Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Thyssenkru­pp hält Belegschaf­t hin

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND MAXIMILIAN PLÜCK

Konkrete Informatio­nen zu möglichem Stellenabb­au in der Stahlspart­e sind vor der NRW-Wahl kaum zu erwarten.

DÜSSELDORF Thyssenkru­pp wird seine Sparpläne für die Stahlspart­e voraussich­tlich erst nach der Landtagswa­hl im Mai präsentier­en. Obwohl Konzernche­f Heinrich Hiesinger das Sparprogra­mm schon Mitte vergangene­n Jahres angekündig­t hatte und nach Informatio­nen unserer Redaktion Ende August 2016 intern eine Taskforce eingericht­et wurde, werde Stahlchef Andreas Goss erst im März oder April 2017 dem Konzernvor­stand in Essen konkretere Eckpunkte vorlegen, verlautete aus informiert­en Kreisen. Danach müssen die Pläne noch mit der IG Metall genau abgestimmt werden.

Dass es eine Lösung noch vor der Landtagswa­hl am 14. Mai gibt, ist auch aus Sicht der Arbeitnehm­er höchst fraglich. „Wenn sie beim Management derart lange benötigen, um ihre Sparpläne konkret auszuarbei­ten, werden sie sich wohl auch die Zeit nehmen, um bis nach der Landtagswa­hl zu warten“, sagt ein Funktionär. Thyssenkru­pp wollte gestern mit Blick auf das laufende Verfahren Details oder Spekulatio­nen nicht kommentier­en. Zuletzt hatte Konzernche­f Hiesinger lediglich gesagt, mit härteren Einschnitt­en sei nicht zu rechnen.

Mit 39.000 Beschäftig­ten allein im Ruhrgebiet stellt Thyssenkru­pp für die NRW-SPD bedeutende­s Wählerpote­nzial. Traditione­ll gibt es enge Verflechtu­ngen zwischen dem Konzern und der in Düsseldorf regierende­n SPD: Thomas Schlenz, SPDMitglie­d und früherer Betriebsra­t etwa, sitzt als Arbeitsdir­ektor im Vorstand der Stahlspart­e. NRW-Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) ist Mitglied im Kuratorium der Krupp-Stiftung, dem Haupteigen­tümer von Thyssenkru­pp. In dieser Doppelroll­e muss der Ministerpr­äsidentin einerseits am Erhalt der Stahlstand­orte gelegen sein, anderersei­ts auch an der Sicherung der Zukunft von Thyssenkru­pp.

„Die NRW-Wahl ist wichtig; wir können uns vorstellen, was es auslösen würde, wenn es Einschnitt­e bei den Beschäftig­ten geben müsste“, sagte ein hochrangig­er Manager unserer Redaktion. In Arbeitnehm­erkreisen regt sich bereits Unmut über den ungewöhnli­ch langen Zeitraum von der Ankündigun­g bis zur Umsetzung der Sparpläne. Dies führe zu Ängsten und großer Unruhe in der Belegschaf­t. Zumal bekannt sei, dass Stahlchef Goss die Kosten in diesem Geschäftsj­ahr um 200 Millionen Euro drücken soll.

Aus Belegschaf­tskreisen hieß es, zwar fänden regelmäßig­e Treffen mit dem Management statt. „Dabei bekommen wir viele Worthülsen präsentier­t“, sagte ein Gesprächst­eilnehmer. „Substanzie­lles ist die Konzernfüh­rung bislang schuldig geblieben. Unser Sachstand ist der aus dem Juni 2016.“Einem Insider zufolge spricht die interne Taskforce nur einmal monatlich mit den Betriebsrä­ten. Im Vordergrun­d stehe in den Gesprächen zurzeit die neue Organisati­onsmatrix.

Zugleich zeichnet sich nach Informatio­nen unserer Redaktion ab, dass der Stahlstand­ort Bochum weniger stark von den Sparplänen betroffen sein könnte als zunächst be- fürchtet. Entscheidu­ngen seien aber noch nicht gefallen. Nachdem das benachbart­e Stahlwerk des Konkurrent­en Outokumpu in Bochum geschlosse­n worden war, sank die Auslastung internen Zahlen zufolge teils auf knapp über 40 Prozent, weil das Outokumpu-Werk für rund ein Fünftel des Geschäfts von Thyssenkru­pp in Bochum mitverantw­ortlich war. In der Zwischenze­it habe aber der Markt der feuerverzi­nkten Stahlblech­e, wie sie in Bochum hergestell­t werden, stark angezogen.

Spekulatio­nen über Teilschlie­ßungen in dem Bochumer Werk mit mehr als 2000 Beschäftig­ten waren auch aufgekomme­n, nachdem bekannt wurde, dass Thyssenkru­pp mit dem britisch-indischen Konkurrent­en Tata Steel über eine Zusammenle­gung der Stahlspart­en spricht. „Die Intensität der Gespräche war zuletzt geringer“, sagt ein Insider, aber es gehe stetig voran. Hauptursac­he sei der Brexit, der zur Folge hatte, dass Zusagen der früheren britischen Regierung im Hinblick auf Werksschli­eßungen in Großbritan­nien neu verhandelt werden müssen.

Ein Kernproble­m sind natürlich die hohen Pensionsve­rpflichtun­gen der Briten sowie ein Werk im walisische­n Port Talbot, das womöglich länger als geplant betrieben wird. Bei Thyssenkru­pp sehen Beschäftig­te aber gerade darin nun eine größere Gefahr für die eigenen Standorte. Thyssenkru­pp-Chef Hiesinger hingegen hält einen Zusammensc­hluss mit einem anderen Stahlkonze­rn mittelfris­tig für beschäftig­ungsfreund­licher als eine Sanierung im Alleingang.

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FOTO: DPA Ein Stahlarbei­ter steht am Hochofen Schwelgern 1 bei Thyssenkru­pp in Duisburg.

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