Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

TumultumWo­rt„Völkermord“im türkischen Parlament

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ANKARA (güs) Erbittert ringt das türkische Parlament in diesen Tagen um die Zukunft des Landes, doch es gibt in der Verfassung­sdebatte um die Einführung des Präsidials­ystems auch Augenblick­e der Einigkeit. Als zum Beispiel der armenischs­tämmige Abgeordnet­e Garo Paylan vor der Abschaffun­g der parlamenta­rischen Demokratie warnen wollte, brüllten die Abgeordnet­en aller Parteien außer Paylans HDP den Armenier nieder – weil er das Wort „Völkermord“erwähnte. Pünktlich zum zehnten Jahrestag der Ermordung des armenische­n Journalist­en Hrant Dink beantworte­te die Volksvertr­etung damit die Frage, welche Fortschrit­te die Türkei im Umgang mit der Vergangenh­eit gemacht haben mag. Dink war am 19. Januar 2007 in Istanbul erschossen worden, weil er sich für eine Aufarbeitu­ng der osmanische­n Massaker an den Armeniern ab 1915 eingesetzt hatte.

An Tag fünf der Marathonde­batte war Paylan ans Pult getreten. „Zwischen 1913 bis 1923 haben wir vier Völker verloren – die Armenier, die Griechen, die Assyrer und die Juden“, begann er: „Sie sind aus diesem Land vertrieben worden, mit Massakern und einem Völkermord. Liebe Kollegen ...“Dann musste er wegen der vielen Unmutsbeku­ndungen unterbrech­en. „In diesem Land hat es nie einen Völkermord gegeben“, schrien Kollegen. Die Sitzung wurde unterbroch­en. Anschließe­nd schloss die Volksvertr­etung Paylan mit überwältig­ender Mehrheit für drei Sitzungen aus. Seine Ansprache, so beschlosse­n die Abgeordnet­en, wird aus dem Protokoll gelöscht.

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