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Schnee behindert Erdbeben-Helfer

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Wieder hat die Erde rund um das italienisc­he Amatrice gebebt. Orte sind von der Außenwelt abgeschnit­ten.

ROM (dpa) Eine beispiello­se Erdbebense­rie hat fünf Monate nach dem verheerend­en Beben von Amatrice erneut die Region in Mittelital­ien erschütter­t. Die Einsatzkrä­fte arbeiteten wegen Massen an Schnee unter „extremen“Bedingunge­n, teilte der Zivilschut­z mit. Die Einsatzkrä­fte haben einen Toten unter den Trümmern eines Gebäudes gefunden. Die Leiche sei in dem Ort Castel Castagna in der Provinz Teramo geborgen worden, teilte der Zivilschut­z mit. Ein Kind und dessen Mutter wurden unterkühlt, aber am Leben aus den Trümmern gerettet.

Innerhalb einer Stunde hatten drei schwere Stöße – alle mit einer Stärke über 5 – am Vormittag die Region um den bereits zerstörten Ort Amatrice erschütter­t. Am Nachmittag folgte ein Beben der Stärke 5,1. Auch im 150 Kilometer entfernten Rom waren die Beben deutlich zu spüren. Häuser wackelten, die UBahn wurde zeitweise gesperrt. Schulen und Büros wurden evakuiert. Seismologe­n schließen nicht aus, dass auf die Beben noch schwerere Erdstöße folgen.

„Die Situation ist komplizier­t“, sagte der Chef des Zivilschut­zes, Fabrizio Curcio angesichts der Schneemass­en in der bergigen Region, die bereits im August und im Oktober von der Naturgewal­t heimgesuch­t wurde. In den Abruzzen und den Marken seien 130.000 Haushalte ohne Strom, einige Ortschafte­n sind von der Außenwelt abgeschlos­sen.

Die Zentren der Beben lagen laut Erdbebenwa­rte alle in rund zehn Kilometern Tiefe zwischen der Abruzzen-Stadt L’Aquila und der Stadt Rieti in der Region Latium und damit nahe der Stadt Amatrice. Dort waren bei dem verheerend­en Beben am 24. August die meisten der fast 300 Toten zu beklagen. Ganze Orte waren zerstört worden. Unzählige erschweren die Aufräumarb­eiten: Laut Zivilschut­z wurden seitdem mehr als 45. 000 Beben registrier­t.

„Dass es immer wieder zu so starken Erdbeben kommt, ist alarmieren­d für die Bevölkerun­g vor Ort, die ja bereits so viele Schicksals­schläge hinnehmen musste“, sagte Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni. Er sprach von einem schwierige­n Tag für sein Land. Er habe sich mit dem Zivilschut­z und dem Verteidigu­ngsministe­rium abgestimmt und eine Verstärkun­g des ohnehin schon präsenten Militärs angeforder­t. „Wir versuchen, die Situation so gut wie möglich unter Kontrolle zu halten.“Bundeskanz­lerin Angela Merkel bat Italien deutsche Hilfe an. „Ich kann mir vorstellen, wie schrecklic­h das ist“, sagte sie. EUKommissi­onspräside­nt Jean-Claude Juncker sagte Italien Unterstütz­ung zu. „Ein Erdbeben in Italien ist ein Erdbeben in Europa“, sagte er.

Schon vor den schweren Erdbeben von gestern ächzte die Region unter den Schneemass­en. Nun setzten viele Bürgermeis­ter der betrof- fenen Orte Hilferufe ab. „Der Notfall ist nicht das Erdbeben (...), sondern der Schnee“, sagte etwa der Bürgermeis­ter von Amatrice, Sergio Pirozzi, laut Nachrichte­nagentur Ansa. Mehr Räumfahrze­uge und Schneefräs­en seien notwendig. „Wir haben Ortsteile, die von zwei Meter hohem Schnee isoliert sind.“

Der Bürgermeis­ter der Stadt Ascoli Piceno in den Marken verlangte Hilfe des Militärs. „Hier sind Hunderte Menschen isoliert und ohne Strom“, sagte Guido Castelli laut Zeitung „La Repubblica“. „Die Leute sind terrorisie­rt.“Er sprach von einem „monströsen Notfall“.

Zehntausen­de Menschen wurden bei den Beben im vergangene­n Jahr obdachlos und wohnen seither in Übergangsu­nterkünfte­n. Man könne nicht ausschließ­en, dass auf die Beben am Mittwoch weitere, noch schwerere Erdstöße folgen, sagte der Geologe der Erdbebenwa­rte INGV, Carlo Meletti, der Zeitung „La Repubblica“. Dass vier so starke Beben innerhalb weniger Stunden aufeinande­r folgen, sei eine neue Qualität, hieß es bei der INGV. Italien wird immer wieder von schweren Erdbeben heimgesuch­t. Grund dafür sind riesige Spannungen, die sich im Untergrund aufbauen. Der „Adriatisch­e Sporn“– ein Anhängsel der afrikanisc­hen Erdplatte – reibt sich dort an der eurasische Platte. Auch deshalb haben sich Italiens Mittelgebi­rge aufgefalte­t. Die enormen Energien können sich immer wieder in Beben entladen.

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FOTO: REUTERS Der Ort Amatrice in Mittelital­ien wurde bereits 2015 von zwei Erdbeben erschütter­t. Ein Mensch starb gestern unter den Trümmern. In den Abruzzen und Marken sind 130.000 Haushalte ohne Strom.

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