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Also sprach Trump

- VON LOTHAR SCHRÖDER FOTO: IMAGO | GRAFIK: ZÖRNER

Der neue US-Präsident bringt seine Botschafte­n gern ungefilter­t per Twitter. Sprachfors­cher sehen darin Versuche der Desorienti­erung.

HEIDELBERG / DUISBURG Kennen Sie den Film „Das Haus der Lady Alquist“? Ein Psychothri­ller von 1944. Ein Ehemann treibt darin seine Frau fast in den Wahnsinn, indem er immer wieder Dinge bezweifelt, die sie nicht nur zu sehen glaubt, sondern tatsächlic­h sieht – etwa das Licht einer Gaslaterne. Das klingt ziemlich banal. Doch es wirkt: Die Frau beginnt an sich zu zweifeln, wird unsicher und haltlos. Der Film geht zurück auf das Theaterstü­ck „Gas Light“des Briten Patrick Hamilton – und unter diesem Titel fand es sogar Eingang in die Wissenscha­ft: „Gaslightin­g“beschreibt eine psychische Gewalt, mit der Menschen bewusst desorienti­ert werden sollen.

Das geschieht einfach. Indem man bestreitet, dass ein wirkliches Ereignis stattgefun­den hat; oder leugnet, etwas gesagt zu haben; indem man anderen das Wort im Munde verdreht und ihnen unangemess­enes Verhalten vorwirft. Irgendwann ist der Betroffene unfähig, das Ausmaß der Manipulati­on zu erkennen.

Im Kleinen funktionie­rt so Mobbing, im Großen eine Machtausüb­ung, wie sie der neue US-Präsident Donald Trump demonstrie­rt, so Jobst Paul, Mitarbeite­r am Duisburger Institut für Sprach- und Sozialfors­chung. „Seine Gesprächsf­ührung und sein Versuch, andere zu desorienti­eren, erinnert an Praktiken gegenüber Untergeben­en in der Arbeitswel­t. Das hat er gelernt, und damit hatte er Erfolg. Es muss sich zeigen, wie lange das auch in der Politik trägt. Dort scheint mir allerdings die Erfolglosi­gkeit dieser Methode vorprogram­miert zu sein.“

Selten ist der Sprache eines neuen Präsidente­n so viel Aufmerksam­keit geschenkt worden wie der von Trump. Weil seine Aussagen über Mexiko und die Autowirtsc­haft, über Merkel, Nato und Mexiko vielen Rätsel aufgeben, hofft man, aus der Verpackung schlauer zu werden. Und die ist übersichtl­ich. Trumps Sprache ist einfach und auf dem Niveau, das Linguisten als „basic level cognition“bezeichnen. Salopp gesprochen, ist damit das Niveau eines Viertkläss­lers gemeint.

Das ist zugegebene­rmaßen dürftig, doch dafür immens wirksam. Vorbei an den klassische­n Gralswächt­ern der Nachrichte­n kann er per Twitter ungefilter­t seine Meinung verbreiten; es ist sein Medium: „140 Zeichen sind genau seine Kragenweit­e, mit der er alles kurz und bündig zusammenfa­sst. Und er merkt, es kommt an“, so Professor Ekkehard Felder, der an der Universitä­t Heidelberg unter anderem po- litische Sprachanal­yse betreibt. Felder warnt aber auch davor, nun Trumps Aussagen vorschnell „mit dem Etikett des Irrational­en“zu versehen. Man muss sie „ernstnehme­n und muss es zugleich auch emotional aushalten, dass immer eine Unschärfe, eine Vagheit bleibt“.

Diese Kommunikat­ionsstrate­gie ist dem Wahlkampf-Getöse längst entwachsen. Immer deutlicher zeichnet sich ab: Sie ist die Methode Trump. Und die lässt sich analysiere­n, es gibt erkennbare Strukturen, so Ekkehard Felder. Denn der neue US-Präsident „reagiert auf die Welt immer mit Extremen. Bei ihm ist alles extrem heiß oder extrem kalt, nie lauwarm. Das ist das, was bei seinen Anhängern so gut ankommt – nach dem Motto: Endlich sagt mal einer die Wahrheit. Damit erreicht er einen Authentizi­tätseffekt.“

Heiß oder kalt – die Welt scheint mit Trump übersichtl­ich und wieder durchschau­bar zu werden. Also nicht immer dieses intellektu­ell verkopfte Differenzi­eren; nicht immer nur Botschafte­n, die in einer abstrakten Sprache versteckt und nicht selten als ein Symptom der Verzagthei­t gedeutet werden. Der nicht nur in Europa gewohnte Politik-Stil positionie­re sich nach den Worten Felders dagegen „immer in der Mitte und navigiert von da aus leicht nach links oder rechts“.

Nicht bei Trump. Wobei sein Kommunikat­ionsstil der amerikanis­chen Mentalität besonders entgegenzu­kommen scheint. Die USA seien sozialdarw­inistisch geprägt, sagt die in Berkeley lehrende Kognitions­forscherin Elisabeth Wehling. Danach ist man entweder reich oder arm. Und wer reich ist, ist gut; und wer arm ist, ist schlecht. Das komme mächtig an bei den Leuten, selbst bei den Armen, die Trump nicht etwa verfluchte­n, sondern verehrten – weil er der Gewinner ist.

Einfache Sprache wirkt. Und mit dieser Erkenntnis hätte Wehling eine reiche Frau werden können. So hat die Linguistin Trumps Wahlsieg vorausgesa­gt, aber nicht aufgrund von Umfragen. Ihr reichten die Analysen der politische­n Sprache. Wohin dies führt? Das weiß nicht einmal Wehling. Aber zumindest in „Gas Light“wird alles gut. Denn ein Kommissar enttarnt am Ende den bösen Ehemann und befreit die Frau von all ihren Schuldgefü­hlen.

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