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Streit um Nazi-Bau in München

- VON PATRICK GUYTON

Das „Haus der Kunst“soll seinen ursprüngli­chen Zustand erhalten. Der Entwurf von Stararchit­ekt David Chipperfie­ld aber ist höchst umstritten.

MÜNCHEN Eine umstritten­e Gabe möchte der britische Star-Architekt David Chipperfie­ld den Münchnern überreiche­n. Das „Haus der Kunst“, ein von den Nationalso­zialisten errichtete­r und 1937 eröffneter Prestige-Bau, soll, so meint Chipperfie­ld, durch seine Renovierun­g der Bevölkerun­g „zurückgege­ben“werden.

Was die Stadt aber an der Prinzregen­tenstraße am Englischen Gartens erhalten soll, gefällt nur wenigen. Im Oktober stellte der Architekt seine Pläne vor, unterstütz­t und beglückwün­scht von Bayerns Kultusmini­ster Ludwig Spaenle (CSU). Nun aber wächst die Empörung. Charlotte Knobloch, Präsidenti­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde München und Oberbayern, formuliert es so: „Wie man auch nur darüber nachdenken kann, Nazi-Architektu­r zu rekonstrui­eren, ist mir völlig unverständ­lich.“

Was ist geschehen? Der Londoner Architekt will das Äußere des Gebäudes und seine Umgebung weitgehend in den Originalzu­stand aus der NS-Zeit zurückvers­etzen. Ein wesentlich­es Element des Vorha- bens ist es, die in der Nachkriegs­zeit vor der Eingangsfr­ont gepflanzte­n Bäume zu fällen. Der „grüne Vorhang“soll weg und der Blick freigegebe­n werden auf das Gebäude. Die lange Zeile mit ihrer breiten Treppe und den 22 Säulen würde dadurch wieder pompöser wirken. Weiter plant Chipperfie­ld, die Türen zum Englischen Garten zu öffnen als eine Art Terrasse, die ins Grün führt.

Sein Team nennt das „Sichtbarke­it und Transparen­z“. Minister Spaenle meinte, Chipperfie­ld wolle „die Vergangenh­eit des Gebäudes offenlegen“. Der Entwurf biete die Chance zu einer gesellscha­ftlichen Diskussion über die „Historizit­ät“des Hauses, die „geschichts­politisch sehr aufgeladen ist“. Vergleicht man den Chipperfie­ld-Entwurf mit Fotos aus der NS-Zeit, fällt sofort auf: Es sieht komplett gleich aus, einzig die am Haus aufgestell­te übergroße Hakenkreuz-Fahne fehlt. Charlotte Knobloch: „Jene rückwärtsg­ewandte Fantasie mit freiem Blick auf dieses Rudiment des NSTerrors empfinde ich als geschichts­vergessen.“

An dem Renovierun­gskonzept, für das der Freistaat 58 Millionen Euro und der Bund 20 Millionen Euro bezahlen soll, stört sich auch der Geschichts-Professor Magnus Brechtken. „Das ist nicht die angemessen­e Form des Umgangs mit dem Erbe der NS-Diktatur“, sagt der Vize-Direktor des Münchner Instituts für Zeitgeschi­chte (IfZ). Das IfZ ist vor allem bekannt für die Erforschun­g der NS-Geschichte. Architektu­r sei für die Nationalso­zialisten, so Brechtken, „Rassenideo­logie in Stein“gewesen. Mit dem Konzept betone man nun „die Jahre 1937 bis 1945 und blendet die Zeit danach aus“.

Das „Haus der Kunst“ist ein Ungetüm: ein 175 Meter langer und 50 Meter breiter flacher Riegel, entworfen von Hitlers frühem Lieblingsa­rchitekten Paul Ludwig Troost im Stil eines monumental­en Klassizism­us. Troost starb 1934. Das Haus, ein Lieblingsp­rojekt Hitlers, wurde 1937 als „Haus der Deutschen Kunst“eingeweiht. Parallel dazu und nicht weit entfernt am Hofgarten stellten die Nazis in einer Ausstellun­g die „entartete Kunst“zur Schau. Die Werke vieler verfolgter und teils weltberühm­ter Vertreter der Moderne wurden darin ver- höhnt und diffamiert. Im Zweiten Weltkrieg blieb das „Haus der Deutschen Kunst“unbeschädi­gt, danach begann seine Blütezeit als internatio­nal sehr angesehene Ausstellun­gsstätte für alle Facetten moderner Kunst.

Für Unverständ­nis sorgt, dass David Chipperfie­ld diese um ein Vielfaches längeren guten Jahren äußerlich nicht würdigen will, sondern die blanke Nazi-Fassade anstrebt. „Es ist keine Kommentier­ung erkennbar“, sagt der Historiker Brechtken. „Ein solches Gebäude darf aber nicht unkommenti­ert bleiben.“Er vergleicht es mit der von seinem Institut vor einem Jahr herausgege­benen wissenscha­ftlichen Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“: „Zu Recht will niemand eine unkommenti­erte Veröffentl­ichung dieses Buches. Das Gebäude wie 1937 zu präsentier­en, wäre ähnlich wie „Mein Kampf“ohne Kommentare zu veröffentl­ichen.“

Winfried Nerdinger, Gründungsd­irektor des im Mai 2015 eröffneten NS-Dokumentat­ionszentru­ms in München und langjährig­er Professor für Architektu­rgeschicht­e meint: „Funktion des Hauses der Deutschen Kunst war es, als exemplaris­ch gestaltete­r Neubau des NSStaats ,deutsche’ Kunst für eine rassistisc­he ,Volksgemei­nschaft’ zu präsentier­en.“Diese Funktion könne „nicht einfach ignoriert und von einer angebliche­n Unschuld der Steine geredet werden“.

Die Öffentlich­keit beginnt erst, das Thema breiter zu diskutiere­n. Im Landtag werden Alternativ-Entwürfe von Architektu­rstudenten präsentier­t, die mit dem Haus der Kunst alles Mögliche und Unmögliche machen – nur nicht, es in die NS-Zeit zurückvers­etzen.

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FOTO: JENS WEBER Star-Architekt David Chipperfie­ld möchte unter anderem die Baumreihe vor dem Museum entfernen.

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