Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Bund zahlte NRW zwei Milliarden für Flüchtlinge
Die Opposition erwartet ein Sinken der Neuverschuldung auf Null. NRW profitierte von finanziellen Sondereffekten.
DÜSSELDORF Oppositionsführer Armin Laschet legt die Messlatte hoch: „Wir erwarten, dass wir in Nordrhein-Westfalen 2016 ohne neue Schulden auskommen“, sagte der NRW-CDU-Chef.
Das scheint viel verlangt. Nach jüngsten Plänen wollte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) 2016 eigentlich 1,8 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. Heute wird er den Jahresabschluss 2016 vorstellen. Durchgesi-
Der Mensch ist ein verwundbares Wesen. Man könnte das vergessen in diesen Tagen, da so viel von Härte, Stärke, Durchsetzungswillen die Rede ist. Und in der Politik gerade jene Erfolg haben, die von „klarer Kante“sprechen, die „endlich durchgreifen“wollen und „null Toleranz“versprechen. Verbal ist in den vergangenen Monaten erstaunlich schnell aufgerüstet worden.
Natürlich ist Entschiedenheit eine Tugend, die Bürger zu Recht von jenen erwarten, die die Macht im Staate haben, die Weichen für die Zukunft stellen und Herausforderungen wie Zuwanderung in den Griff bekommen müssen. Doch das enorme Bedürfnis nach autoritärem Vokabular, nach Begriffen der Abgrenzung und Zurückweisung ist bedenklich. Dabei kann aus der Zuwanderung der vergangenen Monate nur dann Positives für das Land erwachsen, wenn die Mehrheit der ckert ist, dass er mit einer deutlich niedrigeren Neuverschuldung als geplant glänzen will. Damit könnte der Finanzminister seinen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die ihm stets mangelnden Sparwillen vorwerfen. Aber belegt eine deutlich gesunkene Neuverschuldung tatsächlich einen Sparerfolg?
NRW hat 2016 zumindest auch von finanziellen Sondereffekten profitiert, die nichts mit Sparen zu tun haben. So hat der deutsche Fiskus 2016 massiv von der Konjunktur und der guten Lage am Arbeits- markt profitiert. Die Höhe der Mehreinnahmen ist noch nicht berechnet. Aber schon im Mai stellte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für 2016 massive Steuermehreinnahmen in Milliardenhöhe in Aussicht. Einer gängigen Faustformel zufolge erhält NRW davon gut neun Prozent. Wie auch immer das Steueraufkommen sich genau entwickelt hat: Unter dem Strich profitiert Walter-Borjans von einem unerwarteten Steuergeld-Segen im dreistelligen Millionenbereich. Deutschen nicht verhärtet und Neuankömmlinge weiter spüren, dass sie hier Chancen haben, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Statt mit Inbrunst über neue Wege der Grenzziehung nachzudenken, ist das viel drängendere Problem doch der Umgang mit den Menschen, die schon da sind – die eine Realität sind, ob gewollt oder nicht.
Natürlich hat das gestiegene Bedürfnis nach markigen Worten mit Ereignissen in den vergangenen Monaten zu tun, die gezeigt haben, wie verwundbar die offene Gesellschaft, wie verletzlich vor allem jeder einzelne Mensch ist. Wer das an sich heranlässt, wer mitfühlt mit den Opfern des Terrors und ihren Angehörigen, den kann die Wut packen. Und auf Wut folgt oft die Sehnsucht nach etwas Einfachem, Wirkungsvollem, Drastischem, das das quälende Gefühl von Unsicherheit schnell beseitigt. Doch es gibt eben einen Unterschied zwischen Härte
Auch der Bund hat das Land NRW im vergangenen Jahr mit zwei Milliarden Euro bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten unterstützt. Dies geht nach Informationen unserer Redaktion aus einer aktuellen Aufstellung des Bundesfinanzministeriums hervor. Demnach erhielt NRW 1,2 Milliarden Euro, um die 2016 tatsächlich angefallenen Kosten der Aufnahme von Flüchtlingen zu kompensieren. Auf diese Spitzabrechnung der Flüchtlingskosten hatten sich Bund und Länder im September 2015 geeinigt. und Konsequenz, zwischen dröhnenden Durchgreif-Versprechungen und dem nur scheinbar lahmen Appell, weiter auf die Mittel des Rechtsstaats zu vertrauen.
Deutschland mag sich selbst zu sehr gefallen haben in der Anfangseuphorie über die neue Fähigkeit, willkommen zu heißen. Da gab es moralische Überheblichkeit, auch Naivität. Doch der Impuls war richtig, und jeder Einsatz für konkrete Integration bleibt wichtig für das Miteinander – für die Lebensqualität in diesem Land. Der Mensch ist verletzlich. Es verlangt Stärke, sich dieser Wahrheit zu stellen. Doch Verletzlichkeit ist auch eine Gemeinsamkeit zwischen Menschen, die soziale und kulturelle Unterschiede trennt. Daran gilt es wieder zu erinnern, auch wenn die Sprache der Härte gerade besser zieht. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de
Außerdem überwies der Bund im vergangenen Jahr über 400 Millionen Euro als Pauschale für die Maßnahmen der Länder zur Integration der Ankommenden und weitere 150 Millionen Euro als Zuschuss für die Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. 85 Millionen Euro bekam Walter-Borjans als Hilfe für die Kosten der Unterkunft.
Dass NRW Geld für Flüchtlinge vom Bund erhalten würde, war klar. Aber klar ist auch, dass das Landmehr bekam, als zu erwarten war. Die Integrationspauschale des Bundes von 434 Millionen Euro hat NRW nicht an die Kommunen weitergeleitet, das Geld floss in den Landeshaushalt. Rund 90 Millionen Euro erhielt NRW zudem vom Bund als sogenannte Entflechtungsmittel für den Ausbau der kommunalen Verkehrswege und des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV).
Fazit: Selbst wenn die Neuverschuldung deutlich kleiner ausfällt als geplant, ist höchstens ein kleiner Teil davon das Ergebnis angestrengter Sparbemühungen.
Die Verletzlichkeit jedes Einzelnen bedenken