Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Im Land der großen Gräfin

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liano) arbeitet, kennt sich in der Gegend aus wie kein zweiter. Rossena hat für ihn eine ganz besondere Anziehungs­kraft. „Die Burg ist für mich eine Art zweites Zuhause“, sagt der 74-Jährige. Gegenwärti­g steht die mittelalte­rliche Anlage für mehrere Millionen Euro zum Verkauf. Wer auch immer das liebevoll restaurier­te Kastell erwirbt, wird ein Stück Geschichte in Besitz nehmen – denn hier lebte und regierte das Adelsgesch­lecht der Canossa.

Zusammen mit einer kleinen Wandergrup­pe macht sich Soncini auf einen kurzen Abschnitt des Wanderwegs „Sentiero Matilde“, der in nur einer knappen Stunde von Rossena zur weiter östlich gelegenen Burgruine von Canossa führt. Er erklärt die verschiede­nen Pflanzenar­ten und erzählt auch ein wenig zu den Hintergrün­den des mittelalte­rlichen Investitur­streits.

Dieser Konflikt zwischen Kirche und Staat fand auf Canossa seinen Höhepunkt, als im Januar 1077 der römischdeu­tsche König und spätere Kaiser Heinrich IV., Papst Gregor VII. gegenübert­rat, um von ihm mit Mathildes Hilfe die Aufhebung seines Kirchenban­ns zu erbitten. Der jungen Markgräfin und Burgherrin kam damals mit nur knapp über 30 Jahren die Vermittler­rolle in einem der spannendst­en Konflikte des Mittelalte­rs zu. Sie war in Heinrichs geplanten Bußgang nach Canossa eingeweiht und arrangiert­e damit das Aufeinande­rtreffen des Königs mit dem Papst. Drei Tage lang soll Heinrich IV. in der Eiseskälte des strengen Winters vor der ehemaligen Burgkapell­e im Büßergewan­d ausgeharrt haben, bevor ihm der Papst schließlic­h entgegentr­at.

Als die Gruppe die letzten Stufen hinauf zur geschichts­trächtigen Ruine erklimmt, scheint es, als könnte der ein oder andere gut nachfühlen, wie anstrengen­d dieser Gang für den damaligen König gewesen sein muss – erst recht im bitterkalt­en Winter. Das zerklüftet­e Kopfsteinp­flaster führt bis zum höchsten Punkt der Burg und den Überresten ihres einstigen Gotteshaus­es San Apollonios. Auf einem hohen Felsen thronend ergibt es Sinn, dass ausgerechn­et diese Burg Stammsitz der Canossa war, denn von dort aus hatte man die hügelige Landschaft des Apennins bestens im Blick und konnte so große Teile der Emilia kontrollie­ren. „Die gro- ße Gräfin hat hier viele Jahre lang gelebt“, berichtet Mathilde-Experte Mario Bernabei, der das kleine Burgmuseum im mittleren Teil der Anlage führt. Mit viel Liebe zum Detail hat er am Fuße der Ruine außerdem einen kleinen Laden mit ausgewählt­en Büchern und regionalen Spezialitä­ten eingericht­et. Nach den Anstrengun­gen der Wanderung schmecken der angebotene Parmigiano Reggiano sowie der frisch perlende Lambrusco, der sein schlechtes Image längst abgeworfen hat, besonders gut. „Sehr gerne biete ich Besuchern unsere kulinarisc­hen Köstlichke­iten an“, sagt Mario Bernabei: „Immerhin kommen jährlich rund 20.000 Menschen hierher, um einmal selbst den weltberühm­ten Bußgang nach Canossa anzutreten.“

Vier Kilometer westlich von Rossena liegt die kleine italienisc­he Gemeinde Ciano d’Enza, die auch an das Wanderwegn­etz „Sentiero Matilde“angeschlos­sen ist. Zum Gedenken an König Heinrichs Bußgang nach Canossa findet dort am 3. September 2017 ein historisch­es Schauspiel statt, das mit rund 400 Laiendarst­ellern mitten im Dorf inszeniert wird. Fast aus jeder Familie des Dorfes sowie der umliegende­n Orte ist mindestens eine Person beteiligt. Dafür werden aufwändige Kostüme angefertig­t. Neben Mathildes Verhandlun­gsgeschick, das zum Kniefall des Königs führt, soll der Ritterkamp­f das Highlight in der Arena sein. Die Redaktion wurde von APT Servizi Emilia-Romagna zu der Reise eingeladen.

 ?? FOTO: NICOLE ADAMI ?? In der kleinen italienisc­hen Gemeinde Ciano d’Enza findet im Herbst zum Gedenken an König Heinrichs Bußgang nach Canossa zum 27. Mal ein historisch­es Schauspiel statt: das „Rievocazio­ne Storica Canossana“.
FOTO: NICOLE ADAMI In der kleinen italienisc­hen Gemeinde Ciano d’Enza findet im Herbst zum Gedenken an König Heinrichs Bußgang nach Canossa zum 27. Mal ein historisch­es Schauspiel statt: das „Rievocazio­ne Storica Canossana“.

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