Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Wie Agassi Becker ausgetrickst hat
DÜSSELDORF Der menschliche Entdeckergeist ist so ausgeprägt, dass immer neue Dinge zum Vorschein kommen. Unlängst wollen irische Forscher der Universität Limerick ein weiteres Organ im Bauchraum des menschlichen Körpers ermittelt haben. Nun streiten sich die Gelehrten, ob es ein neues Organ oder wie bisher klassifiziert nur ein Gekröse ist, was die verschiedenen Darmabschnitte mit der Bauchdecke verbindet. Bisher weitestgehend unerforscht ist dagegen die Zunge von Boris Becker – jedenfalls im wissenschaftlichen Kontext.
Doch das soll sich nun ändern, und der Anfang ist auch schon gemacht. Kein Geringerer als André Agassi ist um die Entschlüsselung des Beckerschen Zungenverhaltens bemüht. In jungen Jahren hat Agassi
Dem Fußball verdankt die Menschheit eine sehr liberale Gestaltung des Kalenders. Klaglos haben die Fans bereits ertragen, dass ein Spieljahr nicht im Januar, sondern erst im August beginnt. Dafür endet es bereits im Mai, und es nennt sich Jahr, obwohl es nach Adam Riese gerade mal zehn Monate hat. Ganz nebenbei sind die Jahreszeiten kühn verschoben worden. Seit mehr als einem halben Jahrhundert feiert die Bundesliga ihren Herbstmeister, wenn der Kalender normaler Menschen den Winteranfang signalisiert. Und in diesem Jahr bricht tatsächlich auch in dieser Hinsicht noch eine neue Zeitrechnung an. Der Herbstmeister der Bundesliga steht erst in der vorletzten Januar-Woche fest. Das gab’s viel zu viel Zeit in die Weiterentwicklung von Haarwuchsmitteln investiert. Der Erfolg wollte sich bei ihm nicht einstellen. Er legte also die aufwendigen Toupets beiseite. Womit wir wieder bei Becker wären.
Der junge Becker hatte Agassi bei den ersten Aufeinandertreffen auf dem Court geschlagen – vor allem dank seines unberechenbaren Aufschlags. Unberechenbar? Agassi setzte sich hin und studierte Videobänder von den Begegnungen. Und plötzlich machte es Bumm-Bumm. In einem Video, dass gerade in den sozialen Netzwerken die Runde macht, verrät Agassi die Teil-Entschlüsselung von Becker. Diese Erkenntnis hat er bereits 2007 als CoKommentator im US-Fernsehen ausgeplaudert, damals ist seine Botschaft offenbar nicht bei einer breiteren Öffentlichkeit angekommen.
Becker habe einen Tick gehabt, erzählt Agassi, bei dem er vor dem Aufschlag die Zunge herausstreckte. Sie verriet dabei die Flugrichtung des Balles. Zeigte die Zunge nach links, so schlug er den Ball oft in die äußere Zone des Feldes. Blieb seine Zunge mittig, so landete der Ball mittig auf der anderen Seite. Für noch nie. Zu verdanken ist die neuerliche Weitung des Kalenders einem ehrenwerten Plan.
Der Deutsche Fußball-Bund sah in seinen Trophäenschrank und erkannte, dass dort bis auf eine kleine Bronzemedaille keine große Erinnerung an Olympische Spiele aufbewahrt wird. Das sollte sich ändern. Deshalb wies der DFB seine Unternehmenstochter, die Deutsche Fußball-Liga (DFL) an, den Spielplan für die Bundesliga-Hinrunde der Saison 2016/17 über Weihnachten hinaus zu dehnen, damit die deutschen Olympia-Hoffnungen ihren Klubs nicht zu lange beim Training fehlen.
Diese an sich liebenswürdige Rücksichtnahme hatte nicht vollends das Ergebnis, das sich der Agassi sei es das Härteste während seiner aktiven Karriere gewesen, Becker nicht wissen zu lassen, dass er ihm auf die Schliche gekommen war. So habe er sich die Momente in einem Spiel gut ausgesucht, in dem er den Wissenvorsprung ausnutzte. Schließlich wollte er nicht, dass Becker seine Zunge einrollte.
Jahre nach dem Karriereende offenbarte sich Agassi seinem einstigen Rivalen nach ein paar Maß Bier auf dem Münchner Oktoberfest. Becker sei fast vom Stuhl gefallen. Er habe so oft nach Niederlagen gegen Agassi zu seiner Frau gesagt, es sei, als ob der Gegner seine Gedanken lesen könne. Tja, es war viel einfacher. Nach den ersten drei verlorenen Matches hat Agassi neun von elf der nächsten Partien gewonnen. Becker konnte nur noch zwei Mal gegen den Ehemann von Steffi Graf gewinnen.
Zehn Monate hat das Jahr, und Herbst ist im Januar
Olympia-Auswahltrainer Horst Hrubesch vorgestellt haben wird. Denn einige der bereits besser dekorierten Nachwuchs-Stars teilten ihm mit, dass sie das tolle OlympiaTurnier zwar gern miterleben würden, allerdings am liebsten im bequemen Fernsehsessel daheim. Timo Werner (Leipzig) verschob seine Flugstunden auf die Meisterschaftsspiele, Kevin Volland (Leverkusen) wollte sich wahrscheinlich erst einmal von den Schönheiten der neuen Wahlheimat unterm Bayer-Kreuz überzeugen. Leroy Sané, Joshua Kimmich, Jonathan Tah, Emre Can, Julian Draxler und MarcAndré ter Stegen waren vom extremen Höhentraining am EM-Standort Evian derart geschlaucht, dass sie von den Klub-Physiotherapeu- ten mühsam wiederbelebt werden mussten.
Statt ihrer traten in Rio Berühmtheiten wie Max Christensen, Grischa Prömel und Philipp Max an. Dass die preiswürdige Weitsicht des DFB trotzdem zur Silbermedaille führte, lag vor allem an Horst Hrubesch, den Kalendervarianten nur dann beschäftigen, wenn sie irgendetwas mit den Geheimnissen des Dorschfischens zu tun haben. Schließlich hat er bereits 1980 das Standardwerk „Dorschangeln vom Boot und an den Küsten“verfasst.
Im späten Herbst ist übrigens Dorschsaison, und die ist noch nie wegen Olympia verlegt worden. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de