Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Montecristo
Du warst der einzige Mensch auf der Welt, dem ich vertraut habe.“Marina versuchte, sich die Oberarme warm zu reiben. „Manchmal“, sagte sie, „manchmal muss man jemanden verraten, um ihn zu schützen.“„Ist das auch Just?“„Gobler.“„Und in den Worten von Marina Ruiz, bitte?“
„Ich habe gewusst, dass ich dich vielleicht verliere, wenn ich es tue. Aber wenn ich es nicht getan hätte, hätte ich dich ganz sicher verloren.“
Wieder fiel Schnee von einem der Bäume.
„Lass uns gehen, bevor wir erfrieren“, sagte Jonas.
Sie gingen auf ihren eigenen Fußspuren zurück. Nach ein paar Metern nahm sie seinen Arm, und er ließ es geschehen.
„Glaubst du“, fragte Marina, „dass du mir je wieder vertrauen kannst?“
„Ich weiß es nicht.“– Fast ein Jahr war vergangen, und die Seifenblase war noch immer intakt. Wie ein monumentales Luftschiff schwebte sie dicht über der Wirklichkeit, immer um Haaresbreite an deren Zacken vorbei.
Es lag wieder fast so viel Schnee wie an jenem denkwürdigen Februartag, als sich die Lilien so kurzfristig und spät zusammenfanden, und es schneite wie damals.
Dicke Flocken fielen in die Festbeleuchtung des Kinos Kronos, vor dem sich Premierengäste und Medienvertreter stauten. „Montecristo“stand in großen Lettern über dem Eingang.
Drinnen warteten Helfer mit den Mänteln und Pelzen der Gäste, die sich auf dem roten Teppich filmen, fotografieren und interviewen ließen.
Neben den Stars und Starlets war auch ungewohnt viel Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur zugegen. Zum Beispiel Bundesrat Schublinger als höchster Vertreter der Politik, sein Chefbeamter, Lukas Gobler, und der Präsident der Nationalbank, Hanspeter Anderfeld, alle in Begleitung ihrer Gattinnen.
Oder William Just, der CEO der General Confederate Bank of Switzerland, GCBS, gemeinsam mit seinem Konkurrenten, Jean Seibler, CEO der Swiss International Bank, SIB, auch sie mit ihren Damen.
Auch der Generaldirektor des Fernsehens war zugegen sowie der CEO von TVch – zwei Konkurrenten, die sich sonst lieber aus dem Weg gingen.
Sie alle stellten sich lächelnd vor die Fotowand mit dem montecristoLogo und beantworteten die zahmen Fragen der Journalisten.
Die einzige etwas kritischere stammte von einem Mitarbeiter des Feuilletons einer der großen Tageszeitungen. Sie war an William Just gerichtet und lautete: „Montecristo wurde mit eins Komma sechs Millionen von Moviefonds gefördert. Können Sie bestätigen, dass der Löwenanteil davon aus dem Kulturbudget Ihrer Bank stammt?“
„Nach den Statuten von Moviefonds kann ich das weder bestätigen noch dementieren.“
„Halten Sie es für eine kluge Förderpolitik, unerfahrene Regisseure mit großzügigen Zuwendungen zu unterstützen, während Projekte bewährter Leute an ihrer Finanzierung scheitern?“– „Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich hier passe. Die Finanzwirtschaft sollte sich aus der Kulturpolitik raushalten. Ich freue mich jetzt einfach auf den Film.“
Der Regisseur und Drehbuchautor, Jonas Brand, erschien mit seiner Lebensgefährtin, Marina Ruiz, die auch für das Event Planning der Premiere zuständig war. Sie trug ein hochgeschlossenes Paillettenkleid mit tiefem Rückenausschnitt, neben dem Brand im dunklen Anzug und weißen offenen Hemd etwas underdressed wirkte.
Die Videojournalistin von Highlife fragte ihn: „Herr Brand, Sie sind als Regisseur ein unbeschriebenes Blatt, und dies ist Ihr erster Spielfilm. Aber dennoch sind bei Ihrer Premiere Gott und die Welt versammelt. Macht Sie das nicht nervös?“
„Ich war schon nervöser“, antwortete Jonas Brand.
(Ende)