Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Streit um Nazi-Bau in München
Das „Haus der Kunst“soll seinen ursprünglichen Zustand erhalten. Der Entwurf von Stararchitekt David Chipperfield aber ist höchst umstritten.
MÜNCHEN Eine umstrittene Gabe möchte der britische Star-Architekt David Chipperfield den Münchnern überreichen. Das „Haus der Kunst“, ein von den Nationalsozialisten errichteter und 1937 eröffneter Prestige-Bau, soll, so meint Chipperfield, durch seine Renovierung der Bevölkerung „zurückgegeben“werden.
Was die Stadt aber an der Prinzregentenstraße am Englischen Gartens erhalten soll, gefällt nur wenigen. Im Oktober stellte der Architekt seine Pläne vor, unterstützt und beglückwünscht von Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU). Nun aber wächst die Empörung. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, formuliert es so: „Wie man auch nur darüber nachdenken kann, Nazi-Architektur zu rekonstruieren, ist mir völlig unverständlich.“
Was ist geschehen? Der Londoner Architekt will das Äußere des Gebäudes und seine Umgebung weitgehend in den Originalzustand aus der NS-Zeit zurückversetzen. Ein wesentliches Element des Vorha- bens ist es, die in der Nachkriegszeit vor der Eingangsfront gepflanzten Bäume zu fällen. Der „grüne Vorhang“soll weg und der Blick freigegeben werden auf das Gebäude. Die lange Zeile mit ihrer breiten Treppe und den 22 Säulen würde dadurch wieder pompöser wirken. Weiter plant Chipperfield, die Türen zum Englischen Garten zu öffnen als eine Art Terrasse, die ins Grün führt.
Sein Team nennt das „Sichtbarkeit und Transparenz“. Minister Spaenle meinte, Chipperfield wolle „die Vergangenheit des Gebäudes offenlegen“. Der Entwurf biete die Chance zu einer gesellschaftlichen Diskussion über die „Historizität“des Hauses, die „geschichtspolitisch sehr aufgeladen ist“. Vergleicht man den Chipperfield-Entwurf mit Fotos aus der NS-Zeit, fällt sofort auf: Es sieht komplett gleich aus, einzig die am Haus aufgestellte übergroße Hakenkreuz-Fahne fehlt. Charlotte Knobloch: „Jene rückwärtsgewandte Fantasie mit freiem Blick auf dieses Rudiment des NSTerrors empfinde ich als geschichtsvergessen.“
An dem Renovierungskonzept, für das der Freistaat 58 Millionen Euro und der Bund 20 Millionen Euro bezahlen soll, stört sich auch der Geschichts-Professor Magnus Brechtken. „Das ist nicht die angemessene Form des Umgangs mit dem Erbe der NS-Diktatur“, sagt der Vize-Direktor des Münchner Instituts für Zeitgeschichte (IfZ). Das IfZ ist vor allem bekannt für die Erforschung der NS-Geschichte. Architektur sei für die Nationalsozialisten, so Brechtken, „Rassenideologie in Stein“gewesen. Mit dem Konzept betone man nun „die Jahre 1937 bis 1945 und blendet die Zeit danach aus“.
Das „Haus der Kunst“ist ein Ungetüm: ein 175 Meter langer und 50 Meter breiter flacher Riegel, entworfen von Hitlers frühem Lieblingsarchitekten Paul Ludwig Troost im Stil eines monumentalen Klassizismus. Troost starb 1934. Das Haus, ein Lieblingsprojekt Hitlers, wurde 1937 als „Haus der Deutschen Kunst“eingeweiht. Parallel dazu und nicht weit entfernt am Hofgarten stellten die Nazis in einer Ausstellung die „entartete Kunst“zur Schau. Die Werke vieler verfolgter und teils weltberühmter Vertreter der Moderne wurden darin ver- höhnt und diffamiert. Im Zweiten Weltkrieg blieb das „Haus der Deutschen Kunst“unbeschädigt, danach begann seine Blütezeit als international sehr angesehene Ausstellungsstätte für alle Facetten moderner Kunst.
Für Unverständnis sorgt, dass David Chipperfield diese um ein Vielfaches längeren guten Jahren äußerlich nicht würdigen will, sondern die blanke Nazi-Fassade anstrebt. „Es ist keine Kommentierung erkennbar“, sagt der Historiker Brechtken. „Ein solches Gebäude darf aber nicht unkommentiert bleiben.“Er vergleicht es mit der von seinem Institut vor einem Jahr herausgegebenen wissenschaftlichen Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“: „Zu Recht will niemand eine unkommentierte Veröffentlichung dieses Buches. Das Gebäude wie 1937 zu präsentieren, wäre ähnlich wie „Mein Kampf“ohne Kommentare zu veröffentlichen.“
Winfried Nerdinger, Gründungsdirektor des im Mai 2015 eröffneten NS-Dokumentationszentrums in München und langjähriger Professor für Architekturgeschichte meint: „Funktion des Hauses der Deutschen Kunst war es, als exemplarisch gestalteter Neubau des NSStaats ,deutsche’ Kunst für eine rassistische ,Volksgemeinschaft’ zu präsentieren.“Diese Funktion könne „nicht einfach ignoriert und von einer angeblichen Unschuld der Steine geredet werden“.
Die Öffentlichkeit beginnt erst, das Thema breiter zu diskutieren. Im Landtag werden Alternativ-Entwürfe von Architekturstudenten präsentiert, die mit dem Haus der Kunst alles Mögliche und Unmögliche machen – nur nicht, es in die NS-Zeit zurückversetzen.