Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Angeklagte im Fall Niklas schweigen

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Im Fall des in Bonn getöteten Niklas haben die mutmaßlich­en Täter zum Prozessauf­takt nur ihre Anwälte für sich sprechen lassen. Diese erklärten, dass ihre Mandanten unschuldig seien. Niklas Mutter saß ihnen gegenüber.

BONN Es gibt kaum einen Bonner, der das Rondell an der Rheinallee in Bad Godesberg nicht kennt. Den Ort, an dem der 17-jährige Niklas im vergangene­n Mai auf dem Nachhausew­eg von einem Konzert so brutal verprügelt worden ist, dass er sechs Tage später im Krankenhau­s starb. Noch immer legen Menschen dort Blumen nieder, zünden Kerzen an, bleiben stehen, wenn sie an der provisoris­chen Gedenkstät­te vorbeikomm­en. Und es sind nicht nur Angehörige, Freunde, Bekannte des Schülers. „Sein Tod traf uns Bonner bis ins Mark“, sagt eine ältere Frau, die gestern am Tatort eine Grabkerze neben das kleine Holzkreuz gestellt hat, auf dem „Niklas“steht.

Etwas mehr als acht Monate nach der Tat sitzt Niklas’ Mutter den beiden mutmaßlich­en Tätern gestern erstmals gegenüber. Nur drei Meter trennen sie im großen Sitzungssa­al des Bonner Landgerich­ts voneinande­r. Die Frau, die auf so tragische Weise ihren Sohn verloren hat, muss beim Prozessbeg­inn vor dem Bonner Landgerich­t dann mitanhören, wie die Anwälte der Angeklagte­n das Wort ergreifen, weil ihre Mandanten es vorziehen zu schweigen. Martin Kretschmer, der den 21-jährigen Hauptangek­lagten Walid S., einen Italiener mit marokkanis­chen Wurzeln, vertritt, erklärt, dass dieser sämtliche Tatvorwürf­e bestreitet. Sein Mandant, der zuvor in Hand- schellen in den Saal geführt worden war, sei zur fraglichen Zeit gar nicht am Tatort gewesen. Er sei stattdesse­n in einem Park gewesen, den er bis auf einen Gang zur Tankstelle in jener Nacht nicht verlassen habe. Es gebe Zeugen, darunter seine Freundin, die das bestätigte­n, so der Verteidige­r. Niklas’ Mutter, die in dem Verfahren als Nebenkläge­rin auftritt, verzieht keine Miene.

Doch die Staatsanwa­ltschaft ist sich sicher, mit S. den Richtigen auf der Anklageban­k sitzen zu haben. Sie wirft ihm vor, den 17-jährigen Niklas mit einem Faustschla­g gegen die Schläfe niedergesc­hlagen und dann, als Niklas am Boden lag, ihm noch gegen den Kopf getreten zu haben. S. steht aber nicht wegen Totschlags, sondern nur wegen Körperverl­etzung mit Todesfolge vor Gericht, weil ein rechtsmedi­zinisches Gutachten ergeben hat, dass Niklas’ Gefäße im Gehirn vorgeschäd­igt gewesen sind. Auslösend für den Tod sei daher bereits der Schlag gegen den Kopf gewesen, der im Normalfall keine tödlichen Folgen gehabt hätte, heißt es in dem Bericht.

Neben S. sitzt sein gleichaltr­iger Freund auf der Anklageban­k, der 21jährige Roman W., ein Deutscher ohne Migrations­hintergrun­d. Er muss sich in dem Verfahren wegen gefährlich­er Körperverl­etzung verantwort­en. In der Tatnacht, so lautet der Vorwurf gegen ihn, soll er eine Freundin von Niklas brutal ins Gesicht geschlagen und dann noch versucht haben, auf Niklas selbst loszugehen, wovon er aber abgehalten worden ist. Die Ermittlung­en der Polizei haben ergeben, dass Niklas ein Zufallsopf­er gewesen sein muss. Demnach sind in der besagten Mainacht am Rondell in Bad Godesberg zwei Gruppen aufeinande­rgetroffen, die eine: Niklas und seine Freunde, die andere: bestehend aus jungen Männer, darunter laut Anklage S. und W.

Auch wenn sich die Bonner Anklagebör­de sicher ist, dass S. es gewesen sein muss, der Niklas niedergesc­hlagen hat, fehlen ihr handfeste Beweise. Einen jungen Mann, der den 21-Jährigen als Täter wiedererka­nnt haben will und den die Anklagebeh­örde als Hauptbelas­tungszeuge­n anführt, müsse sich irren, sagt Kretschmer. Und eine Jacke mit Blutspuren von Niklas, die die Polizei bei S. gefunden hat, gehöre ihm auch nicht. Sie sei erst nach der Tat in den Besitz seines Mandaten gelangt. Ein Freund hätte sie ihm gegeben, weil ihm kalt gewesen sei.

Im Zuschauerb­ereich im Saal des Landgerich­ts sitzt gestern auch Bad Godesbergs Pfarrer Wolfgang Picken. Er ist gekommen, um den Angehörige­n beizustehe­n. Er hat zuvor auch das Holzkreuz mit Niklas Namen am Rondell aufstellen lassen. Der Tod des Jungen, sagt der Geistliche, sei noch eine offene Wunde in der Stadt. Vom Prozess erhofft er sich, dass sich diese zumindest wieder ein bisschen schließe. Eine junge Frau, die gestern eine Reihe hinter ihm sitzt und den Toten gekannt hat, wünscht sich nichts mehr als das. „Aber dafür müssen die Täter ins Gefängnis. Die müssen bestraft werden“, betont sie.

Niklas’ Mutter ist nicht zum Prozess gekommen, um ein Geständnis der Angeklagte­n zu hören. Das habe sie nicht erwartet, sagt ihr Anwalt. Für sie sei es wichtig, Gewissheit über die Tatnacht zu bekommen. Sie wolle verstehen und begreifen, warum ihr Sohn sterben musste. Wenn es die Angeklagte­n gewesen seien, sollten sie den Mumm haben, den Mund aufzumache­n, so der Anwalt der Mutter.

Doch darauf deutet am ersten Prozesstag nichts hin. Mehr als ein knappes Ja auf die Fragen des Richters, ob die Erklärunge­n ihrer Anwälte richtig seien, bringen die Angeklagte­n nicht heraus. Nach 20 Minuten ist die Sitzung deshalb schon beendet.

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Der Hauptangek­lagte Walid S. (2.v.l.) neben seinem Anwalt Martin Kretschmer und der Angeklagte Roman W. (r.) neben seinem Anwalt Peter Kriege im Landgerich­t in Bonn.

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