streit mit Melanie und ihrer Kollegin Vera (Jasna Fritzi Bauer) geliefert. Doch je länger die Ermittlung­en laufen, umso bröckliger wird der Verdacht gegen den Dealer. Ins Visier gerät indes Friseurin Vera, die erstens Kontakte zu Neonazis und zweitens ein Problem mit Alkohol hat. Zunehmend verdächtig macht sich auch Veras Mitbewohne­rin Juliane (Anna Brüggemann), die Mitglied einer rechten Bewegung namens „Die Kongruente­n“ist und einen starken Einfluss auf die junge Vera ausübt.

Der Film von Regisseur Markus Imboden enttäuscht gleich auf mehreren Ebenen. Die Charaktere werden nur sehr flüchtig gezeichnet und erscheinen wie Klischees. Da wäre die junge Muslima Najla, die heimlich nachts und ohne Schleier Auto fährt und Polizistin werden will. Oder der Afghane Lamin, der als neuer Mitbewohne­r von Brix abends lecker kocht und Backgammon spielt und plötzlich in Abschiebeh­aft muss. Warum will die junge Frau Polizistin werden, warum kam Lamin nach Deutschlan­d? Dies alles bleibt im Dunkeln. Und auch die Darstellun­g der Frankfurte­r „UrEinwohne­r“fällt ärgerlich holzschnit­tartig aus. Das Drehbuch kennt vor allem zwei Typen Deutsche: Die einen verbringen ihre Abende sturzbetru­nken in Rechtsrock-Kneipen und kopulieren wild im Damen-Klo. Die anderen treffen sich zur Chorprobe im Vereinshei­m und singen mit verklärtem Blick „Hoch auf dem gelben Wagen“.

Es gibt Szenen, in denen man sich tatsächlic­h fragt, ob dies alles ernst gemeint ist. Dass der neue Chef der Mordkommis­sion lautstark Gedich- te von Ernst Jandl zitiert, hilft da auch nicht weiter. Einen tatsächlic­hen Beitrag zur aktuellen Debatte oder Denkanstöß­e liefert „Land in dieser Zeit“in keiner Minute. Dafür hätten die Macher tiefer in das Problem einsteigen müssen, statt sehr einseitig ein Klischee an das andere zu reihen. Schade! „Tatort: Land in dieser Zeit“, DasErste, So., 20.15 Uhr

 ?? FOTO: ARD/HR ?? Ein Kommissar unter Flüchtling­en: (v.l.) Lamin (Mehmet Atesci), Khalid (Alireza Bayram) Fanny (Zazie de Paris), Hauptkommi­ssar Paul Brix (Wolfram Koch) und Najla (Mayram Zaree).
FOTO: ARD/HR Ein Kommissar unter Flüchtling­en: (v.l.) Lamin (Mehmet Atesci), Khalid (Alireza Bayram) Fanny (Zazie de Paris), Hauptkommi­ssar Paul Brix (Wolfram Koch) und Najla (Mayram Zaree).

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