Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
DEMOKRATIE-SERIE (5)
Die Schweiz gilt als Musterbeispiel für die unmittelbare Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungsprozessen. Doch die direkte Demokratie ist zweischneidig und umstritten – auch unter Eidgenossen.
Fragen stellen. Für eine eidgenössische Volksinitiative müssen sie bloß binnen 18 Monaten 100.000 Unterschriften sammeln. Politische Konsequenzen fürchten für das, was sie anrichten, müssen die Initiatoren hingegen nicht. Mit anderen Worten: Es gibt keine wirklich Verantwortlichen, auch wenn die Mehrheit der Schweizer Kantone das Ergebnis von Abstimmungen über Volksinitiativen oder bei obligatorischen Referenden gutheißen muss. Kritiker der direkten Demokratie in der Schweiz bemängeln in diesem Zusammenhang, dass dem Lobbyismus – ohnehin ein Problem in der repräsentativen Demokratie – Tür und Tor geöffnet werde, weil interessierte Kreise bereitwillig Geld für die Meinungsbildung zu ihren Gunsten in die Hand nähmen.
Fragwürdig bleibt auch, ob sich komplexe Sachverhalte auf simple Ja-NeinAlternativen reduzieren lassen. Zeigt sich das Wesen der Demokratie nicht gerade im Kompromiss? Es ist kein Zufall, dass Populisten, die sich gern im Schwarz-Weiß-Raster bewegen, Volksabstimmungen für eine fabelhafte Einrichtung halten. Selbst Befürworter der direkten Demokratie räumen ein, dass die im Allgemeinen verhältnismäßig niedrige Abstimmungsbeteiligung die Ergebnisse verfälscht. Warum nicht qualifizierte Mehrheiten von zum Beispiel 60 Prozent der Stimmberechtigten verbindlich einführen? Die Frage ist erlaubt. Und sie kostet auch nichts.